Einkehr bei den Emberá – Kultur und Natur in Panama erleben

04.10.2016 Wer an Panama denkt, hat den berühmten Kanal vor Augen und schwere Containerschiffe. Doch die Natur ist gleich nebenan. Im artenreichen Regenwald heißen Indigene Touristen willkommen. Eine kontrastreiche Reise aus der glitzernden Hauptstadt in den Dschungel. Panama-Stadt (dpa/tmn) – Auf Henry Morgan sind die Einwohner von Panama City nicht gut zu sprechen. Der berühmte […]
04.10.2016
Wer an Panama denkt, hat den berühmten Kanal vor Augen und schwere Containerschiffe. Doch die Natur ist gleich nebenan. Im artenreichen Regenwald heißen Indigene Touristen willkommen. Eine kontrastreiche Reise aus der glitzernden Hauptstadt in den Dschungel.
Panama-Stadt (dpa/tmn) – Auf Henry Morgan sind die Einwohner von Panama City nicht gut zu sprechen. Der berühmte Pirat, dessen Konterfei noch heute so manche Rumflasche ziert, landete 1671 in Panama seinen größten Coup. Mit 1800 Piraten zog er von der Mündung des Chagres-Flusses in der Karibik bis nach Panama-Stadt am Pazifik, um den Spaniern das Gold und Silber abzunehmen, das diese den Völkern Südamerikas gestohlen hatten. Die Konquistadoren transportierten die Schätze oft über die Landenge. Morgan hoffte auf reiche Beute.
Doch der Plan ging nicht auf. Die Spanier hatten Wind bekommen und brachten einen Großteil ihrer Schätze in Sicherheit. Morgans Leute plünderten daraufhin Panama-Stadt, ein Feuer brannte die damals größte und reichste Metropole der Spanier in Amerika nieder. In der Gegenwart beginnt die Reise durch Panama genau hier: in der Stadt. Sie führt über den berühmten Kanal hinein in den Dschungel.
Felix Escobar ist noch heute stolz auf seine Landsleute, die Morgan ausgetrickst haben. «Wir haben den goldenen Altar einfach mit schwarzer Farbe überstrichen, so dass die Piraten den Wert nicht erkannten», berichtet der Guide, als er seine Gäste durch die Iglesia de San José in Panama City führt.
Nach dem Abzug der Piraten trug man die Kirche ab und baute sie 18 Kilometer entfernt auf einer Halbinsel wieder auf – an ihrem heutigen Standort. Rund um die Kirche entstand ab 1673 eine von imposanten Festungsmauern umgebene Stadt mit Klöstern, Rathaus und Präsidentenpalast, die auch Morgan nicht mehr angriff.
Im 18. Jahrhundert jedoch fiel sie erneut einem Brand zum Opfer. Viele Gebäude baute man wieder auf, neue kamen im 19. Jahrhundert hinzu. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verfiel die Bausubstanz zunehmend. Nachdem die Altstadt 1997 zum Unesco-Welterbe ernannt wurde, begannen die Restaurierungsarbeiten.
Immer mehr der altehrwürdigen Gebäude erstrahlen inzwischen in neuem Glanz. Reisende sehen das, wenn sie durch die Gassen der Altstadt schlendern, von der Kirche San José über den Palacio Bolivar bis zur französischen Botschaft. Luxushotels, Bars, schicke Restaurants und Souvenirshops verdrängen die alten Gemäuer. Reiche Leute lassen sich jetzt dort nieder, wo über Jahrzehnte die arme Bevölkerung eine dem Zerfall preisgegebene Bleibe gefunden hatte.
Von der begehbaren Festungsmauer der Altstadt blickt man direkt auf die beeindruckende Skyline der Neustadt. Bankgebäude, Versicherungen und Hotels ragen in den Himmel. Doch Escobar lenkt die Aufmerksamkeit in die entgegengesetzte Richtung. Dort markiert die Amerika-Brücke den Zugang zum Panama-Kanal. Zig Schiffe warten in der Bucht, für die Durchfahrt durch den Kanal zahlen sie bis zu einer Million US-Dollar.
Escobar chauffiert seine Gäste im Minibus nach Miraflores, um den Riesenschiffen bei der Passage durch eine der Schleusen zuzusehen. Von der Zuschauertribüne lässt sich beobachten, wie oft nur Zentimeter zwischen den Schiffswänden und den Betonmauern der Wasserkammer liegen. Mehr als eine Million Schiffe durchfuhren den Kanal seit seiner Öffnung im Jahr 1914. Nach Fertigstellung der neuen Schleusenanlagen am 26. Juni dieses Jahres sind die Containerschiffe noch größer und können statt wie bisher maximal 4400 nun bis zu 13 000 Container über die 80 Kilometer lange Kanalstrecke schippern.
«Etwa 80 Prozent des Wassers im Panama-Kanal stammen vom Rio Chagres», weiß Escobar. Auch der aufgestaute Gatún-See verdankt dem Chagres seine Existenz. Versiegt der Fluss, würde mit ihm die größte Devisenquelle für den Staat versiegen. «Diese Erkenntnis scheint auch in der Politik angekommen zu sein».
Bei der Konzipierung der neuen Schleusenanlagen setzte man auf die mehrmalige Wiederverwendung des Flusswassers durch Speicheranlagen. Zugleich verpflichtete man die Kanalgesellschaft, für jeden Hektar abgeholzten Waldes zwei Hektar neu zu bepflanzen. «Einen echten Eindruck vom Kanal kann man nur auf dem Wasser erhalten», meint Escobar. Mit einem der vielen Touristenboote geht es von Gamboa aus auf die hochfrequentierte Wasserstraße bis zum Gatún-See.
Man ist hin- und hergerissen. Einerseits passen die Containerschiffe mit ihren Schiffsdieselrußwolken so gar nicht zu dem Bild von urwüchsigem Regenwald. Andererseits scheinen die Brüllaffen, Schildkröten, Spitzkrokodile, Leguane und Kapuzineraffen den vorbeiziehenden Stahlkolossen keine Beachtung beizumessen.
Auf kleinen Inseln und an den Kanalufern wimmelt es von Vögeln, die kaum Anstoß an dem Verkehr auf dem Wasser nehmen. Schmetterlinge und Libellen tragen einen Wettbewerb um die schönsten Farben aus. Junge Krokodile spielen dort, wo eine lange Pipeline Schlamm und Steine ausspeit, die ein Saugbagger aus der Fahrrinne des Kanals fördert. Es ist erstaunlich, wie sich die Tierwelt an die dramatische Veränderung der Umwelt durch die Menschen angepasst hat. Offen bleibt allerdings die Frage, wie vielen Arten dies nicht gelang.
Auf der östlichen Seite des Kanals schützen die Nationalparks Soberania, Chagres und Camino de Cruces die Tier- und Pflanzenwelt. Sicher spielte beim Naturschutz auch wirtschaftliches Kalkül eine Rolle, denn ohne Regenwald gäbe es weniger Niederschläge, was dem Kanal nicht bekommen würde. Gleichzeitig besann man sich auf die Erhaltung eines reichhaltigen Ökosystems. Inzwischen stehen 29 Prozent von Panamas Staatsgebiet unter Naturschutz.
Wissenschaftler zählten allein 954 Vogel-, 220 Säugetier- und 354 Reptilien- und Amphibienarten. In der Pflanzenwelt Panamas gedeihen 1200 Orchideen- und 687 Farnarten. Dass Umweltschutz ernstgenommen wird, wirkt sich positiv auf den Tourismus aus: Allein 2015 stiegen die Besucherzahlen Panamas um 22 Prozent auf 2,13 Millionen.
So ist der Soberania-Nationalpark für Vogelbeobachter zu einem begehrten Ausflugsziel avanciert. Und im Unterschied zu den rund zwei Milliarden US-Dollar, die Panama jährlich mit den Kanaldurchquerungen einnimmt, landet ein Teil der Tourismuseinnahmen direkt bei den einfachen Leuten.
Das kommt auch den Emberá zugute. Die Indigenen mussten ihren Lebensstil umstellen, nachdem man ihre Wahlheimat zu einem Teil des Chagres-Nationalparks erklärte. Jagd und großflächiger Ackerbau wurden ihnen untersagt. Jetzt sind ausländische Touristen ihre hauptsächliche Einnahmequelle.
Fabio ist einer der Guides, die lediglich mit einem Lendenschurz bekleidet Touristen in einem schweren Einbaum-Kanu zur Siedlung der Emberá im Nationalpark rudern. Manchmal arbeitet er auch in der City. «Hier draußen in der Natur fühle ich mich aber deutlich wohler», sagt er. Geschickt navigiert Fabio das Kanu an Sandbänken vorbei und deutet immer wieder auf Vögel in den Baumkronen.
In der Siedlung wartet schon ein Empfangskomitee. Frauen mit bunten Röcken und Perlenketten begrüßen die Gäste mit Gesang und geleiten sie zu den aus Holzstämmen gefertigten und mit Blattwerk bedeckten Pfahlhütten. Auch die Touristen werden irgendwann in die Folklore eingebunden. Schnell entspannt sich die Stimmung.
Einige der jungen Emberá überraschen mit ihren Englischkenntnissen, erzählen über ihren Alltag. Manche leben vorübergehend in der Stadt, andere ziehen das Leben in der Siedlung vor. Mit den Einkünften aus dem Tourismus gelingt es ihnen, ein auskömmliches Leben zu führen. Solaranlagen sorgen im Regenwald für Annehmlichkeiten, auf die auch die Emberá nicht verzichten möchten: Licht, Kochplatten, Fernsehen.
Doch trotz dieser Errungenschaften haben sich die Emberá einen großen Teil ihrer Traditionen erhalten. Sie flechten aus Palmenblättern Körbe und Schalen, fertigen Schnitzereien aus Cocobolo-Holz an und fangen mit Speeren Tilapia-Fische, die sie ihren Gästen frisch gegart mit Kochbananen in Palmenblättern servieren. Sie wissen um die Bedeutung des Gleichgewichts zwischen Natur und Mensch. Sie nehmen nur, was sie wirklich benötigen und leben als Familien eng zusammen.
Im Jahr 1513 führten die Vorfahren der Emberá den Entdecker Vasco Núñez de Balboa und seine Mannschaft als ersten Europäer über den Isthmus von Panama, die schmale Landenge, die Karibik und Pazifik teilt. Doch diese kriegerischen Zeiten sind vorbei. Heute können die Indigenen einen wertvollen Beitrag für einen nachhaltigen Tourismus in Panama leisten – wenn man sie denn einbezieht.
Michael Juhran, dpa
Info-Kasten: Panama
Reiseziel: Panama liegt in Mittelamerika zwischen Costa Rica und Kolumbien. Das Land ist etwas größer als Bayern und hat rund 3,3 Millionen Einwohner. An der karibischen Küste gibt es wunderbare Strände, die besonders in der Trockenzeit von Januar bis März und von Juli bis September Touristen anziehen.
Reisezeit: Das Klima ist tropisch, die Temperaturen ändern sich über das gesamte Jahr nur unwesentlich. Im Tiefland liegen sie je nach Ort im Schnitt zwischen 20 und 32 Grad Celsius, im Hochland zwischen 10 und 20 Grad.
Anreise: Seit März bietet Lufthansa ganzjährig fünfmal pro Woche eine Nonstop-Verbindung von Frankfurt nach Panama an. Daneben gibt es Umsteigeverbindungen mit anderen Airlines.
Einreise: Deutsche Reisende brauchen für einen Aufenthalt von bis zu 180 Tagen kein Visum. Es genügt ein gültiger Reisepass.
Geld: Panama hat den US-Dollar als Landeswährung übernommen. Hotels und Geschäfte akzeptieren die gängigen Kreditkarten.
Übernachtung: In Panama-Stadt gibt es ein breites Angebot an guten Hotels: drei Sterne ab etwa 100 Euro, vier Sterne ab rund 150 Euro pro Nacht. Mehr Atmosphäre bieten die Hotels und Lodges im Regenwald zu vergleichbaren Preisen.
Essen: Zu den beliebtesten Gerichten gehört das Hühnchen, das meist mit Reis auf den Tisch kommt. An der Küste und auf den Inseln sind frischer Fisch und Meeresfrüchte verbreitet, meist als Ceviche – roher Fisch, der in Limettensaft mariniert wird. Zwischendurch helfen Maismehlpasteten (Tamales) mit Füllung gegen den kleinen Hunger.
Informationen: Botschaft der Republik Panama, Wichmannstr. 6, 10787 Berlin (Tel.: 030/22 60 58 11, www.botschaft-panama.de).
Internet: www.visitpanama.com