Corona-Krise treibt Flugzeugriesen schneller auf den Schrottplatz
Die Corona-Krise beschleunigt in der Luftfahrt den Umbau der Passagierflotten. Die Epoche der vierstrahligen Interkontinentaljets geht schneller zu Ende, als zum Beispiel die Lufthansa erwartet hat. Fast flugbereit halten, einmotten oder gleich verschrotten – vor diesen Alternativen stehen derzeit die Fluggesellschaften, wenn sie über die Zukunft ihrer Jets nachdenken. In der anhaltenden Corona-Pandemie kommt die […]
Fast flugbereit halten, einmotten oder gleich verschrotten – vor diesen Alternativen stehen derzeit die Fluggesellschaften, wenn sie über die Zukunft ihrer Jets nachdenken. In der anhaltenden Corona-Pandemie kommt die Nachfrage der Passagiere längst nicht so schnell in Schwung wie zunächst erwartet, so dass die Airlines zu schmerzhaften und kostspieligen Einschnitten in ihre Flotten gezwungen sind.
Lufthansa-Vorstandschef Carsten Spohr beispielsweise sieht mittelfristig nur noch die Boeing-Jumbos vom neuesten Typ 747-800 als vierstrahligen Übersee-Jet in der Flotte seines Konzerns. Andere Typen mit vier Triebwerken wie das größte Airbus-Modell A380 mit mehr als 500 Sitzen oder die A340 werden aussortiert, obwohl die einzelnen Flugzeuge den durchschnittlichen Einsatzzeitraum von 25 Jahren noch längst nicht erreicht haben.
Was passiert mit den Jets in den besten Jahren? Einen Markt für gebrauchte Passagierflugzeuge gibt es derzeit nicht, so dass zunächst sämtliches Gerät zwischengelagert werden muss. Ist ein kurzfristiger Wiedereinsatz nicht in Sicht, werden die Flugzeuge in eine Art Tiefschlaf versetzt.
Aus technischer Sicht müssen Flugzeuge eigentlich regelmäßig fliegen, erläutert der Lufthansa-Wartungschef in Frankfurt, Dirk Ranft. Höchstens 30 Tage lang dürfen Passagier-Jets fachgerecht geparkt werden und können dann innerhalb eines Arbeitstages wieder startklar gemacht werden. Einzelne Systeme wie der Geschwindigkeitsmesser werden in der Zwischenzeit ausgebaut und die Reifen alle paar Tage ein Stück weitergerollt, um Standschäden zu vermeiden. Die Triebwerke werden mit Überziehplanen geschützt.
Die Wiederbelebung eines Flugzeugs aus dem «deep storage» dauert Ranft zufolge bis zu vier Wochen mit einem erheblich höheren Kostenaufwand. Hier sind weitere Teilsysteme ausgebaut, Leitwerke und Fahrwerke komplett abgeschmiert. Zwischenzeitlich ausgefallene Wartungsintervalle können die Spanne bis zum Neustart noch verlängern.
Wenn der überhaupt kommt. Nach Schätzungen des US-Abwrackverbandes «Aircraft Fleet Recycling Association» werden in den kommenden 20 Jahren rund 12 000 Passagierjets, also grob die halbe Flotte, für immer auf den Flugzeugfriedhöfen dieser Erde landen. Es sind dieselben Areale, die zunächst als Langzeitparkplätze genutzt werden. An abgelegenen Flugplätzen wie im spanischen Teruel, in erster Linie aber in den Wüsten der USA und Australiens sind gigantische Flugzeuglager unter freiem Himmel entstanden. Ihnen gemeinsam ist ein gleichmäßiges und niederschlagsarmes Klima.
Die Corona-Sonderkonjunktur hat auch Tom Vincent mit seiner Firma Asia Pacific Aircraft Storage im australischen Outback-Ort Alice Springs genutzt. Sobald er neue Abstellplätze anbiete, gebe es dafür auch Flugzeuge, berichtet er in einem ABC-Interview. Vor der Pandemie waren bei APAS ganze 18 Flugzeuge abgestellt, mehr als 100 sollen es bis Jahresende werden. Für die Wartung sucht die Firma laufend neue Mechaniker, denn auch bei einem abgestellten Flugzeug sind Dutzende Checks notwendig und vorgeschrieben.
Die Demontage eines Flugzeugs ist ähnlich wie bei Autos eine heikle Angelegenheit – mit viel mehr Einzelteilen. Gefährliche und giftige Materialien müssen entfernt und entsorgt werden: Unter anderem Treibstoff, Öl, Hydraulikflüssigkeiten oder Batterien. Einzelne Teile wie Türen oder Scheiben können ausgebaut, runderneuert und in anderen Flugzeugen wieder eingesetzt werden. Schließlich werden aus dem verbliebenen Rumpf und den Flügeln sämtliche verwertbaren Metalle geholt wie Kupfer, Magnesium und an allererster Stelle Aluminium.
Dieses Schicksal hat bereits die ersten Airbus A380 im irischen Knock ereilt, obwohl das mit bis zu 800 Sitzen größte Passagierflugzeug der Welt erst seit 2007 im Linienverkehr unterwegs ist. Die Vierstrahler sind Opfer der verbesserten Technik sowie einer veränderten Nachfrage geworden. Leistungsfähigere Turbinen machten Langstreckenflugzeuge mit nur zwei Motoren möglich, deren Einsatz sich auch zu kleineren Flughäfen lohnt. Die Grundidee des A380, an großen Drehkreuzen Passagiere zu sammeln und wieder zu verteilen, konnte in den 10er-Jahren mit den bequemeren Direktflügen nicht mithalten.
Boeing 777 und Airbus A350 reichen mit ihren neuesten Ausbaustufen inzwischen an die Passagier-Kapazitäten der alten Jumbos heran. Mit der neuen 777-X baut Boeing den größten Zweistrahler der Welt mit rund 400 Sitzen. Die General-Electric-Triebwerke haben eine größeren Durchmesser als der Rumpf der klassischen Kurzstreckenmaschine 737.
Von den gut 240 ausgelieferten A380 ist in der Corona-Flaute nur noch ein Bruchteil unterwegs, bei Emirates und China Southern. Die Lufthansa scheut noch, was Konkurrent Air France im Sommer bereits vollzogen hat: Die Riesenvögel endgültig auszumustern. Sechs A380 kann der deutsche Konzern an den Hersteller Airbus zurückgeben, die übrigen acht werden zunächst langfristig eingemottet.
Der frühere Lufthansa-Flotteneinkäufer Nico Buchholz sieht nur für wenige A380-Riesen eine Zukunft in der Luft. Mindestens 100 werden seiner Einschätzung nach wohl nicht mehr abheben, sagte der Experte dem Fachportal «aero.de». Es gebe für die A380 keinen Gebrauchtmarkt und selbst die Ausschlachtung sei begrenzt, weil Ersatzteile und Triebwerke eben speziell für die A380 entwickelt worden waren. Selbst der bei Boeing-Jumbos beliebte Umbau zu Frachtern ist bei der A380 schwierig, weil das Oberdeck für die Beladung nur schwer zugänglich ist.
dpa