Neuzugang in der Business Aviation: Wer steckt hinter Luminair?
Ehemalige Mitarbeiter der Air Hamburg haben sich zusammengetan, um mit Luminair in die Fußstapfen ihres einstigen Arbeitgebers zu treten. Wie groß ist die Flotte, was zeichnet die Airline aus?
Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern, die anderen Windmühlen. So lautet eine alte chinesische Weisheit. Statt Windmühlen könnte man aber auch eine neue Fluggesellschaft aufbauen. Das haben sich Alexander Stevens, Algernon Trotter und David Bergold aus Hamburg gedacht, nachdem ihr alter Arbeitgeber Air Hamburg im Jahr 2022 von der maltesischen Vistajet übernommen wurde.
Die verfolgt ein gänzlich anderes Geschäftsmodell als die seinerzeit größte europäische Charter-Fluggesellschaft aus der Hansestadt. Das dreiköpfige Gründerteam erkannte, dass dadurch eine Marktlücke entstanden war und zögerte nicht lange. So verließ das Dreiergespann Vistajet und startete zu Beginn des Jahres 2024 mit der Gründung einer neuen Airline, die den Namen „Luminair“ trägt und jetzt am 1. November 2024 ihr Luftverkehrsbetreiberzeugnis (Air Operator Certificate, kurz AOC) vom Luftfahrt-Bundesamt (LBA) erhalten hat.
Was unterscheidet Vistajet und Luminair?
Doch der Reihe nach. Um zu verstehen, welche Lücke Air Hamburg hinterlassen hat, und wie das Hamburger Start-up plant, diese zu füllen, lohnt ein Blick auf die verschiedenen Geschäftsmodelle: Vistajet verkauft hauptsächlich Stundenkontingente an seine Kunden, die von diesen dann im Lauf eines bestimmten Zeitraums „abgeflogen“ werden können. Air Hamburg hingegen verkaufte Flüge fast ausschließlich direkt an Vermittler, auch Englisch Broker genannt. Seit der Übernahme von Air Hamburg ist deren einstige Flotte von 45 Flugzeugen nur noch eingeschränkt für diesen Markt verfügbar.
Hier sieht Luminair ihre Chance und richtet ihren Fokus also konsequent auf das Geschäft mit den Brokern. CEO David Bergold unterstreicht dies: „Wir werden ausschließlich im Business-to-Business-Bereich tätig sein. Wir verkaufen keine Flüge direkt an Passagiere.“
Wie groß ist die Flotte von Luminair?
Die Neugründung geht erstmal mit einem Jet des Typs Cessna Citation XLS an den Start. Das Flugzeug bietet Platz für bis zu neun Passagiere und hat eine maximale Reichweite von rund 3500 Kilometer. „Eine weitere Citation XLS+ befindet sich im Zulauf und wird in Kürze die Flotte ergänzen“, so Mitgründer Alexander Stevens, der als Chief Operating Officer (COO) und Flugbetriebsleiter bei Luminair agiert. Doch dabei wird es nicht bleiben: Bis Ende 2030 soll die Flotte aus 15 bis 25 Flugzeugen bestehen.
Bereits nächstes Jahr sollen auch Mittel- und (Ultra-)Langstreckenflugzeuge dazustoßen. Welche Flugzeugtypen am besten in die Flotte passen würden, analysiert das Team derzeit akribisch. Die Flugzeuge gehören dabei nicht etwa Luminair selbst. Viel mehr sind sie im Besitz von Eignern, die ihre Maschinen der Airline im Rahmen eines Halterschaftsvertrags vollständig überlassen. Für jede geflogene Flugstunde bekommen sie einen bestimmten Betrag ausgezahlt. Auch das ist ein Modell, das Air Hamburg äußerst erfolgreich betrieben hatte. Einer vorherigen Zustimmung für einen Flugeinsatz durch den Besitzer bedarf es bei Luminair nicht – anders als bei vielen Konkurrenten. So kann das Team völlig frei und flexibel auf dem Chartermarkt agieren.
Was ist eine „Floating Fleet“?
Die Flotte wird zudem als sogenannte „Floating Fleet“ betrieben. Das bedeutet, dass die Flugzeuge nach einem Einsatz nicht zurück zu ihrer Heimatbasis nach Hamburg fliegen. Stattdessen verbleiben sie so lange am jeweiligen Ziel, bis von dort aus oder von einem Flughafen in der Nähe ein neuer Flug verkauft wird. Die Besatzungen fliegen mit Linienflügen zu ihren Einsatzorten beziehungsweise bei Dienstende nach Hause. Das minimiert die Häufigkeit und Länge von Leerflügen, was Kosten spart und eine attraktive Preisgestaltung ermöglicht.
Der Name „Luminair“ steht für „Erleuchtung“ und somit sinngemäß für einen Neuanfang, der zeitgleich Zuversicht suggerieren soll. Ein Name also, der angesichts des ambitionierten Wachstumsplans passender nicht sein könnte. Ergänzt wird er durch den Claim „The Way You Want“, zu deutsch „So, wie Du es möchtest“. Denn Ziel ist es, dem Kunden ein individualisiertes Produkt zu bieten, das keine Wünsche offenlässt. Dazu zählen unter anderem hochwertiges Catering an Bord sowie eine offene Bar, in der ein guter Champagner natürlich nicht fehlen wird.
Luminair sucht weitere Piloten
Neben COO Stevens, der über eine langjährige Erfahrung in den Bereichen Flugbetrieb sowie Compliance und Safety verfügt, gibt es mit Algernon Trotter und David Bergold zwei Verkaufsexperten im Team. Zuvor waren sie bei Air Hamburg als Vice Presidents der Verkaufsabteilung tätig und somit für eine Crew von vierzig Mitarbeitern mitverantwortlich. Ebenfalls mit von der Partie ist Julia Feddern. Sie leitete bei Air Hamburg zuletzt die Abteilung Flightcare und verfügt über eine umfassende Expertise im Bereich Kundenbetreuung und After Sales.
Insgesamt geht das Team mit derzeit zwölf Mitarbeitern an den Start, wovon sechs Piloten sind. „Vor dem Hintergrund des geplanten Flottenwachstums, würden wir gerne kurzfristig sechs weitere Piloten einstellen“, erklärt Stevens.
Doch bevor die D-CRIE, so die Kennung der ersten Citation XLS, am 2. November 2024 zu ihrem ersten Flug mit einem Kunden abheben konnte, hatte das Team einiges an Arbeit zu bewältigen. Denn die Beantragung eines Luftverkehrsbetreiberzeugnisses ist alles andere als trivial. Aber es führt kein Weg daran vorbei, denn ohne AOC kann legal kein kommerzieller Flugbetrieb stattfinden. Bereits im Januar 2024 begannen die Vorarbeiten mit einer schriftlichen Interessensbekundung beim Luftfahrtbundesamt.
Anschließend musste das Team umfangreiche Handbücher erstellen und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unternehmens nachweisen. Denn ein sicherer Flugbetrieb ist kapitalintensiv, und die Behörden versuchen sicherzustellen, dass Airlines diese finanzielle Herausforderung stemmen können. Luminair ist dieser Nachweis nicht zuletzt dank drei starker Investoren aus Hamburg, die hinter der Unternehmung stehen, problemlos gelungen. Außerdem musste eine Abteilung zur Überwachung der Lufttüchtigkeit (CAMO) aufgebaut werden. Hierfür konnte mit René Schlüter ebenfalls ein ehemaliger Air-Hamburg-Mitarbeiter gewonnen werden, der dort zuletzt die CAMO-Abteilung leitete.
Der Weg bis zum Erstflug war lang
Weiterhin mussten sämtliche Arbeitsprozesse und Verfahren dokumentiert und umgesetzt werden. Auch der Aufbau eines internen Managementsystems gehörte dazu. Alle Funktionsträger des Unternehmens, wie zum Beispiel der Flugbetriebsleiter und der für die Überwachung der Flugsicherheit verantwortliche Safety Manager, mussten Anerkennungsgespräche beim LBA durchführen, um zukünftig ihre Rollen ausführen zu dürfen.
Hier prüft die Aufsichtsbehörde in persönlichen Gesprächen unter anderem, ob das für die jeweiligen Positionen nominierte Personal über die erforderlichen Fachkenntnisse verfügt. Zuvor standen entsprechende Schulungen auf dem Programm. Nach einem finalen Audit und einem erfolgreichen Demonstrationsflug mit Mitarbeitern des LBA, konnte das AOC Anfang November nach zehn Monaten harter Arbeit ausgestellt werden. Ein Meilenstein, den das Team gebührend gefeiert hat.
Dabei erfolgt die Gründung des Unternehmens in durchaus herausfordernden Zeiten, in denen einem nicht immer zum Feiern zumute ist. Auch wenn die Branche während der Corona-Pandemie einen wahren Boom erlebt hat, so sorgten die vielen Krisen der vergangenen Jahre für eine leichte Abkühlung der Nachfrage.
Angespannte Lage auf dem Gebrauchtflugzeugmarkt
Mitgründer Algernon Trotter weist auf die angespannte Lage auf dem Gebrauchtflugzeugmarkt hin: „Es gibt derzeit nur wenige gebrauchte Flugzeuge auf dem Markt, die für uns geeignet wären. Allerdings beobachten wir hier aktuell eine leichte Entspannung, von der auch wir profitieren wollen“, erklärt Trotter.
Auch die Verfügbarkeit von Ersatzteilen ist bisweilen problematisch. Das wiederum kann zu größeren Ausfallzeiten führen, als nötig wäre. Das Team versucht dem zukünftig durch die Vorratshaltung wichtiger und schwer erhältlicher Ersatzteile zu begegnen.
Eine weitere Herausforderung ist es neues Personal – insbesondere für das Cockpit – zu finden. Denn auch in der Luftfahrt herrscht Fachkräftemangel und viele der großen Fluggesellschaften rekrutieren derzeit ebenfalls Personal. Um trotzdem geeignete Mitarbeiter zu finden, versucht sich Luminair mit attraktiven Arbeitsbedingungen von der Konkurrenz abzuheben.
Text: Martin Schenkemeyer