Nieselregen und Vulkane – Kreuzfahrt-Stopp auf den Aleuten

24.01.2017 Einsamer geht’s kaum: Unalaska, die Hauptinsel der Aleuten, liegt mehr als 1000 Kilometer von der nächsten Großstadt entfernt. Es gibt vor allem Vulkane – und eine russische Kirche. Den öffentlichen Nahverkehr besorgt eine junge Taxifahrerin aus Thailand. Unalaska (dpa/tmn) – Wer einen der entlegensten Orte der Welt besichtigen will, sollte keine Angst vor schlechtem […]
24.01.2017
Einsamer geht’s kaum: Unalaska, die Hauptinsel der Aleuten, liegt mehr als 1000 Kilometer von der nächsten Großstadt entfernt. Es gibt vor allem Vulkane – und eine russische Kirche. Den öffentlichen Nahverkehr besorgt eine junge Taxifahrerin aus Thailand.
Unalaska (dpa/tmn) – Wer einen der entlegensten Orte der Welt besichtigen will, sollte keine Angst vor schlechtem Wetter haben. In Unalaska auf den Aleuten im Nordpazifik, mehr als 1000 Kilometer von der nächsten größeren Ansiedlung Anchorage entfernt, regnet es praktisch jeden Tag. Wenn nicht, ist es nebelig. Oder stürmisch. Oder ein Vulkan bricht aus. Das klingt nicht gerade nach dem nächsten Urlaubsziel.
Das launische Wetter ist allerdings nicht der Grund, um sich auf die lange Reise an den Südrand der Beringsee zu machen. Vielmehr lockt die beeindruckende Natur, deren grünbraune Farben an das schottische Hochland erinnern. Und die Einsamkeit und das Gefühl, weit weg von jeder Form hektischer Zivilisation zu sein.
Die zum US-Bundesstaat Alaska gehörende Inselkette schwingt sich in einem weiten Bogen durch den Nordpazifik fast bis zum russischen Kamtschatka. Von Mai bis September tuckert die staatliche Fähre MV «Tustumena» zwei- bis dreimal im Monat vom Festland zur Endstation Dutch Harbor, dem Hafen von Unalaska. Vier Tage braucht das Schiff für die Fahrt – Anlanden am Zielort nicht garantiert. Sind die Wellen zu hoch, die Winde zu stark, dann klappt es nicht, und der Kapitän dreht wieder um. Auch am Flughafen sind die angeschlagenen Start- und Landezeiten der Linienmaschine von Penair eher theoretischer Natur.
Umso glücklicher kann sich schätzen, wem mit dem Kreuzfahrtschiff «Silver Shadow» auf der Strecke von Vancouver nach Tokio der Zwischenstopp auf Unalaska gelingt. Kurz vor Sonnenaufgang um 7.00 Uhr begrüßt die Gäste sozusagen bestes Wetter: Es nieselt nur ein bisschen. Von den schneebedeckten Bergen weht eine sanfte Brise.
Kaum eine halbe Stunde später bricht sogar die Sonne durch die Wolkendecke und zaubert Regenbögen über Insel, Häuser und Berge. Über allem thront der gewaltige Buckel des 2036 Meter hohen Makushin, einer von mehreren Dutzend aktiven Vulkanen auf den Aleuten. Er brach zuletzt 1995 aus, seitdem ist er weitgehend ruhig und überlässt die Aschewolken seinen Kollegen auf den umliegenden Inseln.
«Ein großartiger Tag», sagt die junge Kassenwärterin im kleinen Aleuten-Museum, das aussieht wie ein Flugzeughangar und über die 9000 Jahre alte Siedlungsgeschichte im Zeitraffer erzählt. Die ersten Einwohner nannten die Insel Agunalaksh. Das bedeutete – in maßloser geographischer Großzügigkeit – «nahe der Halbinsel», womit das Festland gemeint ist. Daraus entwickelte sich der heutige Name Unalaska. Doch genug Geschichte, die Regenpause eignet sich für einen Ausflug über die Insel.
Ein Taxi schleicht in aller Gemütsruhe über die asphaltierte Airport Beach Road. Am Steuer sitzt No, eine junge Thailänderin. Ihre Herkunft wirkt kurios, doch die Geschichte ist einfach: In ihrer Heimat hat sie einen Mann aus Unalaska kennengelernt. Sie heiratete ihn, zog vom warmen Südostasien in den kalten Nordpazifik, ließ sich wieder scheiden – und ist geblieben. «Weil es mir gefällt und ich als Taxifahrerin hier gutes Geld verdiene», sagt No. Außer ihr leben noch drei weitere Thailänderinnen unter den 4700 Einwohnern. Auch eine Vietnamesin hat sich niedergelassen, eine Freundin von No, die an der Ecke Broadway und 5th Street «Vy’s Café» führt, eine Kreuzung aus Coffeeshop und Tante-Emma-Laden.
In der Beringsee liegen einige der reichsten Fischgründe der Welt. Wer Privatfernsehen schaut, kennt Dutch Harbor aus der auf DMAX und Discovery Channel ausgestrahlten US-Serie «Deadliest Catch – Fang des Lebens». Sie erzählt von den tollkühnen Fischern von Unalaska, die jeden Winter ihr Leben riskieren, um Königs- und Schneekrabben zu fangen. Die Ernte dieser Delikatessen ist extrem lukrativ.
Gut leben können von der Fischerei aber auch die anderen Einwohner. Sie arbeiten in den Fischfabriken, führen den Lebensmittelladen oder eine Kneipe. Oder sie stellen als Taxifahrerin wie No den öffentlichen Nahverkehr sicher und fahren die Nachtschicht morgens zurück in die Wohnheime und die Tagschicht in die Fabrik.
Man muss aber nicht fischen. Das Fremdenverkehrsamt von Unalaska empfiehlt auf einer Liste von «Dingen, die man tun kann» als Nummer eins das Blumenpflücken! Das wirkt rührend in dieser rauen Gegend, umgeben von eisigen Meeren und rauchenden Vulkanen. Bäume wachsen zwar nicht außer ein paar Fichten, die die Russen im 18. Jahrhundert pflanzten, als die Aleuten wie ganz Alaska noch zum Zarenreich gehörten. Aber man findet auf den Berghängen in der Tat eine Menge Schwertlilien, Lupinen und Weidenröschen.
Eine weitere Empfehlung der Liste ist die russisch-orthodoxe Kirche von 1825. Per Taxi sind es vom Museum zehn Minuten dorthin. Das Gotteshaus ist ein kleines, weißes Holzgebäude mit zwei grünen Zwiebeltürmen wie aus einem Historienfilm und liegt idyllisch an der Iliuliuk-Bucht. Vom mit hohem Gras bewachsenen Kirchgarten aus kann man einen Seelöwen im Wasser nach Fischen tauchen sehen. Über den Zwiebeltürmen kreisen Weißkopfseeadler.
Nur eine Viertelstunde von der Kirche entfernt befindet sich unterhalb des orthodoxen Friedhofs am Fuß von Mount Newhall eine Stätte zum Gedenken an den Zweiten Weltkrieg. Neben Pearl Harbor ist Unalaska das einzige Staatsgebiet der USA, das von den Japanern bombardiert wurde – am 3. und 4. Juni 1942. Man steht am Gedenkstein an diesem entlegenen Ort, blickt hinaus auf die Bucht und fragt sich, was die Japaner hier bloß wollten? Ein Regenbogen erscheint. Dann fängt es wieder an zu nieseln.
Frank Rumpf, dpa
Info-Kasten: Die Aleuten
Anreise: Ganzjährig mit Penair über Alaska Airlines zum Beispiel ab Anchorage oder im Sommer mit der Fähre MV «Tustumena». Zielort ist jeweils Dutch Harbor, nicht Unalaska. Dutch Harbor wird auch vereinzelt von Kreuzfahrtschiffen angelaufen, etwa von der Reederei Silversea zwei Mal im Jahr auf der Route Alaska-Japan.
Beste Reisezeit: Mai bis September.
Unterkunft: Es gibt genau ein Hotel auf Unalaska, «The Grand Aleutian», 498 Salmon Way, Unalaska, Alaska 99692 (Tel.: +1/866/5813844; www.grandaleutian.com).
Informationen: Unalaska Convention and Visitors Bureau (Tel.: +1/877/5812612, E-Mail: unalaskacvb@gmail.com, www.unalaska.info).