Der bekannte Luftfahrtexperte und AERO INTERNATIONAL-Mitarbeiter Heinrich Großbongardt analysiert, was bislang über den Unfall einer A220 der Swiss bekannt ist. Ein Flugbegleiter verstarb nach einer Woche im Krankenhaus.

Am 23. Dezember 2024 hat eine Bombardier CSeries 300 (Airbus A220-300) der Swiss eine Notlandung in Graz gemacht. Wie ist es dazu gekommen?

Das Flugzeug befand sich mit der Flugnummer LX-1885 auf dem Weg von Bukarest nach Zürich. 50 Kilometer östlich vom Graz fiel ein Triebwerk aus und es bildete sich dichter Rauch im Cockpit und der Kabine. Darauf entschied die Besatzung sich zu einer Notlandung in Graz.

Hat es im Flugzeug gebrannt oder woher kam der Rauch?

Die Rauchentwicklung ist eine Folge des Triebwerksausfalls. Für die Klimatisierung der Kabine zapft man vor der Brennkammer heiße, verdichtete Luft ab, die runtergekühlt in die Klimaanlage geleitet wird. Der Rauch stammt möglicherweise von Öl, das infolge des Defekts im Motor freigesetzt worden –und auf heißes Metall getropft ist. Das wird aber noch untersucht.

Ist dieser Rauch giftig?

Rauch ist immer giftig.  Je nach Bestandteilen des Rauchs kann er zu Schleimhautreizungen, Atembeschwerden und den unterschiedlichsten Vergiftungssymptomen führen. 17 Passagiere und zwei Besatzungsmitglieder von Flug LX-1885 mussten ärztlich behandelt werden.

Ein Flugbegleiter ist inzwischen gestorben. Was weiß man darüber?

Ein Flugbegleiter brach während des Zwischenfalls zusammen und starb später auf der Intensivstation eines Krankenhauses in Graz. Man weiß derzeit aber nicht, ob dies eine Folge des Rauchs war oder ob die Rauchmaske, die sich Piloten und Flugbegleiter aufgesetzt haben, in seinem Fall womöglich nicht richtig funktioniert hat.

Kann es bei allen Flugzeugen passieren, dass vom Triebwerk Rauch in die Kabine gelangt?

Grundsätzlich ja, mit einer Ausnahme. Die Boeing 787 saugt die Luft für die Klimaanlage durch zwei Öffnungen am Rumpf direkt von außen an, verdichtet sie mit einem elektrisch betriebenen Kompressor und mischt sie dann mit der zirkulierenden Kabinenluft.

Weiß man schon, warum das Triebwerk ausgefallen ist?

Nach den derzeit verfügbaren Informationen ist die Triebwerkswelle gebrochen. Sie überträgt die Leistung von der Turbine hinten im Triebwerk auf den Verdichter und den Fan. Die Ursache dafür ist aber noch nicht bekannt. Sie ist ein zentraler Teil der Unfalluntersuchung.

Wie zuverlässig ist dieser Triebwerkstyp insgesamt?

Die CSeries, die inzwischen als A220 von Airbus gebaut wird, ist das erste Flugzeug mit dem neuartigen Geared-Turbo-Fan (GTF) von Pratt & Whitney. Die Motoren der PW1000-Baureihe haben den Fluggesellschaften in der letzten Zeit wegen ungeplanter Wartungsarbeiten einiges Kopfzerbrechen bereitet. Dies ist aber der erste Fall einer gebrochenen Triebwerkswelle.

Was ist das Besondere am PW1000?

Bei diesem Motor wird die Leistung der Turbine nicht direkt auf den Fan übertragen. Zwischen Kerntriebwerk und Fan gibt es vielmehr ein Getriebe, das die Drehzahl des Fans herabsetzt. Weil dieser sich langsamer dreht, hat er einen höheren Wirkungsgrad, so dass die Motoren dieser Baureihe rund 15 Prozent sparsamer und auch viel leiser sind als die Vorgängergeneration. Dafür mussten die Ingenieure aber an die Grenze des technisch machbaren gehen.

Worin bestehen die Probleme des PW1000?

Es hat bei seiner Einführung einige Kinderkrankheiten gegeben. Die scheinen aber inzwischen weitgehend überwunden. Aktuell stehen viele CSeries, A220 und A320neo/A321neo am Boden, weil in der Hochdruckturbine des Motors eine Scheibe ausgetauscht werden muss, auf der die Turbinenschaufeln befestigt sind. Ursache ist aber kein Konstruktionsfehler. Vielmehr hat sich herausgestellt, dass das Metallpulver, aus dem sie hergestellt sind, durch mikroskopisch kleine Keramikpartikel verunreinigt war.

Klingt teuer. Wer kommt für die Kosten auf?

Man schätzt, das die Reparatur und die Kosten für den Nutzungsausfall der Flugzeuge Pratt & Whitney rund sieben Milliarden US-Dollar kosten werden. Der deutsche Triebwerkshersteller MTU, der an dem Programm beteiligt ist, wird etwa eine Milliarde US-Dollar beisteuern müssen. Derzeit stehen weltweit schätzungsweise mehr als 200 Flugzeuge am Boden, weil sie nicht mehr fliegen dürfen, bevor die Reparatur durchgeführt ist.

Was bedeutet der Unfall der Swiss für Pratt & Whitney?

Das kommt darauf an, was sich bei der Untersuchung der Bruchstellen herausstellt. Handelt es sich um einen Einzelfall oder gibt es da ein grundsätzliches Problem. Dazu kann man derzeit nichts sagen. Aber man kann sicher sein, dass mit Hochdruck daran gearbeitet wird, die Ursache aufzuklären.