Auch renommierte Nachrichtenmagazine wie der Spiegel sind nicht vor der Versuchung gefeit, sich in Sensationsmeldungen zu verfangen. Ein Kommentar von Wolfgang Borgmann zur Meldung um angebliche Boeing-Probleme.

Ist erst einmal der Ruf ruiniert … so oder ähnlich könnte man umschreiben, was sich aktuell in der Presse zu angeblichen und tatsächlichen Vorfällen rund um Boeing-Jets findet.

Jüngstes Beispiel ist eine Meldung im renommierten Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“, dass sich eine „Nächste Panne bei einer Boeing-Maschine“ ereignet habe. Wie in der aktuellen Online-Ausgabe des Magazins zu lesen ist, seien „Passagiere und Besatzung eines Flugs der australischen Fluggesellschaft Qantas von Rom nach Perth fast 16 Stunden mit einer beschädigten Tragfläche in der Luft gewesen – ohne dies zu bemerken.“

Fast schon reflexartig berichtet der Spiegel in seiner Story zudem, dass eine Boeing 737-9 MAX im Januar nur knapp einer Katastrophe entgangen sei.

Darüber berichtete auch mehrfach AERO INTERNATIONAL im Heft und online. Allerdings nur, wenn sich neue Erkenntnisse der offiziellen Flugunfalluntersuchung ergeben haben.

Was haben beide Vorfälle miteinander zu tun? Auf den Punkt gebracht: Nichts!

Reifenschaden bei Qantas: Sensationsgier versus Fakten

Trägt Boeing an dem aktuellen Vorkommnis eine „Schuld“? Vermutlich nicht. Der Flugzeughersteller produziert keine Reifen. Diese werden von renommierten Produzenten zugeliefert.

Natürlich könnte die Fahrwerksstruktur zum Ablösen der Reifendecke beigetragen haben. Sollte dies der Fall sein, wird dies die laufende Untersuchung des Vorfalls durch die zuständigen Behörden ergeben. Bis dahin ist dies reine Spekulation.

Flog die betroffene Boeing 787 der australischen Airline QANTAS 16 Stunden mit Löchern in der Tragfläche? Glaubt man der auf Unfallberichte spezialisierten Website avherald.com, war dies unter Umständen der Fall.

Ob und in welcher Anzahl – oder ob die Löcher erst durch sich ablösende Gummiteile beim Aufsetzen in Perth entstanden – wird die Untersuchung zeigen.

Platzten Reifen der Boeing 787? Nein – vielmehr lösten sich, wahrscheinlich ein Teil beim Start in Rom und noch mehr bei der Landung im australischen Perth, die obersten Gummischichten einzelner Reifen. Diese durchschlugen die Tragfläche von unten, sowie eine Landeklappe.

Die Schäden waren jedoch so geringfügig, dass sie keinen während des Flugs von der Besatzung bemerkbaren Schaden anrichteten.

Reifenschaden bei Qantas: Boeing nicht an allem Schuld

Waren Passagiere und Besatzung während des Flugs in Gefahr: vermutlich nicht. Ansonsten hätten Warnsysteme an Bord Alarm geschlagen und die Besatzung hätte sich unterwegs zu einer Sicherheitslandung entschieden.

Immerhin rollte das Flugzeuge ohne Probleme zu seiner Abstellposition in Perth, wo die Schäden an der Flugzeugstruktur im Rahmen der technischen Kontrolle entdeckt wurden.

Was lernen wir daraus? Nicht jeder Zwischenfall in der Luftfahrt ist eine Katastrophe – oder gar eine Story wert. Die Luftfahrt ist das sicherste Verkehrsmittel und Panikmache oder Sensationsberichterstattung helfen niemandem.

Und: Boeing ist nicht an allem Schuld. Auch wenn es sich um eine Boeing handelt!