Für die 27-Jährige war die Finanzierung der Piloten-Ausbildung eine große Hürde. Ihren Traum vom Fliegen hat sie aber dennoch nicht aufgegeben.

Es gibt nur wenige Berufe, in denen der Frauenanteil geringer ist. Bei Verkehrsflugzeugführern ist das allerdings der Fall! Über die aktuelle Zahlen der zum Einsatz kommenden kommerziellen Piloten und Pilotinnen haben wir bereits in einem anderen Online-Artikel berichtet. Jetzt wollen wir drei Pilotinnen vorstellen, die ihren Weg ins Cockpit gefunden haben. Den Anfang macht Sophia Viktoria Preuß. Seit wann hatte sie den Wunsch, Pilotin zu werden? Welche Hürden musste sie überwinden? AERO INTERNATIONAL-Redakteurin Astrid Röben hat ein spannendes Interview geführt!

AERO INTERNATIONAL: Wann wurde der Wunsch, Pilotin zu werden konkret?

SOPHIA VIKTORIA PREUSS: Es gab für mich seit jeher nur zwei Optionen: Die Medizin und die Fliegerei. Die lange Wartezeit auf einen Studienplatz wollte ich damals mit einem Job überbrücken. So versuchte ich, das eine mit dem anderen zu verbinden, und ließ mich zur Flugbegleiterin ausbilden. Sie können sich bestimmt vorstellen, welchen Input die Arbeit in der Kabine mit sich brachte … Aus nächster Nähe konnte ich meine Vorstellungen vom Beruf mit der Realität abgleichen und herausfinden, ob ich den physischen und psychischen Anforderungen der Fliegerei gerecht werde. Sehr schnell wurde die Fliegerei zu meiner Leidenschaft und ich beschloss, den Traum Pilotin zu werden, zu verwirklichen. Also folgten Nägel mit Köpfen. Ich bewarb mich für die Ab-initio-Ausbildung der Lufthansa Group. Leider konnte ich die Bewerbung aufgrund der Pandemie nicht abschließen. Davon ließ ich mich aber nicht entmutigen. Stattdessen erwarb ich meine Privatpilotenlizenz und begann im September 2022 die integrierte ATPL-Ausbildung an der RWL.

Wie reagierte Ihre Familie, wie reagierten Ihre Freunde auf das Vorhaben?

Dass ich mich auf die Ausbildung zur Pilotin beworben und vorbereitet habe, habe ich anfangs geheim gehalten. Ich bestand die ersten Stufen und erzählte es erst dann. Meine Familie war begeistert, stolz auf mich, und ich kann jeden Tag mit ihrer Unterstützung und ihrem Rückhalt rechnen. Auf meinem Weg, mir diesen sehr speziellen Traum zu erfüllen, war genau diese Unterstützung essenziell. Vor allem mein Vater hat mich trotz der zusätzlichen Herausforderungen während der Pandemie immer ermutigt, die Ausbildung zu beginnen. Auch mein Freund, der selbst Pilot ist und aus einer Fliegerfamilie stammt, ist eine große Inspiration und gibt mir Halt. Seine Unterstützung und die meiner Familie bedeuten mir sehr viel und geben mir jeden Tag die Gewissheit, meine Weg zu gehen.

Welche Hürden mussten Sie überwinden?

Die Finanzierung der Ausbildung. Das lässt sich nicht mal eben durch Sparsamkeit zu stemmen. Ich konnte zwar durch die Arbeit als Flugbegleiterin Geld ansparen, was einen Teil der Kosten abdeckt. Bei dem großen verbleibenden Rest darf ich mich dann auf meine Familie verlassen. Das ist ein riesiges Geschenk und eine immense Erleichterung. Die zweite Hürde war die Balance zwischen Ausbildung und beruflicher Tätigkeit. Ich arbeite nach wie vor in Teilzeit als Flugbegleiterin, um finanziell auch etwas zur Ausbildung beisteuern zu können. Diese Doppelbelastung ist nicht ohne. Auf beiden Ebenen werden Höchstleistung verlangt. Struktur, Rückhalt und Willen lauten da auch die Zauberwörter.

Gibt es Momente, in denen Sie sich gegenüber Mitschülern im Nachteil oder auch im Vorteil sehen aufgrund der Tatsache, dass Sie eine Frau sind?

Ich habe nie in Kategorien gedacht und fange auch, so lange es geht, nicht damit an. Wie beim Fliegen zählen der Moment und die richtige Entscheidung. Meine Leistung und dass ich eine loyale, zuverlässige, belastbare Persönlichkeit bin, sind wichtige Punkte. Schon während meiner Schulzeit hatte ich viele männliche Freunde. Eine Frau zu sein kann in dieser Branche, wie in vielen anderen bestimmt auch, von Vorteil sein. Warum auch nicht! Man fällt als Frau auf.

In welchen Momenten zweifeln Sie, ob der Beruf der richtige für Sie ist? Und wie wohl fühlen Sie sich in der Männerdomäne?

Ich zweifle nicht an meiner Entscheidung, diesen Beruf gewählt zu haben. Vielleicht ist es heute noch ab und an von Vorteil, als Frau im Cockpit zu arbeiten. Den Hingucker-Joker wird es wohl noch eine Weile geben. Aber auch hier entwickelt sich vieles rasant in die richtige Richtung. Das Wichtigste beim Fliegen ist immer die eigene Performance, der Wille, sein Bestes zu geben. Dafür reflektiere ich oft meine Fähigkeiten und habe hohe Ansprüche. Während der Ausbildung wird das Vertrauen in sich selbst und seine Fähigkeiten auch auf die Probe gestellt: erste Solo-Flüge, die ATPL-Theorieprüfung.

Erfolge motivieren. Meine engsten Freunde oder mein Fluglehrer unterstützen und geben mir Rückhalt. Es ist normal, Zweifel zu haben, aber wichtig, sie zu überwinden und niemals den Glauben an sich selbst zu verlieren.

Wo würden Sie nach der Ausbildung gerne ins Cockpit steigen? Was wäre Ihr Traumjob?

Definitiv im Cockpit einer deutschen Airline. Passagiere zu Urlaubsdestinationen zu fliegen und die Perspektive, später auch auf der Langstrecke arbeiten zu können, reizen mich. Ein abwechslungsreiches Streckennetz, mehrere Tage unterwegs zu sein, aber auch abends immer mal wieder zu Hause zu schlafen: Das sind Punkte, die mich ansprechen. Ich möchte Passagieren und Crews das Gefühl geben, in sicheren Händen und in einem optimal gewarteten Flugzeug zu reisen. Die Condor oder die Lufthansa Group bieten eine Vielzahl von Möglichkeiten und eben diese Sicherheit. Für mich als angehende Pilotin ist das absolut attraktiv.

Warum würden Sie interessierten, aber vielleicht noch zweifelnden Schulabgängerinnen diese Ausbildung empfehlen?

Weil die ATPL-Ausbildung eine einzigartige Möglichkeit bietet, theoretisches Wissen schnell in die Praxis umzusetzen und die eigene Leidenschaft zum Beruf zu machen. Während der Ausbildung wachsen wir nicht nur fachlich, sondern auch persönlich über uns hinaus. Bereits bei den ersten Solo-Flügen bekamen wir hohe Verantwortung übertragen, und wir können uns täglich neuen Herausforderungen stellen.

Welche Angebote oder Maßnahmen seitens der Airlines können den Beruf für Frauen noch attraktiver machen?

Flexible Arbeitsmodelle wie Teilzeit können Frauen und Männern mit Familie den Einstieg erleichtern. Die Möglichkeit, das Fliegen und die Familie besser zu vereinbaren, kann den Beruf attraktiver gestalten. Dazu gehören stabilere Dienstpläne und Planungssicherheit, um familiäre Verpflichtungen gut zu koordinieren. Ich finde es sehr attraktiv, wenn Airlines ihre Dienstpläne frühzeitig veröffentlichen und Änderungen nur in Ausnahmefällen vornehmen.

Wie ist Ihr aktueller Ausbildungsstand?

Mitte Juni werde ich meine Ausbildung mit dem MCC auf dem Boeing-737-Simulator abschließen und mich auf die kommenden Bewerbungen konzentrieren. Dank meiner guten Fluglehrer, eiserner Disziplin, Engagement und Durchhaltevermögen habe ich die Ausbildung nun in nur einem Jahr und neun Monaten absolviert. Ich freue mich sehr auf meine berufliche Zukunft.