Ukrainische Zivilluftfahrt meldet Schäden in Milliardenhöhe
Seit fast drei Jahren herrscht in der Ukraine Krieg. Doch schon heute denken die zum Teil völlig zerstörten ukrainischen Airports an morgen. Unter welchen Voraussetzungen kann der zivile Betrieb wieder starten?
Am 24. Februar 2022 marschierte Russland völkerrechtswidrig in die Ukraine ein. Seitdem herrscht Krieg. Die Schließung des Luftraums und Einstellung der Betriebsaktivitäten von Flughäfen und Airlines waren unausweichlich. Über den aktuellen Status der ukrainischen Zivilluftfahrt sprach AERO-INTERNATIONAL-Mitarbeiter Kurt Hofmann mit dem Präsidenten des Verbandes Airports Ukraine, Petro Lypovenko.
Wie viele ukrainische Flughäfen wurden durch den Krieg partiell beschädigt oder sogar komplett zerstört?
Petro Lypovenko: Aktuell gehören 21 Flughäfen unserer Vereinigung an. Fast alle von ihnen weisen Beschädigungen auf – einige Infrastrukturen wurden sogar schwer zerstört, andere nur geringfügig. Offiziell bilanziert der Luftfahrtsektor unseres Landes kriegsbedingte Verluste von umgerechnet mehr als zwei Milliarden Euro. Dabei konnten wir 2019 in Bezug auf das Verkehrsaufkommen mit 29,5 Millionen abgefertigten Passagieren noch ein Rekordjahr für alle ukrainischen Flughäfen verbuchen.
Wie halten Sie die Flughäfen momentan instand?
Derzeit warten und hoffen wir auf einen vollständigen ukrainischen Sieg und eine schrittweise Wiederaufnahme des zivilen Flugverkehrs. Auf Anweisung der zentralen Exekutivbehörden, die die Luftfahrtindustrie koordinieren, haben Flughafenmanager bereits an Plänen zur Wiederherstellung des Flugverkehrs gearbeitet. In der Ukraine gibt es mehrere Formen der Flughafeneigentumsstrukturen.
Da sind zum einen die beiden staatlichen Airports Kiew-Boryspil und Lwiw. Die übrigen Airports sind in kommunaler Hand von Städten und Regionalgemeinschaften oder eben Joint Ventures öffentlicher und privater Partner. Charkiw, Odessa, Kiew-Sikorsky zählen dazu. Nicht alle Flughäfen werden zeitlich parallel einen Wiederherstellungsplan vorlegen. Und nur die fünf größten Flughäfen des Landes sind für die wichtigsten Verbindungen zwischen der Ukraine und Europa von Bedeutung: Kiew-Boryspil, Kiew-Schuljany, Saporischschja, Lwiw, Odessa und Charkiw.
Können Sie uns mehr über die Auswirkungen des Krieges auf die Flughäfen erzählen?
Seit Beginn des Krieges ist die Flughafeninfrastruktur ständigem russischen Beschuss – Bomben, Granaten, Raketen – ausgesetzt. Besonders stark beschädigt wurden der internationale Fracht- und Werksflughafen Kiew-Hostomel sowie die internationalen Airports in den Städten Dnipro, Winnyzja, Mykolajiw, Cherson und Saporischschja.
Es stehen immer noch drei A320 der Wizz Air in der Ukraine. Können Sie uns sagen, ob auch Flugzeuge anderer internationaler Fluggesellschaften im Land festsitzen?
Ich kann und darf diese Frage nicht beantworten – aus politischen Gründen, denn sie ist auch sicherheitsrelevant.
Wie wichtig wird die Luftfahrt für den Wiederaufbau der Ukraine sein?
Zunächst einmal ist die Sicherheit von Flügen und Passagieren von entscheidender Bedeutung. Wir müssen sicher sein, dass der Luftraum über der Ukraine sicher geöffnet werden kann. Abgesehen von diesen Bedingungen könnten mehrere Flughäfen schon in einigen Monaten betriebsbereit sein. Aber Sicherheit steht an erster Stelle.
Vorrangig benötigen wir Hilfe von IATA, ACI und ICAO, um europäische Vorschriften und Standards in der Ukraine umzusetzen. Dazu benötigen wir praktische Unterstützung, beispielsweise Praktika für unsere Mitarbeiter an europäischen Flughäfen. Dort sammeln sie Erfahrungen, die sie anschließend an unseren Flughäfen umsetzen können. Denn unsere Airports sind seit fast drei Jahren nicht mehr in Betrieb.
Einige Fluggesellschaften wie Wizz Air, AirBaltic oder Ryanair wollen so schnell wie möglich in die Ukraine zurückkehren. Gibt es eine Fluggesellschaft aus der Ukraine, die den Betrieb wiederaufnehmen könnte?
Ja, wir haben ukrainischen Fluggesellschaften, die das möchten. Und sobald sicherer Flugbetrieb möglich ist, werden diese Airlines wieder an den Start gehen. Doch noch einmal: Neben der Unterstützung von europäischen Flughäfen benötigen wir auch Hilfe von Experten und Beratern, um administrative und logistische Fragen zu lösen, auch im operativen Teil der Flughäfen.