München Microsoft Flight – ohne „Simulator“? Ist der Name Programm? Vor Kurzem hat ein neues Werbevideo (siehe unten) die Gemüter der Hardcore-Simmer (so bezeichnen sich Simulationsfans, die Wert auf einen besonders hohen Realismusgrad legen) erregt. Stein des Anstoßes waren sowohl die recht geringe visuelle Qualität als auch der Werbesprecher, der hervorhebt dass Microsoft Flight vergleichsweise […]

München

Microsoft Flight – ohne „Simulator“?

Ist der Name Programm?

Vor Kurzem hat ein neues Werbevideo (siehe unten) die Gemüter der Hardcore-Simmer (so bezeichnen sich Simulationsfans, die Wert auf einen besonders hohen Realismusgrad legen) erregt. Stein des Anstoßes waren sowohl die recht geringe visuelle Qualität als auch der Werbesprecher, der hervorhebt dass Microsoft Flight vergleichsweise niedrige Hardwareanforderungen hat und, schlimmer noch, die Ankündigung dass das Spiel auch für Personen die Gamepads und Maussteuerung gewohnt sind, gut handhabbar sei. In den Augen von Fans der bisherigen Flight Simulators, die spezialisierte Hardware wie Headtracking, Yokes, HOTAS-Steuerung,  Multimonitorsetup und vieles mehr mitbringen, muss gerade die Bezugnahme auf Konsolenspieler wie ein rotes Tuch wirken. Entsprechend giftig und Internet-typisch unflätig sind viele der Kommentare auf Youtube und in einschlägigen Foren. Es wird im allgemeinen befürchtet, dass die Zielgruppe des neuen Spiels nicht mehr die Hardcore-Simmer sondern eher an Spaß orientierte Gelegenheitsspieler sind, worunter die Simulationstiefe sehr leiden könnte. Die Streichung des Wortes „Simulator“ aus dem Namen und die Einführung von kleinen Missionen tragen in den Augen der Kommentatoren weiter zu diesem Eindruck bei.

Gemäßigtere Stimmen geben zu bedenken, dass die früheren Flight Simulators auch erst im Laufe der Zeit gereift sind und es durchaus möglich ist, dass Microsoft Flight durch zusätzlich zu erwerbende Programm-Module (downloadable content) für diejenigen, denen dies wichtig ist, nachträglich in Richtung hardcore Simulation ausgebaut werden kann. Was die geringe grafische Qualität der Aufnahmen in dem genannten Video betrifft, so lassen die sonst von Microsoft veröffentlichten Bilder vermuten, dass das Spiel an sich eine gute Grafik haben wird. Alles andere dürfte auch unwahrscheinlich sein, denn eine schlechte Grafik darf sich inzwischen kaum ein Spiel mehr erlauben.
Zum Vergleich sehen Sie im Folgenden zuerst den Trailer, der die Gemüter so sehr erregt hat. Es sei darauf hingewiesen dass die Kommentare auf Youtube teils nicht jugendfrei sind. Es scheint, als wurde hier unglücklicherweise eher minderwertiges Videomaterial verwendet. Dies läst sich am zweiten (neusten) Video sehen. Hier stellen die Programmierer ihre neue Software vor. Vergleichen Sie selbst:

Das „unschöne“ Video:

Das neueste Video:

 

Es bleibt wohl bis zum Erscheinen des Programmes unklar, wie viel Simulation und wie viel Spielspaß für nicht-hardcore-Simmer darin steckt. Zum Einen lassen einige Szenen des zweiten Videos eine große Detailverliebtheit vermuten, wie beispielsweise die Geräuschaufnahmen am echten Flugzeug oder die Detailtreue der Modellierung des Flugmusters. Hier kommt es wohl auf die Dinge an die man nicht gleich sieht: Wie aufwändig ist die Physik nachempfunden, wie sehr geht die Rekonstruktion der einzelnen Systeme des Flugzeuges in die Tiefe. Maßstäbe setzen hier die Simulatoren der DCS-Reihe, die sich aber an Fans militärischer Simulationen richten und auch nur begrenzte Gebiete der Erde zur Verfügung stellen. Im Gegensatz dazu waren die Microsoft Simulatoren eher darauf ausgelegt, jeden Ort der Welt anfliegen zu können. Dafür gehen die DCS-Simulatoren was das Flugmuster betrifft so sehr ins Detail dass mit handelsüblichen PC-Systemen kaum mehr möglich sein dürfte. Dies „bezahlt“ der User dann aber mit einem gut 700 Seiten starken Handbuch und mehreren Tagen bis Wochen Einarbeitungszeit, bis man zumindest einigermaßen stabil in der Luft bleibt (gerade im Falle des KA-50 Helikopters alles andere als trivial). Vom erfolgreichen Abschließen eines Kampfeinsatzes ist man dann aber immer noch Wochen entfernt. Um das zu meistern, muss man das Handbuch tatsächlich weitgehend gelernt haben und dazu noch einiges an Übungsstunden einrechnen. Die zivilen Simulatoren (MS Flight Simulator und X-Plane, um die populärsten Reihen zu nennen) konnten auch bisher diesen extremen Detailgrad nicht „out of the box“ erreichen – vielmehr waren und sind hier verschiedenste Erweiterungen nötig. Diese sind dann auch üblicherweise kostenpflichtig. Insofern scheinen die negativen Reaktionen der Kommentatoren etwas verfrüht und übertrieben.

Auf der anderen Seite kann man sich auch fragen, ob ein maximaler Detailgrad wirklich generell wünschenswert ist. Dieser setzt nämlich die Einstiegsschwelle für Neulinge und Gelegenheitsspieler so hoch dass sie diese Personengruppen eher abschreckt. Die Hardcore-Simmer werden jetzt sagen „auf diese Leute kann ich verzichten“. Wenn man jedoch bedenkt, dass die Programmierung eines Spiels inzwischen eine recht teure Angelegenheit ist, die große Teams monate- oder gar jahrelang beschäftigt, könnte es dazu kommen dass niemand mehr ernstzunehmende Simulatoren in annehmbarer Zeit nur für eine kleine Zielgruppe entwickeln möchte – denn da dürfte vergleichsweise wenig Geld zu holen sein. Hardcore-Simmer hin oder her – den Preis für ihre Software können die Entwickler dann doch nicht beliebig hoch ansetzen ohne dass die „Community“ sich anschließend eben darüber beschwert. Aus der persönlichen Erfahrung des Autors zeigt sich, dass auch spezialisierte Simulatoren wie die DCS-Reihe nicht wirklich über 50 Euro kosten dürfen da sie sonst nicht mehr angenommen werden. Es ist daher wohl ganz logisch dass Microsoft mit verschiedenen Mitteln versucht, eine breitere Zielgruppe anzusprechen. Dazu gehört sowohl eine sehr ansehnliche Grafik, ein Flugmodell das auch gröbere Schnitzer verzeiht und kurzweilige Aktivitäten, die „Punkte“ einbringen – wie beispielsweise das Fliegen durch Ringe oder um Heißluftballons herum etc. In Microsofts Werbevideo spricht einer der Programmierer davon, dass man mehr den Spaß am Fliegen betonen will als den „Akt des Betreiben eines Fluggerätes“. Es wird sich zeigen, ob Microsoft hier die Balance zwischen Spaß und Detailtreue schafft und mit zusätzlich installierbaren Erweiterungen auch die anspruchsvollen Simulationsfans auf ihre Kosten kommen lässt.

Abschließend sei noch angemerkt, dass die Grundversion von MS Flight kostenlos ist, sich dann aber auf die Icon A5 und das Areal um Hawaii beschränken wird. Die ersten Erweiterungspakete bewegen sich einstelligen bis niedrigen zweistelligen Euro-Bereich (Quelle: Golem.de)

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