Was Passagiere über Fluggastrecht-Portale wissen müssen Von Philipp Laage, dpa
Ausfälle, Verspätungen: An den Flughäfen ging zuletzt einiges schief. Urlaubern steht immerhin oft eine Entschädigung zu, jedenfalls theoretisch. Viele Airlines zahlen aber nicht. Deshalb gibt es Fluggastrecht-Helfer – nicht alle arbeiten jedoch seriös. Wiesbaden/Hamburg (dpa/tmn) – Ryanair nennt sie verächtlich «Ausgleichsjäger», sie selbst verstehen sich als Anwälte der Passagiere: Fluggastrecht-Portale. Immer mehr Anbieter drängen in […]
Ausfälle, Verspätungen: An den Flughäfen ging zuletzt einiges schief. Urlaubern steht immerhin oft eine Entschädigung zu, jedenfalls theoretisch. Viele Airlines zahlen aber nicht. Deshalb gibt es Fluggastrecht-Helfer – nicht alle arbeiten jedoch seriös.
Wiesbaden/Hamburg (dpa/tmn) – Ryanair nennt sie verächtlich «Ausgleichsjäger», sie selbst verstehen sich als Anwälte der Passagiere: Fluggastrecht-Portale. Immer mehr Anbieter drängen in den Markt. Für die Airline-Kunden erstreiten sie Entschädigungen, wenn Flüge ausgefallen sind oder sich stark verzögert haben – gegen üppige Provisionen. Für Fluggäste kann sich das trotzdem lohnen.
Warum sind die Portale für Passagiere interessant?
Im vergangenen Sommer herrschte an deutschen Flughäfen häufig Chaos: gestrichene Flüge, massenhafte Verspätungen, Wartezeiten, Frust. «Einen verspätungsfreien Flugbetrieb wird es nie geben», sagt der Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt aus Hamburg. Dafür sei das System zu komplex. «Aber der Sommer war schon heftig.»
Bei vielen Annullierungen und Verspätungen steht den Passagieren eine Entschädigung zu. Lufthansa hat im Sommer 2018 nach eigenen Angaben rund 250 Millionen Euro für Kompensationen an die Passagiere ausgegeben. Doch nicht alle Fluggesellschaften sind so zahlungsfreudig. Viele Airlines wehren berechtigte Entschädigungsansprüche ab. Wer sich abwiegeln lässt, verschenkt Geld. Hier kommen die Portale ins Spiel: Sie setzen die Ansprüche für den Fluggast durch.
Warum steht mir bei Flugstreichungen und Verspätungen Geld zu?
Das schreibt die EU-Fluggastrechteverordnung vor. Bei kurzfristigen Annullierungen und Verspätungen von mehr als drei Stunden steht dem Passagier eine Ausgleichszahlung zu. Je nach Flugdistanz sind das 250 Euro (bis 1500 Kilometer Flugstrecke), 400 Euro (1500 bis 3500 Kilometer) oder 600 Euro (mehr als 3500 Kilometer).
Wichtig: Dies gilt nicht bei außergewöhnlichen Umständen, die jenseits des Einflusses der Fluggesellschaft liegen. Doch was ist ein solcher Umstand? Das ist im Einzelfall oft schwer zu sagen, Gerichte entscheiden darüber, viele Fluggäste haben davon keine Ahnung. «Der einzelne Passagier fühlt sich schwach», sagt Großbongardt. Eine Flughafensperrung zum Beispiel entbindet von der Zahlungspflicht, nicht aber technische Probleme des Flugzeugs. Und: Wenn die Airline Annullierungen und größere Änderungen der Flugzeiten mindestens 14 Tage im Voraus angekündigt hat, ist sie fein raus.
Warum frage ich nicht einfach bei der Airline nach?
Das ist der beste Weg, zu dem auch Verbraucherschützer raten. Doch er funktioniert nicht immer. Es kommt auf die Airline an. Nach den Erfahrungen von Fairplane, einem führenden Fluggastrechte-Portal, tun sich zum Beispiel die Lufthansa und Tuifly durchaus positiv hervor, wie Sprecher Ronald Schmid sagt. Negativ fielen dagegen Easyjet, Iberia, Eurowings, und Sun Express auf – und der bekannte irische Billigflieger: «Ryanair ist am schlimmsten.»
Die Iren erklären oft, dass die Portale nicht nötig seien – sie schmälerten durch ihre Provisionen sogar die Entschädigung der Kunden. Die weisen das als dreiste Schutzbehauptung zurück. «Das ist natürlich Quatsch», sagt Schmid. «Würden Ryanair und Co. die gesetzlichen Erfordernisse erfüllen, dann bräuchte man uns nicht.»
Ähnlich sieht es Großbongardt: «Es gibt Airlines, bei denen man sich nicht des Eindrucks nicht erwehren kann, dass sie es den Kunden bewusst schwermachen, ihre Rechte einzufordern. Ryanair ist ein Beispiel.» Weil Urlauber die Rechtslage meist nicht kennen, nutzen viele Fluggesellschaften ihren Wissensvorsprung – und lassen Anfragen der Kunden im Sande verlaufen. Ohne den Weg über die Portale seien die Rechte der EU-Verordnung in vielen Fällen theoretisch. «Die Portale verleihen der Verordnung den nötigen Nachdruck.»
Wie arbeiten die Portale genau?
Es gibt zwei Modelle. Bei der «Inkasso-Variante» bestreitet das Portal für den Kunden den Rechtsweg und kassiert im Erfolgsfall eine Provision. Die «Sofortentschädiger» kaufen dem Passagier den Anspruch ab und versuchen, ihn dann selbst durchzusetzen. In diesem Fall ist die Provision meist höher als bei der Inkasso-Methode.
Was kostet mich die Dienstleistung?
Bei EUclaim sind es 22,5 Prozent der Entschädigungssumme (mit Mehrwertsteuer 26,76 Prozent). Beispielrechnung des Anbieters: Von 250 Euro Entschädigung erhält der Passagier 183,06 Euro. Flightright behält 20 bis 30 Prozent, plus Steuern. Die genaue Höhe erfährt der Kunde, bevor er den Auftrag abgibt. Fairplane nennt 24 bis 35 Prozent inklusive Steuern. Airhelp behält von 250 Euro Anspruch 63 Euro, was ungefähr 25 Prozent der Entschädigungssumme entspricht. Der Anbieter EUflight entschädigt ausschließlich sofort und rechnet vor: Von 250 Euro bekommt der Kunde 148,88 Euro. Der Abschlag beträgt also satte 42 Prozent. Dafür gibt es das Geld binnen 24 Stunden.
Wie finde ich ein seriöses Portal?
Wie viel Geld die Passagiere verschenken, weil sie berechtigte Ansprüche nicht einfordern, ist offen. Doch der Markt boomt, gerade nach dem Flugchaos im Sommer 2018. Nach Recherchen der Fachzeitschrift «fvw» (Ausgabe 21/2018) sind inzwischen 30 Fluggasthelfer auf dem deutschen Markt aktiv. Doch manche arbeiteten mit «grenzwertigen Methoden», heißt es in dem Bericht. Bemängelt wird etwa, dass die genaue Höhe der Provision zunächst nicht ersichtlich ist. Oder dass von den Airlines bereits bezahlte Entschädigungen nicht sofort an den Passagier überwiesen werden – was kaum ersichtlich sei.
Wie gut arbeiten die Portale?
Wenn sich die Fluggasthelfer eines Streitfalls annehmen, kann der Kunde relativ sicher sein, dass er irgendwann Geld bekommt. «Wir nehmen keine Fälle, die völlig aussichtslos sind», sagt Ronald Schmid von Fairplane. Doch der Anbieter ficht besonders strittige Fälle nach eigenen Angaben auch durch alle Instanzen durch.
Wäre es nicht besser, wenn ich die Portale nicht bräuchte?
Ja. Wenn alle Airlines rechtmäßig zahlen würden, hätte sich das Geschäftsmodell der Fluggasthelfer erledigt. Und der Passagier bekäme die volle Ausgleichszahlung – bei einem Fernflug 600 Euro. Wie es künftig bei den Entschädigungsverfahren zu schnellen und guten Lösungen für die Kunden der Airlines kommen kann, diskutiert mittlerweile auch die Politik. Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) wiederum fordert, das EU-Recht von 2004 zu überarbeiten. Airlines sollen demnach erst ab fünf Stunden Verspätung entschädigen müssen, berichtet die «fvw».
Wie gehe ich vor als Passagier?
Fluggäste sollten sich zuerst direkt an die Fluggesellschaft wenden. Viele Airlines kommen berechtigten Ansprüchen zuverlässig nach. Im nächsten Schritt kann die Schlichtungsstelle söp in Berlin helfen. Das ist kostenlos, das Ergebnis aber nicht bindend. Führt all dies nicht zum Erfolg, bietet sich ein Portal an.