Flug weg, Koffer weg, Reise futsch? – Das sind ihre Rechte
Annullierte Flüge, Verzögerungen an den Airports: Urlauber blicken teils mit Sorge auf ihre Sommerreise – und nicht bei jedem werden die ersehnten Ferien reibungslos ablaufen. Was gilt dann? Düsseldorf/Berlin (dpa/tmn) – Probleme bei den Airlines und an den Flughäfen – vor allem Personalmangel – sorgen für einen angespannten Reisesommer. Während die Lufthansa schon ein Entschuldigungsschreiben […]
Düsseldorf/Berlin (dpa/tmn) – Probleme bei den Airlines und an den Flughäfen – vor allem Personalmangel – sorgen für einen angespannten Reisesommer. Während die Lufthansa schon ein Entschuldigungsschreiben an die Passagiere geschickt hat, beschwichtigte Tui-Deutschland-Chef Stefan Baumert zuletzt: «Trotz aller Herausforderungen aufgrund von Personalengpässen in der Branche werden die Ferien für die überwiegende Mehrheit reibungslos verlaufen.»
Nur: Was ist, wenn man nicht zu dieser Mehrheit gehört? Wenn der Urlaubsflug annulliert wurde oder der Koffer nicht ankommt? Wir haben wichtige Tipps zu bestimmten Szenarien zusammengefasst:
Fall 1: Der Flug wurde annulliert
In solch einem Fall haben Reisende die Wahl: vollständige Erstattung des Ticketpreises oder Umbuchung durch die Airline.
Gerade wer individuell reist und etwa ein Ferienhaus gebucht hat, wird wohl auf Letzteres pochen – schließlich droht man sonst, auf den Kosten für die vor Ort selbst gebuchten Leistungen sitzen zu bleiben.
Laut Stiftung Warentest steht einem die Ersatzbeförderung zu. Biete die Airline keinen zeitnahen Ersatzflug an und weigere sich, einen Ersatzflug bei der Konkurrenz zu buchen, könne man diesen auf eigene Faust buchen und das Geld nach dem Urlaub einfordern, schreibt die Stiftung. War der Ersatzflug teurer als der stornierte Flug, sei aber mit Widerstand seitens der Airline zu rechnen.
Deshalb der Rat: Erst die Airline zur Buchung eines zeitnahen Ersatzfluges auffordern, ehe man selbst tätig wird.
Kam die Info über die Annullierung weniger als 14 Tage vor Abflug, steht Reisenden neben der Erstattung oder Ersatzbeförderung womöglich noch eine Entschädigungszahlung zu – je nach Flugstrecke liegt die bei 250 bis 600 Euro.
Ansprüche kann man etwa mit der kostenlosen für iOS und Android verfügbaren Flugärger-App der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen oder dem browserbasierten Selbsthilfe-Tool bei Flugproblemen des Europäischen Verbraucherzentrums Deutschland nachprüfen.
Bei Pauschalreisen ist der Veranstalter im Fall gestrichener Flüge der Ansprechpartner. Ihn sollte man kontaktieren und um eine zeitnahe Ersatzbeförderung bitten, rät die Stiftung Warentest. Ist der neue Flug erheblich später als der ursprüngliche angesetzt, besteht möglicherweise die Option, die Reise zu stornieren.
Aber eigentlich will man ja in den Urlaub. Gut zu wissen in diesem Fall: Kommt man erheblich später an, lässt sich der Reisepreis eventuell mindern.
Fall 2: Der Flug ist stark verspätet
In diesem Fall besteht womöglich ein Anspruch auf Ausgleichszahlungen nach der EU-Fluggastrechteverordnung, den man prüfen sollte. Das gilt übrigens auch bei Pauschalreisen.
Allerdings: Wer von Airline und Veranstalter Geld für den Flugärger erstattet bekommt, muss das verrechnen, so die Stiftung Warentest und erläutert am konkreten Beispiel: Hat man vom Veranstalter nach einer Annullierung 80 Euro Erstattung bekommen und fordert noch 250 Euro von der Airline, müsste diese nur 170 Euro auszahlen.
Die EU-Fluggastrechteverordnung ist für alle Flüge anwendbar, die innerhalb der Europäischen Union starten. Für Flüge, die in der EU landen, gilt sie nur dann, wenn die Airline ihren Sitz in einem der EU-Mitgliedsstaaten hat.
Fall 3: Es gibt Verzögerungen am Airport
Rechtzeitig am Airport zu sein, ist zu den Stoßzeiten in den Sommerferien unbedingt ratsam und mit Blick auf mögliche Ansprüche bei Problemen auch zwingend – in der Regel empfehlen Airlines 2,5 bis 3 Stunden Vorlauf.
Doch was ist, wenn es an Check-in und Sicherheitskontrolle dennoch so lange dauert, dass der Flieger am Ende ohne den Reisenden abhebt?
Wer am Flughafen in der Warteschlange festhängt und Angst hat, den Flieger zu verpassen, sollte sich zum einen bemerkbar machen und zum anderen die Situation vor Ort dokumentieren. Zum Beispiel: Fotos von den langen Schlangen aufnehmen, Quittungen von Einkäufen am Airport aufheben. «Vielleicht auch mit Mitreisenden vernetzen und eventuell die Kontaktdaten austauschen, um später Zeugen zu haben», schlägt Jan Philipp Stupnanek von der Verbraucherzentrale NRW vor.
Sorgen Probleme beim Einchecken – etwa zu wenig Schalter – für den verpassten Flug, wäre die Airline zuständig. Dann greift laut dem Fluggastrechte-Portal Fairplane die Fluggastrechteverordnung.
Verpasst man einen Flug wegen Verzögerungen an der Sicherheitskontrolle, ist es nicht so leicht, Ansprüche auf Entschädigung geltend zu machen – die Fluggastrechteverordnung etwa nennt diesen Fall nicht. Nach Angaben der Verbraucherzentrale NRW fällt das in den Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei.
Mögliche Ansprüche könnten dann nur gegenüber dem Staat geltend gemacht werden. Dass das unter Umständen Erfolg haben kann, zeigt ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt am Main (Az.: 1 U 220/20). Voraussetzung ist, dass man die Probleme vor Ort dokumentiert hat und belegen kann, dass man rechtzeitig an der Sicherheitskontrolle eingetroffen ist. Nicht «rechtzeitig» waren in einem Fall, den auch das OLG in Frankfurt zu entscheiden hatte, etwa 55 Minuten vor Abflugzeit (Az.: 1 U 139/15).
Falls Pauschalurlauber trotz rechtzeitiger Ankunft am Flughafen hängen bleiben und deshalb den Flieger verpassen oder zu verpassen drohen, sollten sie ihren Veranstalter kontaktieren.
Fall 4: Airlines mauern bei der Erstattung
Längst nicht immer zahlen Fluggesellschaften berechtigte Ausgleichszahlungen anstandslos aus, oder machen es Reisenden einfach, von ihrem Wahlrecht (Rückerstattung oder anderweitige Beförderung) bei einer Annullierung Gebrauch zu machen.
«Theorie und Praxis gehen bei der Einforderung der Rechte manchmal sehr stark auseinander», beobachtet Verbraucherschützer Stupnanek.
Der Rat: Die Schriftwechsel und Telefonate, die man mit der Airline austauscht, sollte man aufheben beziehungsweise dokumentieren. Dies kann helfen, wenn Reisende sich externe Hilfe holen.
Sei es etwa bei einem Anwalt, bei der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP), bei Verbraucherschützern oder bei auf Provisionsbasis oder mit Servicegebühren arbeitenden Portalen wie Fairplane, EUclaim, Flightright oder Airhelp.
Fall 5: Der Koffer ist weg
Der Flieger geht, aber der Koffer bleibt. Wer ohne Gepäck am Urlaubsort landet, sollten schon am Flughafen tätig werden und am Schalter der Airline einen sogenannten PIR ausfüllen, einen Property Irregularity Report.
Außerdem muss das verspätete Gepäck binnen 21 Tagen schriftlich der Airline gemeldet werden. Fehle das PIR-Dokument oder werde die Frist versäumt, muss die Airline unter Umständen nichts erstatten, warnt das Europäische Verbraucherzentrum Deutschland.
Wichtig für Pauschalreisende: Für sie gilt die gleiche Frist, sie müssen den Verlust aber dem Veranstalter melden. Und auch sie benötigen das PIR-Dokument.
Ohne Koffer zu sein, heißt am Urlaubsort in der Regel auch: keine Wechselwäsche. Nach Angaben der Verbraucherschützer dürfen Reisende Ersatz kaufen und sei es auch nur, wenn sie für ein paar Stunden ohne ihr Gepäck auskommen müssen. Jedoch müssen sich die Käufe auf das wirklich Notwendige beschränken. Zahnputzzeug, Unterwäsche, Badehose, Shirts und etwa Pyjamas seien unproblematisch.
Die Kassenbons für die Ersatzkäufe müssen Reisende natürlich aufheben. Außerdem sollten sie den Gepäckaufkleber vom Check-in für solche Fälle unbedingt als Nachweis parat haben.
Die oberste Haftungsgrenze bei Gepäckproblemen liegt laut den Verbraucherschützern aktuell bei knapp 1700 Euro pro Passagier. Zahlen müssen Airlines neben notwendigen Ersatzkäufen die Dinge, die verloren gegangen sind oder beschädigt wurden. Ausgenommen von der Haftung sind aber Wertsachen wie Schmuck, Geld oder Laptops. Sie gehören ins Handgepäck.
dpa/tmn neb yyzz a3 amc