Grün soweit das Auge reicht, Wasser im Überfluss, stolze Dörfer: So sieht es im Baztan-Tal im Norden Spaniens aus. Besucher können außerdem Mythen und alten Hexengeschichten nachspüren. Elizondo (dpa/tmn) – Der Pfad zur Hölle ist von Farnen, Fingerhüten, Brennnesseln und Brombeeren gesäumt. Es geht über Steine und Wurzelwerk, Eichen stehen Spalier. Entwurzelte Baumstämme sind von Moos überzogen. […]

Grün soweit das Auge reicht, Wasser im Überfluss, stolze Dörfer: So sieht es im Baztan-Tal im Norden Spaniens aus. Besucher können außerdem Mythen und alten Hexengeschichten nachspüren.

Der Pfad zur Hölle ist von Farnen, Fingerhüten, Brennnesseln und Brombeeren gesäumt. Es geht über Steine und Wurzelwerk, Eichen stehen Spalier. Entwurzelte Baumstämme sind von Moos überzogen. Ein Kuckuck ruft. Dann schwillt das Rauschen an. Wasser stürzt Kaskaden hinab, mitten im Wald.

Die Infernuko errota, die «Höllenmühle», wird hier vom wilden «Höllenbach» gespeist. Die längst verlassene Mühle hat eine ganz besondere Geschichte: Während des Spanischen Bürgerkriegs (1936-1939) und danach sicherte dieser Platz das Überleben vieler Familien. Hier ließ sich heimlich Mais mahlen, ohne die staatlichen Zwangsabgaben. Nur die Leute aus der Gegend wussten von der Existenz der Mühle.

Auf dunklen Pfaden durch die Nacht

«Meine Urgroßmutter Eusebi kam oft her, immer nur nachts, mit einem Esel als Lasttier und einer Öllampe», erinnert sich Isabel Gallego Jaunsaras, 43. Der Weg durchs Gebirge war lang, gut 20 Kilometer die einfache Strecke ab dem Dorf Gartzain. Stets bestand die Gefahr, von der Militärpolizei entdeckt oder von Banditen ausgeraubt zu werden.

Der Verlauf der Geschichte wollte, dass die Urgroßenkelin ihren Arbeitsplatz in einer restaurierten Mühle im Ort Amaiur gefunden hat. Dort bewirtet sie an Wochenenden zusammen mit ihrem Mann Felipe Oyarzabal die Gäste mit den Maismehlfladen Talos, gefüllt mit Käse und Txistorra, Schweinswurst mit Paprikagewürz.

Oyarzabal führt Besucher herum und demonstriert, wie nach alter Sitte Mehl gemahlen wird. Hunderte Hektar Maisparzellen seien aus dem Baztan-Tal verschwunden, abgelöst durch Weidegründe für Rinder und Pferde. «Die Fleischproduktion ist lukrativer», sagt Oyarzabal. Das Rohmaterial für das Öko-Mehl komme nunmehr aus Italien. Der Mais aus anderen Teilen Navarras gilt als nahezu komplett genmanipuliert.

Ein hübscher Flecken Grün in Spaniens Norden

Das Baztan-Tal in den Vorpyrenäen ist ein Mikrokosmos: 15 Ortschaften und 8000 Einwohner, keine Industrie, gelegen im Nordteil Navarras und somit im historischen Siedlungsgebiet der Basken, weshalb Baskisch bis heute verbreiteter ist als Spanisch. Scherenschnittartig werfen sich rundherum Gipfel wie der Auza und der Gorramendi auf.

Namensgeber des Tals ist das Flüsschen Baztan, das im größten Ort Elizondo über ein Wehr donnert. Dort genießt Schafskäsemacher Ramon Agirre Altzelai, 60, von seinem Arbeitsplatz einen der besten Ausblicke. «Aber nicht immer», räumt er ein. Das Klima steht unter dem Einfluss des Atlantiks, nicht selten trüben Wolkenvorhänge und Regen das Panorama.

José Mari Celayeta, 47, scherzt: «Wir haben fast Fischschuppen.» In seinem Landhotel «Señorío de Ursua» spiele er «den Alleinunterhalter». Der Chef kocht abends selber für die Gäste. Sein Steak vom lokalen Rind ist gastronomische Spitze.

Wanderung durch die Dörfer

Die touristische Infrastruktur im Baztan-Tal besteht vor allem aus rustikalen Landhäusern, den Casas Rurales, mitten in der Natur. Da bricht man gleich vor der Haustür zu Entdeckungen auf.

Gäbe es einen Wettstreit um die schönste Dorfansicht, würde Ziga einen Spitzenplatz einnehmen. Überragt vom Turm der Renaissancekirche San Lorenzo stehen pittoreske, wappengeschmückte Häuser mit Blumentopfdekors beisammen. Manche Paläste im Baztan-Tal stammen von sogenannten Indianos: Emigranten, die es in Spaniens ehemaligen Kolonien zu Wohlstand brachten – oft auf Kosten der dortigen einheimischen Bevölkerung – und sich nach ihrer Rückkehr in die europäische Heimat Prachtdomizile errichten ließen.

Gelbe Pfeile, aufgepinselt auf Mauern und Pflaster, weisen in Ziga und anderen Dörfern wie Irurita und Berroeta Jakobspilgern den Weg. Durch das Baztan-Tal führt eine Variante des Jakobswegs vom französischen Bayonne nach Pamplona, der Hauptstadt Navarras.

Glaube und Aberglaube

Unabhängig vom Pilgerpfad ist der Glaube in Arizkun fest verankert. «Wir sind 14 Schwestern», sagt Äbtissin Nieves über die Klarissinnengemeinschaft mitten im Ort. Allmorgendlich um halb neun feiern die Ordensdamen ihre Messe in der Klosterkirche, wo das golden glänzende Barockretabel die Blicke auf sich zieht. Der Tagesablauf ist fest geregelt und mag monoton wirken. «Wir beten», resümiert die Äbtissin, die in der Gemeinschaft der 40- bis 80-Jährigen zu den Jüngeren zählt. Fremden begegnet sie offen und herzlich.

In den Dörfern im Baztan-Tal ist gleichzeitig Platz für Aberglaube. Hängt eine getrocknete Silberdistel an der Tür, bedeutet das: Hexenabwehr! Will über Nacht eine böse Hexe ins Haus, muss sie jeden Stachel einzeln rausziehen, was ihr ein Dorn im Auge ist. So verstreichen die Stunden. Hat sie es bis zum letzten Stachel geschafft, setzt die Dämmerung ein. Dann muss die Alte verschwinden, die zeitraubende Arbeit war umsonst, weiß der Volksmund.

Hexen und Höhlen

In Xareta, dem nördlichen Nachbartal an der Grenze zu Frankreich, bieten die Hexenhöhlen und das Hexenmuseum in Zugarramurdi eine kritische Perspektive auf das, was oft folkloristisch verklärt wird. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts, beflügelt vom Wahn der Inquisition, grassierte der Hexenwahn. Unschuldige Frauen wurden angeklagt, mit dem Teufel im Bunde zu stehen, und landeten auf dem Scheiterhaufen, nur weil sie Kenntnisse in Heil- und Pflanzenkunde besaßen.

Damals wurde auf Festen im Dorf gesungen, getanzt, getrunken und der Ziegenbock als Beschützer der Herden und Inbegriff der Fruchtbarkeit verehrt. Das Tier sei in der baskischen Kultur positiv behaftet gewesen, sagt Höhlen- und Museumsführerin Ainara Abete. Doch dann deuteten die Kirchenmänner die Ziege als Symbol des Teufels um. Alle, die damit zu tun hatten, standen plötzlich unter Generalverdacht.

Ein Höhlenstreifzug längs des Teufelsbachs zu einem Felsblock, den die Inquisition zum «Altar der schwarzen Messen« erhob, gibt Zeit für eigene Gedanken. Historisch unbelastet hingegen ist die nahe Tropfsteinhöhle von Urdazubi-Urdax. Dorthin sollen sich lediglich Lamias zurückgezogen haben, nixenartige Fabelwesen.

«Lamias hatten den Körper von Frauen und Entenfüße. Sie saßen oft an Flussufern und fuhren mit goldenen Kämmen durch ihre Haare», erzählt Naturguide Arkaitz Muratori, 41, auf dem Weg vom Dorf Erratzu zum Wasserfall Xorroxin. Zu den Überlieferungen passt die magische Aura des Grüns. Die Wanderstrecke zieht sich durch einen dichten Wald aus Maronen, Eichen und Buchen. Hier regiert der Legende nach der Basajaun, der massige, behaarte Herr des Waldes.

Ein kleines Tal für große Geschichten

Die Verzahnung aus Mythologie und Krimistoff haben der Schriftstellerin Dolores Redondo, 50, zum Durchbruch verholfen und das Baztan-Tal bekannt gemacht. Ihre Baztan-Trilogie sei mittlerweile in 42 Ländern erschienen, berichtet die Trägerin des höchstdotierten spanischsprachigen Literaturpreises Planeta.

Im Mittelpunkt der Bücher steht eine Polizeiinspektorin, die mysteriöse Morde aufklären und gleichzeitig gegen die Gespenster der eigenen Vergangenheit ankämpfen muss. Das Baztan-Tal kannte die gebürtige Baskin Redondo zuvor nur oberflächlich. Doch als sie eines Tages auf einem Familienausflug nach Elizondo kam, um Romanschauplätze zu suchen, war ihr gleich klar: «Das ist es, jede Straße erzählte mir eine Geschichte», erzählt sie.

Will man sich in gelebte Traditionen vertiefen, sollte man in einem Dorf zu einem Frontón gehen, einer Halle für das Schlagballspiel Pelota. Dort knüppeln sich Jungs oder Männer Gummibälle über eine Stirn- und Seitenwand entgegen, manchmal nur mit der blanken Hand. Hört sich schmerzhaft an – und ist es auch. Doch keinem Spieler käme es in den Sinn, die Miene zu verziehen.

Info-Kasten: Baztan-Tal

Anreise: Mit dem Flugzeug nach Pamplona, ab dort im Mietwagen 50 Kilometer nordwärts ins Baztan-Tal. Alternativen sind der Flughafen Bilbao oder die Anreise im eigenen Fahrzeug.

Informationen: Spanisches Fremdenverkehrsamt, Reuterweg 51-53, 60323 Frankfurt am Main (Tel.: 069/72 50 33, E-Mail: frankfurt@tourspain.es, www.spain.info).

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