28.06.2016 Im Sommer nach Mallorca: Das bedeutet Badeurlaub, vor allem mit Kindern. Doch die eine oder andere Wanderung kann den Aufenthalt entscheidend bereichern. Man sollte nur unbedingt ein paar Anfängerfehler vermeiden. Palma de Mallorca (dpa/tmn) – Seit der Aufstieg begonnen hat, fantasiert Joshua (13) über den Turm. Wie ein zerklüfteter hohler Backenzahn zeichnet sich seine […]

28.06.2016

Im Sommer nach Mallorca: Das bedeutet Badeurlaub, vor allem mit Kindern. Doch die eine oder andere Wanderung kann den Aufenthalt entscheidend bereichern. Man sollte nur unbedingt ein paar Anfängerfehler vermeiden.

Palma de Mallorca (dpa/tmn) – Seit der Aufstieg begonnen hat, fantasiert Joshua (13) über den Turm. Wie ein zerklüfteter hohler Backenzahn zeichnet sich seine Silhouette gegen den Morgenhimmel ab. Es ist der Talaia de Son Jaumell auf dem Gipfel des Berges Es Telégraf im äußersten Osten Mallorcas.

Man könne es noch nicht richtig erkennen, aber im Inneren der Ruine befinde sich eine luxuriöse Bar, behauptet Joshua. Ein Barkeeper, der sich furchtbar freue, endlich mal wieder Gäste zu haben, mixe dort oben die leckersten Cocktails. Gekühlt natürlich, mit Eiswürfeln und Strohhalm. Genau das, was man brauche nach einer zweistündigen Wanderung steil bergauf. Wir werden sehen. Vorerst ist der Turm noch ziemlich weit weg.

Mit Kindern auf Mallorca wandern – in den Sommerferien: Das mag zunächst verrückt erscheinen. Und ja, man kann jede Menge falsch machen. Als wir vor Jahren das erste Mal zu einer Wanderung aufbrachen, unterliefen uns gleich mehrere Fehler auf einmal.

Zum einen gingen wir erst spät am Vormittag los, was sich später böse rächen sollte. Der Hinweg war noch schön, er führte von den Dünen der Cala Mesquida im Nordosten der Insel durch einen Kiefernwald zur Cala Agulla, der Badebucht des Touristenortes Cala Rajada. Als wir den Strand erreichten, waren wir schon ziemlich geschafft.

Dann stellten wir fest, dass wir noch etwas falsch gemacht hatten: Unbegreiflicherweise hatten wir nur so viel Geld mitgenommen, dass wir entweder für alle ein Eis kaufen oder mit dem Taxi zurück zu unserem Ausgangsort fahren konnten. Wir entschieden uns für das Eis und verbrachten zwei sehr entspannte Stunden am Strand. Dann waren nicht nur unsere Geld-, sondern auch unsere Wasservorräte erschöpft. Wir mussten wohl oder übel den Rückweg antreten.

Mittlerweile stand die Sonne im Zenit. In der prallen Mittagshitze schleppten wir uns durch den Wald. Meckernde Ziegen – wie sie auf Mallorca vielerorts frei herumlaufen – schienen uns auszulachen. Der Kleine, damals erst vier, konnte bald nicht mehr und musste getragen werden. Völlig entkräftet waren wir am frühen Nachmittag zurück.

Danach weiß man sowohl ein Kühlgetränk als auch einen Sprung in den Pool ganz anders zu schätzen. Und wir hatten unsere Lektionen gelernt: immer genug Geld mitnehmen. Und entweder früh am Morgen aufbrechen oder erst spätnachmittags. Es sei denn, der Himmel ist bedeckt – was auf Mallorca ja hin und wieder auch mal vorkommen soll.

Für unsere Wanderung auf die Spitze des Es Telégraf haben wir den Wecker auf 6.00 Uhr gestellt. Als die Sonne aufgeht, sind wir schon hoch über der Bucht. Aus dem Tal tönen Hahnenschreie – sonst nichts.

Es ist immer wieder erstaunlich, wie schnell man auf Mallorca den Trubel eines Ferienclubs mit der Einsamkeit der Natur tauschen kann. Oft reichen ein paar Schritte, und schon hört man nur noch die Grillen zirpen. Vor allem im Nordwesten der Insel ist dies überaus reizvoll, denn dort lockt die wilde Bergwelt der Serra de Tramuntana, die zum Welterbe der Unesco gehört. Die meisten Mallorca-Touristen verlassen ihren Ferienort gleichwohl kein einziges Mal.

Auf unserer ganzen Wanderung begegnen uns nur zwei freundliche Engländerinnen und ein einsamer Jogger, der anfangs ein kleiner Punkt in der Ferne ist, aber dann immer größer wird. Joshua fragt, ob ich mich noch an die Horrorstory «Der Pfad» erinnere, und das tue ich. Diese Schauergeschichte von Chris Priestley handelt von einem unheimlichen Wanderer, der immer näherkommt. Sie hat ein sehr übles Ende, und in dieser Wildnis ist der Gedanke daran ein wenig beunruhigend. Als der Jogger uns schließlich einholt, erwidert er unseren Gruß nur sehr kurz – dann hetzt er weiter.

Wasser haben wir diesmal genug dabei – der Nachteil ist natürlich, dass man es schleppen muss. Bis wir den richtigen Weg gefunden hatten, mussten wir anfangs eine halbe Stunde suchen. Vielerorts auf der Insel würde man sich eine bessere Beschilderung wünschen. So haben wir in der Umgebung des Klosters Lluc einmal stundenlang nach einer Steinformation gesucht, die wie ein Kamel aussehen soll – und irgendwann frustriert aufgegeben. Andere Wanderer haben sie gefunden, davon zeugen ihre Fotos im Internet. Vielleicht lag es einfach an uns – aber eine Karte und ein Wanderbuch empfehlen sich in jedem Fall.

Eremitenhaft ragt der Talaia de Son Jaumell vor uns auf dem nackten Bergrücken auf. Es ist immer gut, wenn man auf einer Wanderung ein Ziel vor Augen hat, ganz besonders, wenn man mit Kindern unterwegs ist. Und der Talaia de Son Jaumell ist für uns nicht irgendein Ziel. Viele Jahre haben wir ihn schon vor Augen, denn man kann ihn von den meisten Punkten unserer Ferienanlage aus sehen.

Vormittags vom Pool aus ist er nur ein schwarzer Schatten, weil die Sonne hinter ihm steht. Nachmittags ist er von einem kräftigen Ockergelb. Das Abendlicht überzieht ihn mit einem flammenden Rot. Sogar im Mondschein zeichnet er sich noch gegen den Nachthimmel ab. Immer wieder haben wir über ihn gesprochen, haben wir uns ausgemalt, wie es da oben wohl aussieht und wie es wäre, da hochzuklettern. Der Älteste will das schon seit zwei Jahren – jetzt ist es soweit.

Es ist eher eine Klettertour als eine Wanderung, aber auch das ist von Vorteil: Auf geraden, gut ausgebauten Wegen machen Kinder tendenziell eher schlapp als auf anstrengenden Kraxelpfaden. Und noch etwas empfiehlt sich: Wenn irgend möglich, sollte es ein Weg an der Küste sein, denn es motiviert ungemein, das tiefe Blau des Meeres verheißungsvoll zwischen den Hängen schimmern zu sehen.

Idealerweise führt der Weg zu einer verschwiegenen Bucht, wo man eine Badepause einlegen kann. Davon gibt es auf der Insel ungeheuer viele, und oft ist man dort unter Spaniern. Unsere Lieblingsbucht ist die Cala Na Clara, benannt nach dem kristallklaren Wasser. Man erreicht sie über einen steilen Kletterweg vom Ende des Villenortes Betlem aus. Das Mittelmeer-Setting ist hier absolut perfekt: türkisblaues Meer, ein paar weiße Segeljachten und in der Ferne das blauschwarze Bergpanorama des Cap Formentor.

Die spektakulärste aller Buchten ist allerdings die Cala de sa Calobra. Sie liegt am Ende eines gewaltigen Canyons, des Torrent de Pareis, den man komplett durchwandern kann, wenn das Flussbett im Sommer ausgetrocknet ist. In der Schlucht liegen haushohe Felsbrocken – sie machen die Tour zu einem spannenden Hindernislauf. Das Gute ist, dass man sich selbst überlegen kann, wie weit man in die Schlucht hineinwandern will. Wir wurden dabei von einem Unwetter überrascht: Ein so tiefes Donnergrollen wie dort unten im Canyon hatten wir noch niemals gehört.

An diesem Morgen ist der Himmel blau. Nach zwei Stunden kommt der große Moment: Vor uns steht der Talaia de Son Jaumell, der Turm, den wir all die Jahre nur aus der Ferne gesehen haben. Eine Bar gibt es hier nicht, dafür eine Aussicht: Zur einen Seite schaut man bis zur Nordspitze Mallorcas, zur anderen bis weit ins Landesinnere. Wie eine schief aufgebaute Spielzeugburg kleben die Mauern der historischen Festung von Capdeperra am Berg.

All die Jahre haben wir davon fantasiert, und deshalb ist es nun ein bewegender Augenblick für uns, jetzt unsere Handflächen auf die kalten Mauern zu legen. «Fühlt sich alt an», sagt Joshua. Was wir von unten nie gesehen haben: Der Turm ist gar nicht mehr rund, er bildet kaum mehr einen Halbkreis. Alles andere ist weggebrochen, die Steine liegen ringsherum auf der Erde verstreut.

Wachtürme wie dieser umstehen die ganze mallorquinische Küste. Von unserem Standort aus können wir noch zwei andere sehen. Wenn im 16. Jahrhundert eine Piratenflotte auf See auftauchte, entzündete der Turmwächter ein Signalfeuer. Sobald die Posten in den benachbarten Türmen dies sahen, taten sie das gleiche. So konnte binnen kürzester Zeit die ganze Küste in Alarmbereitschaft versetzt werden.

Lange können wir uns nicht von unserem Turm und dem atemberaubenden Panorama losreißen. Völlige Stille herrscht hier oben. Als wir uns schließlich auf den Abstieg über die schmalen Schleichpfade machen, sind wir wie berauscht. Joshua sagt, dass er als alter Mann nochmal wiederkommen will: um zu schauen, wie viel dann noch von unserem Turm steht.

Christoph Driessen, dpa 

 

Info-Kasten: Wandern mit Kindern auf Mallorca

Reiseziel: Von Mallorca hat fast jeder eine bestimmte Vorstellung im Kopf, selbst wenn er noch nie da war. Der Massentourismus beschränkt sich jedoch im Wesentlichen auf einige Küstenorte. Etwas abseits davon hat die Insel ihren ursprünglichen Charakter bewahrt und bietet eine teils atemberaubende Berg- und Küstenwelt.

Anreise: Von fast allen deutschen Flughäfen aus wird die Inselhauptstadt Palma de Mallorca nonstop angeflogen.

Reisezeit: Ideal sind Frühjahr oder Herbst, aber Wanderungen lassen sich auch im Sommer unternehmen, wenn man früh oder spät genug losgeht. Im Abendlicht sieht sowieso alles am schönsten aus. Man muss gegen Abend nur darauf achten, dass man nicht vom Einbruch der Dunkelheit überrascht wird.

Informationen: Spanisches Fremdenverkehrsamt Frankfurt, Myliusstraße 14, 60323 Frankfurt (Tel.: 0180/300 26 47 für 9 Cent/Minute aus dem Festnetz, E-Mail: frankfurt@tourspain.es).