Tokio/Toulouse Jahrzehntelang galt für Japans Fluglinien ein ungeschriebenes Gesetz: Flugzeuge kauft man bei Boeing. Nun wackelt die Vormachtstellung der Amerikaner bedenklich. Jubel bei Airbus, Enttäuschung bei Boeing: Der europäische Flugzeugbauer hat mit seinem Langstreckenjet A350 den japanischen Markt geknackt. Dieser ist eigentlich fest in amerikanischer Hand. Doch nun wagt mit Japan Airlines (JAL) ein Boeing-Stammkunde […]

Tokio/Toulouse

Jahrzehntelang galt für Japans Fluglinien ein ungeschriebenes Gesetz: Flugzeuge kauft man bei Boeing. Nun wackelt die Vormachtstellung der Amerikaner bedenklich.

Jubel bei Airbus, Enttäuschung bei Boeing: Der europäische Flugzeugbauer hat mit seinem Langstreckenjet A350 den japanischen Markt geknackt. Dieser ist eigentlich fest in amerikanischer Hand. Doch nun wagt mit Japan Airlines (JAL) ein Boeing-Stammkunde seine erste Bestellung bei den Europäern. Den Europäern öffnet sich damit ein lukrativer Absatzmarkt. Besonders ärgerlich für Boeing: Die Niederlage hat sich der Airbus-Rivale nach dem Ärger um den Passagierjet «Dreamliner» wohl selbst zuzuschreiben.

Abgesehen von kleinen Regionaljets, die die beiden großen Flugzeugbauer ohnehin nicht im Angebot haben, beschränkten sich die großen Gesellschaften JAL und All Nippon Airways (ANA) fast durchweg auf Maschinen des US-Herstellers. Ende vergangenen Jahres standen bei Japans Fluglinien 409 Boeing gerade einmal 43 Airbus gegenüber. «Das lag mehr an der Politik als an der wirtschaftlichen Kalkulation der Airlines», sagt Luftfahrtexperte Shukor Yusof von der Ratingagentur Standard & Poor’s.

Zumindest waren japanische Unternehmen stark an der Entwicklung von Boeings Langstreckenjet 787 «Dreamliner» beteiligt. Konzerne wie Mitsubishi Heavy Industries und Kawasaki Heavy Industries steuerten rund ein Drittel zur Konstruktion des Fliegers bei. Deswegen bestand nach Meinung von Analysten bislang auch ein großes staatliches Interesse daran, dass die heimischen Fluglinien Boeing die Stange halten – zum Wohle aller sozusagen. Und tatsächlich gehörten die Fluglinien JAL und ANA auch zu den ersten Abnehmern der 787, als diese 2011 mit drei Jahren Verspätung endlich ausgeliefert wurde.

Die brandgefährlichen Zwischenfälle mit dem «Dreamliner» und das dreimonatige Flugverbot Anfang 2013 traf dann auch keine Gesellschaft so sehr wie die Japaner. Fast die Hälfte der 50 damals ausgelieferten Maschinen des Typs waren bei den beiden Gesellschaften im Einsatz. Ironie der Geschichte: Auch die umstrittenen Lithium-Ionen-Akkus stammten von einem japanischen Unternehmen.

Haben die Probleme des Hightech-Fliegers die Japaner letztlich zu Airbus getrieben? JAL-Präsident Yoshiharu Ueki dementiert zwar: «Die Bestellung bei Airbus hängt nicht mit den Problemen der Boeing 787 zusammen.» Dennoch kauft die Gesellschaft groß bei den Europäern ein. Zusätzlich zu den 31 fest bestellten A350 hat sich JAL Kaufoptionen für weitere 25 Airbus-Jets des Typs gesichert. «Es ist ein schwerer Schlag für Boeing und die 787», sagt S&P-Analyst Yusof. Experte Will Horton vom Luftfahrtzentrum Capa in Hongkong sieht die Tür zu weiteren Bestellungen aus Japan geöffnet.

Auch JAL-Konkurrent ANA will weitere Langstreckenjets kaufen. Experte Yusof hält es nun für denkbar, dass sich der Lufthansa-Partner für die A350 und zusätzlich für die doppelstöckige A380 entscheidet. Auch die Kranichlinie hat nach der A380 die A350 bestellt.

Airbus hat für diesen Typ nun über 750 Bestellungen hereingeholt. Das erste Exemplar soll die arabische Qatar Airways in rund einem Jahr in Empfang nehmen. Airbus hat dabei aus den Fehlern von Boeing gelernt: Die A350 wird mit klassischen Nickel-Cadmium-Akkus ausgeliefert. Die Risiken der Lithium-Ionen-Technik will sich Airbus vorerst nicht aufhalsen.

Quelle: dpa-AFX, Steffen Weyer