Trotz Protesten vieler Angehöriger lässt Polens Regierung 83 Opfer der Smolensk-Katastrophe exhumieren. Sechs Jahre nach dem Flugzeugabsturz suchen die Nationalkonservativen nach Beweisen für einen Anschlag. Warschau/Krakau (dpa) – Die umstrittene Exhumierung der Smolensk-Opfer hat am Montagabend in Polen begonnen. Der vor sechs Jahren verunglückte Präsident Lech Kaczynski und seine Frau Maria sollten die ersten Toten […]

Trotz Protesten vieler Angehöriger lässt Polens Regierung 83 Opfer der Smolensk-Katastrophe exhumieren. Sechs Jahre nach dem Flugzeugabsturz suchen die Nationalkonservativen nach Beweisen für einen Anschlag.

Warschau/Krakau (dpa) – Die umstrittene Exhumierung der Smolensk-Opfer hat am Montagabend in Polen begonnen. Der vor sechs Jahren verunglückte Präsident Lech Kaczynski und seine Frau Maria sollten die ersten Toten der Flugzeugkatastrophe sein, die im Zuge neuer Ermittlungen aus ihren Gräbern geholt werden. Zu der Exhumierung in der Krakauer Wawel-Burg kam polnischen Medienberichten zufolge auch der Zwillingsbruder des verstorbenen Präsidenten und PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft soll das verstorbene Präsidentenpaar etwa vier Tage lang von einem internationalen Rechtsmediziner-Team untersucht und anschließend wieder bestattet werden. Ergebnisse würden erst nach Monaten vorliegen. Die Präsidentenmaschine war am 10. April 2010 beim Landeanflug im russischen Smolensk abgestürzt, alle Passagiere starben. Damalige Untersuchungen führten das Unglück auf einen Pilotenfehler zurück. Dies zweifelt die seit 2015 regierende PiS-Partei aber an.

Sie wirft ihren Vorgängern Fehler und Vertuschung bei den damaligen Ermittlungen vor und spornt Verschwörungstheorien um einen Anschlag an. Deswegen lassen die Regierenden den Fall neu prüfen und 83 Opfer exhumieren. Mindestens ein Jahr lang würden Experten demnach unter anderem die DNA der Toten analysieren und nach Sprengstoffspuren suchen. Viele Kaczynski-Anhänger glauben, an Bord habe es eine Explosion gegeben.

Präsident Andrzej Duda bezeichnete das Unglück, bei dem zahlreiche Vertreter von Polens politischer und militärischer Elite ums Leben gekommen waren, als Staatsangelegenheit. Die Angehörigen der Opfer bat er um Verständnis. «Es ist die Rechtspflicht der Staatsanwaltschaft», begründete er die Exhumierungen im Gespräch mit der Nachrichtenagentur PAP. Diese können die Ermittler auch gegen den Willen der Familien durchführen. Da Russland das Flugzeugwrack bislang nicht herausgegeben habe, seien die Leichname ein wichtiges Beweismittel, heißt es.

Mehr als 200 Angehörige hatten in einem offenen Brief an die Regierenden gegen die Exhumierungen protestiert. Sie prangerten diese als «Grabschändung» und einen «grausamen und rücksichtslosen Akt» an. Doch es gibt auch Befürworter, die mögliche Verwechslungen bei der Identifizierung ihrer Angehörigen aufklären wollen. «Wenn mein Tomek in einem fremden Grab liegt, werde ich nicht dulden, dass irgendwer sich der Graböffnung widersetzt», sagte Marta Merta, Witwe des damals verunglückten Vize-Kulturministers Tomasz Merta, dem Sender RMF FM.

Nach Ansicht von Kritikern nutzt die PiS die Tragödie für politische Zwecke. Mit der Exhumierung aller Opfer beachsichtige sie, die Ermittlungen in die Länge zu ziehen, das Misstrauen unter den Polen zu verstärken und mehr Anhänger für ihre Anschlags-Theorie zu gewinnen. «Aus der Smolensk-Katastrophe wurde eine politische Keule gemacht, mit der der politischen Konkurrenz der Kopf eingeprügelt wird», sagte Ex-Präsident Bronislaw Komorowski dem Rundfunksender «Radio Zet».