Schwerter zu Pflugscharen: Aus einer Avro Lancaster wird ein Passagierflugzeug
Unser Weihnachtstrio der „Schwerter zu Pflugscharen“-Projekte der Luftfahrtgeschichte findet heute mit der Avro Lancastrian seinen krönenden Abschluss. Sie war eine Völker verbindende Weiterentwicklung des Tod und Verderben bringenden Lancaster-Bombers.
Im Jahr 1942 begann die kanadische Victory Aircraft Ltd. erstmals einen in Lizenz produzierten A.V. Roe (Avro) Lancaster-Bomber zu einem Transportflugzeug umzurüsten. Das in Toronto beheimatete Unternehmen ersetzte die gläserne Bugkanzel des Navigators durch eine stromlinienförmige Verkleidung, baute den mittig auf der Kabine angeordneten MG-Drehturm aus und installierte an Stelle des Gefechtsstands des Heckschützen einen aerodynamisch geformten Heckkonus.
Neue Kabinenfenster ergänzten das Umrüstpaket des CF-CMS registrierten Flugzeugs, das ab März 1943 im kanadischen Dorval bei Montreal stationiert war. Die so umgebaute Lancaster wurde von Trans Canada Airlines (TCA) während des Zweiten Weltkriegs zunächst als Post- und Frachtmaschine auf dem „Canadian Government Trans-Atlantic Air Service“ zwischen Kanada und Großbritannien genutzt.
Kuriere des Nordatlantiks
Dabei überzeugte ihre Fähigkeit, selbst schwere Lasten über große Distanzen zu transportieren. TCA erkannte schnell das Potential der derart „zivilisierten“ Lancaster für die Passagierbeförderung und weitete ihre Flotte bis August 1944 auf fünf Maschinen dieses Typs aus, die auf drei wöchentlichen Flügen den Nordatlantik in beiden Richtungen überquerten.
Die kanadischen Passagier-Lancaster waren für damalige Verhältnisse sehr bequem ausgestattet. Zehn Passagiere fanden in der gut lärmgedämmten Kabine Platz, die mit dem modernsten Heizsystem seiner Zeit temperiert wurde. Jeder Fluggast verfügte über eine persönliche Leselampe, einen Rufknopf für die Kabinenbesatzung, eine Frischluftdüse sowie – damals war das Rauchen an Bord eine Selbstverständlichkeit – einen Aschenbecher an seinem Platz.
In einer modern ausgestatteten Bordküche konnten warme Gerichte zubereitet werden. Ein zeitgenössischer Bericht hebt das farbenfrohe Design der Kabine hervor, das sicherlich auch über deren Enge hinwegtäuschen sollte. Die Decke und oberen Seitenwände waren in einem gelben Farbton gehalten, die unteren Seitenwände rostrot, der Teppich Mahagoni-Farben und die Sitze hellgrün.
Serienbau in Großbritannien
Das kanadische Konzept einer „Schwerter zu Pflugscharen“-Umrüstung des Lancaster-Bombers überzeugte auch die britische A.V. Roe als Entwicklerin und ursprüngliche Produzentin dieses Musters, die nun ihrerseits begann Passagierflugzeuge für die British Overseas Airways Corporation (BOAC) umbaute.
Diese 20 Exemplare des nun erstmals Avro 691 Lancastrian genannten, auf der Lancaster-Endmontagelinie produzierten Musters kamen überwiegend zu asiatischen Zielen der britischen Langstrecken-Airline, wie Singapur, zum Einsatz.
Rückgrat der Berliner Luftbrücke
British South American Airways Corporation (BSAA) war ein weiterer Kunde für fabrikneue Maschinen. Die erste von 18 Lancastrian 3 wurde im Dezember 1945 an BSAA ausgeliefert und kam mit großem Erfolg auf deren weit verzweigten Streckennetz zwischen Großbritannien und Lateinamerika zum Einsatz.
Lancastrian flogen auch bei vielen andern britischen Fluglinien. Aber auch in Italien und Argentinien. Bei der Berliner Luftbrücke kam ihnen eine besondere Bedeutung zu, denn eine große Menge der in der heutigen Hauptstadt benötigten Treibstoffe, Kohle und Lebensmittel kamen per Lancastrian in die von Russland abgeriegelten Westsektoren der Stadt. Die Maschinen wurden sowohl von der britischen Luftwaffe, als auch von zahlreichen britischen Fluggesellschaften auf den Versorgungsflügen der Luftbrücke eingesetzt.