Am Golf geht die Post ab – Die Vereinigten Arabischen Emirate boomen
Dubai/Berlin Eine Skihalle mitten in der Wüste, der höchste Turm der Welt: Dubai steht für Superlative. In Superlativen sprechen derzeit auch die Touristiker über die Region. Die Emirate werden immer beliebter – das zeigt sich auch in den Reisekatalogen. Auf kleinstem Raum wird hier der komplette Gigantismus offenbar. Im Rücken: der 828 Meter hohe Burj […]
Dubai/Berlin
Eine Skihalle mitten in der Wüste, der höchste Turm der Welt: Dubai steht für Superlative. In Superlativen sprechen derzeit auch die Touristiker über die Region. Die Emirate werden immer beliebter – das zeigt sich auch in den Reisekatalogen.
Auf kleinstem Raum wird hier der komplette Gigantismus offenbar. Im Rücken: der 828 Meter hohe Burj Khalifa, das höchste Gebäude der Welt. Vor den Augen: das Wasserspielfeuerwerk mit 150 Meter hohen Fontänen – natürlich die weltweit höchsten. Zur Linken: Die Dubai Mall, das – ein kleiner Schönheitsfehler – zweitgrößte Einkaufszentrum der Welt mit integrierter Eisbahn. Für viele mag all das abschreckend sein. Doch offenbar gibt es auch immer mehr Anhänger davon. Der Tourismus in den Vereinigten Arabischen Emiraten und allen voran in Dubai boomt.
«Wir verzeichnen dort seit einigen Jahren Zuwächse», sagt Torsten Schäfer vom Deutschen Reiseverband (DRV). Kontinuierlich steigen die Besucherzahlen – auch aus Deutschland. Kamen im Jahr 2006 noch 252 000 Bundesbürger nach Dubai, waren es laut Tourismusministerium allein in den ersten neun Monaten 2012 schon knapp 230 000. Und die besucherstarken Wintermonate stehen erst noch bevor.
Das merken auch viele Reiseveranstalter. «In Dubai geht momentan richtig die Post ab», sagt Steffen Boehnke, bei Tui für Fernreisen verantwortlich. Für den laufenden Winter liegen die Buchungen bei dem Reiseveranstalter um 58 Prozent über dem Vorjahr. FTI, Marktführer im Orient, spricht von einem Umsatzplus in der Region von 150 Prozent. Für Martina Beeken, Produktleiterin bei Meier’s Weltreisen, gehört die Region derzeit zu den Boomzielen. Die Rewe-Bausteinmarke verzeichnet von Saison zu Saison ein- oder zweistellige Zuwachsraten. Von einem «sehr starken Sommer» spricht Dertour-Kollegin Petra Fraatz.
Doch der Tourismus blickt in der Region auf keine besonders lange Geschichte zurück. Erst Anfang der 1990er Jahre wurde das erste Hotel mit westlichem Standard eröffnet. Lange Zeit lebte die Region hauptsächlich von einem Bodenschatz: Öl. Während die Reserven in Abu Dhabi fast unerschöpflich sind, weiß Dubai um die Endlichkeit und suchte sich mit dem Tourismus ein neues Standbein – mit Erfolg.
Anfangs stand vor allem die Luxushotellerie im Mittelpunkt. «Ein relevantes Zielgebiet ist Dubai erst so richtig seit drei oder vier Jahren», so Boehnke. «Mit der Wirtschaftskrise ist die Region umgeschwenkt», hat FTI-Chef Dietmar Gunz beobachtet. Mittlerweile gibt es auch immer mehr Mittelklassehotels. «Es ist eigentlich für jeden etwas dabei». «Dubai und VAE werden für fast jedermann erschwinglich», formuliert es Martina Beeken.
Doch die Gründe für den Erfolg der vergangenen Jahre sind vielschichtiger: «Es passt einfach alles zusammen», sagt Gunz. «Wir ernten da gerade die Früchte guter Arbeit der vergangenen Jahre.» Eine Rolle spielen die zahlreichen neuen Attraktionen: vom Burj Khalifa über die künstlichen Palmeninseln, bis hin zu einer Skihalle mitten in der Wüste. «Die Besucher reizt die Moderne und die Gigantomie – natürlich auch die langen Strände und das warme Badewasser», ist Schäfer überzeugt. Hinzu kommen eine fast perfekte Schön-Wetter-Garantie – und zahlreiche Hotelneubauten.
In der Öffentlichkeit am bekanntesten sind natürlich Häuser wie «Burj Al Arab», für das bei seiner Eröffnung die Sterne-Skala eigens auf sieben erweitert wurde, oder das «Atlantis» an der Spitze der Palme mit integriertem Aquarium und Freizeitpark. Preise von mehreren tausend Euro pro Nacht sind dort keine Seltenheit. Doch es geht mittlerweile eben auch günstiger. Für den kleinen Geldbeutel das Stadthotel, für den etwas größeren das Hotel in Strandlage. 55 000 Hotelbetten stehen derzeit zur Verfügung. Im kommenden Jahr soll die Zahl in Dubai um knapp 30 Prozent steigen.
Lagen infolge der Wirtschaftskrise viele Baustellen still, beginnen sich die Kräne und Betonmischer nun wieder zu drehen. 130 Hotels in der Region hat derzeit FTI im Programm, 110 Tui. Meier’s Weltreisen bietet 83 Hotels und zwölf Rundreisen an.
Ein weiterer Faktor darf nicht unterschätzt werden: das Flugangebot. Dafür stehen die Golfcarrier wie Emirates oder Etihad. 50 Millionen Passagiere fertigt allein Emirates am Flughafen Dubai pro Jahr ab. Aus fast allen Ecken der Welt steigen Fluggäste am Golf um. Viele sehen außer dem Flughafen nichts – gerade einmal 8 Millionen übernachteten im vergangenen Jahr in dem Emirat am Golf. Doch die Stopover-Touristen sind ein enormes Potenzial für die ganze Region.
Auch mit dem Schiff kommen immer mehr Reisende: 126 600 Passagiere landeten 2011 im Hafen von Dubai, 2012 werden es rund 131 700 sein. Die Deutschen stellen mit rund 30 Prozent die größte Gruppe.
Doch längst beschränkt sich das Interesse der Touristen nicht mehr nur auf Dubai. Bei Tui entfallen 75 Prozent der Buchungen für die VAE zwar nach wie vor auf Emirat der Superlative. Abu Dhabi holt jedoch mit 20 Prozent deutlich auf. Bei den Rewe-Pauschalreiseveranstaltern heißt es sogar, Abu Dhabi trete aus dem Schatten von Dubai heraus.
Auch die Nachbaremirate sowie der Oman und Katar holen auf. Ras al Khaimah will vor allem mit Natur- und Strandurlaub punkten. Fujairah und Sharjah bringen sich ebenfalls als Alternativen zu Dubai in Position. Längst ist dort die Infrastruktur noch nicht so stark ausgebaut wie bei den erfolgreichen Nachbarn. «Wer weniger Rummel mag, ist dort sicher gut aufgehoben, aber sie werden touristisch vorerst eine Nische bleiben», ist Steffen Boehnke von Tui überzeugt. «Jedes der Länder hat sein Alleinstellungsmerkmal», sagt DRV-Sprecher Schäfer. «Das Schlimmste wäre, wenn alle Dubai nacheifern würden.»
Spricht man die Tourismusmanager auf den Oman an, geraten viele ins Schwärmen. «Sehr großes Potenzial» und «aus dem Dornröschenschlaf erwacht», beschreibt Boehnke ihn. «Destination mit großer Zukunft» nennt ihn Gunz. Während in Dubai der Slogan stets lautet «höher, schneller, weiter», geht der Oman beim Aufbau des Tourismus behutsam vor. «Das Land setzt auf Nachhaltigkeit», ist Gunz überzeugt. Kultur, Geschichte, Natur – lauten die Schlagwörter. «Wer in den Oman reist, der macht das nicht als Stopover, sondern als richtigen Urlaub», sagt Boehnke.
Bislang gibt es vor allem Hotels im Landesinneren. Doch auch das wird sich bald ändern. An der Küste entstehen mehrere Baderesorts. Die ersten hat FTI bereits im Katalog stehen. Gänzlich touristisches Neuland ist Katar. Tui hat das Land bislang noch gar nicht im Angebot, prüft aber einen Einstieg. Bislang stehe noch die wenig ausgebaute touristische Infrastruktur im Weg, sagt Boehnke. Für Gunz ist Katar mit seiner Hauptstadt Doha weniger eine Urlaubsdestination, sondern ein Stopoverziel.
Wo wird die Reise in den Emiraten hingehen? «Die Region wird mittelfristig in einer Liga mit Spanien und Ägypten spielen», ist Gunz überzeugt. «Das Potenzial ist noch lange nicht ausgeschöpft», glaubt Boehnke. Angesichts immer neuer Hotels, Museen und sonstiger touristischer Einrichtungen sicherlich keine allzu gewagte Prognose.
Bleibt ein Rätsel: Zwei Drittel der Tui-Urlauber fahren im Winter an den Golf, ein Drittel aber im Sommer – dann herrschen wohlgemerkt Temperaturen von bis zu 50 Grad Celsius. «Die Einheimischen wundern sich immer, warum im Sommer so viele Deutsche kommen», hat Boehnke in Gesprächen erfahren. «Eigentlich kann man dann doch nur im Hotel oder im gekühlten Pool die Zeit verbringen oder in den klimatisierten Einkaufszentren shoppen!»
Quelle: dpa; Michael Zehender