Abseits des Mainstreams – Warum sich Erasmus in Osteuropa lohnt
22.02.2016 Osteuropa? Für viele Studenten ist das ein weißer Fleck auf der Landkarte. Bei Erasmus denken viele an Spanien, Frankreich und Italien. Dabei hat ein Auslandssemester in Osteuropa jede Menge Vorteile. Budapest (dpa/tmn) – Als Lisa McMinn während ihres Masterstudiums bewusst wurde, dass sie noch nie in Osteuropa war, ist die Studentin erschrocken. Ukrainekrise und geschlossene Grenzen – viel […]
22.02.2016
Osteuropa? Für viele Studenten ist das ein weißer Fleck auf der Landkarte. Bei Erasmus denken viele an Spanien, Frankreich und Italien. Dabei hat ein Auslandssemester in Osteuropa jede Menge Vorteile.
Budapest (dpa/tmn) – Als Lisa McMinn während ihres Masterstudiums bewusst wurde, dass sie noch nie in Osteuropa war, ist die Studentin erschrocken. Ukrainekrise und geschlossene Grenzen – viel las die Politikstudentin der Universität Hamburg über diese Region, die ihr so fremd und fern vorkam. Also fasste sie einen Entschluss: Während ihres Erasmus-Semesters wollte sie sich selbst ein Bild machen und ging an die Central European University in Ungarns Hauptstadt Budapest. «Nun betrachte ich die Region aus einem ganz anderen Blickwinkel», sagt die 25-Jährige.
Noch vor ein paar Jahren war es nach Angaben des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) schwierig, Studierende für eine Erasmus-Erfahrung in den neuen EU-Ländern – etwa Polen, Ungarn, Tschechien, Kroatien und Rumänien – zu gewinnen. Denn viele denken bei Erasmus eher an Spanien, Frankreich, Italien oder Skandinavien.
Mittlerweile begeistern sich aber viele Studenten für Osteuropa. Es gibt viele Vorteile: Die Lebenshaltungskosten sind niedrig und Kenntnisse der Landessprache meistens nicht nötig. Oft sind nach Angaben des DAAD die Chancen auf einen Platz wegen geringerer Nachfrage größer. 2015 registrierte der DAAD, dass rund 10 Prozent der Studierenden, die mit Erasmus ins Ausland gingen, Osteuropa wählten.
Eine solche Erfahrung erweitere den Horizont ungemein, glaubt McMinn. «Wenn man aus Westeuropa rauskommt, lernt man viele Dinge, die man vorher nicht wusste», erklärt die Masterstudentin. Dabei hat sie auch Ungarns Schattenseiten kennengelernt: Etwa aggressive Stimmung gegen Ausländer und Immigranten, die dramatischen Zustände am Budapester Bahnhof, als Tausende Flüchtlinge dort Anfang September vergangenen Jahres festsaßen.
Wer denkt, man kann in den osteuropäischen Ländern nur in den Landessprachen studieren, liegt falsch. In Rumänien gibt es nach Angaben der Autorin Hannah Kappes, die 2013 ein Buch zum Thema Studieren in Rumänien schrieb, mehr als 70 deutschsprachige Studiengänge. Budapest hat mit der Andrássy-Universität sogar eine eigene deutschsprachige Hochschule.
Im Alltag reichen einfache Sprachkenntnisse oft aus. «Man sollte immer ein bisschen Landessprache mitbringen», rät Nadine Stäcker, Erasmus-Koordinatorin der Universität Hamburg. «In der Regel wird aber nicht erwartet, dass man die Landessprache kennt», sagt sie. Wichtig sei, dass die Studenten die Arbeitssprache beherrschen. Die ist an den meisten Universitäten Englisch. Lisa McMinn etwa hat an der Central European University auf Englisch studiert.
Um Erasmus-Studierende beim Sprachenerwerb zu unterstützen, werden seit 2015 sowohl Sprachtests als auch -kurse in vielen Sprachen im Rahmen des Programms Sprachförderung Online (OLS) angeboten, erklärt Markus Symmank, Leiter des DAAD-Referats Erasmus-Plus. Verfügbar für Osteuropa sind bereits Polnisch und Tschechisch. Bis 2020 sollen laut DAAD alle EU-Sprachen online unterstützt werden.
Während Rumänisch als einzige romanische Sprache in der Region ähnlich wie Italienisch klingt, sind die slawischen Sprachen schwieriger zu erlernen. Oft bieten Gastuniversitäten auch eigene Sprachkurse an. Informieren sollten sich Studenten bei der Bewerbung.
McMinn hat ein Semester vor Beginn ihres Auslandsaufenthaltes begonnen, Ungarisch zu lernen. Auch in Budapest selbst lernte sie weiter. Auf Ungarisch zu studieren hätte sie jedoch nicht geschafft. «Junge Leute sprechen dort gutes Englisch und ältere Menschen oft Deutsch», sagt sie. Klar sollte allerdings sein, dass es in westeuropäischen Ländern einfacher ist, neben Englisch eine weitere Sprache mitzunehmen. Für McMinn ist das ein Nachteil des Aufenthaltes in Osteuropa.
Vor allem wegen der niedrigen Kosten sind die Universitätsstädte in Osteuropa attraktiv. Lisa McMinn hat in Budapest etwa 500 Euro im Monat ausgegeben. Enthalten war bereits die Miete für ihr möbliertes Zimmer in einer Wohngemeinschaft in Höhe von 200 Euro. Am günstigsten sind Zimmer in Studentenwohnheimen. Die fangen in manchen Städten, wie etwa der slowakischen Hauptstadt Bratislava, schon bei 30 Euro an. WG-Zimmer gibt es bereits ab 200 Euro. In den großen Städten wie Warschau oder Prag sind die Lebenshaltungskosten nach Angaben des DAAD oft höher.
Essen und Feiern gehen sind meistens preiswert. «In Budapest kann man viel erleben und unternehmen, oft auch umsonst oder nur für kleines Geld. Es sind viele junge und internationale Leute unterwegs», beschreibt McMinn die Atmosphäre.
Lisa McMinn hat sich während ihres Erasmus-Semesters viel von Ungarn angeschaut. Die Donau ging es hoch und runter. Viele der osteuropäischen Großstädte werden von Billigairlines angeflogen. Das macht es möglich, die Region günstig zu erkunden.
Larissa Lee Beck, dpa