AERO INTERNATIONAL sprach mit Harald Gloy, Vorstand Personal und Operations bei Lufthansa Technik, über die Perspektiven des Standorts in Hamburg. Es wird ein mittlerer dreistelliger Euro-Millionenbetrag investiert.

AERO INTERNATIONAL: Herr Gloy, vor wenigen Jahren trennte sich Lufthansa Technik von vielen altgedienten Mitarbeitern in Deutschland. Die fehlen nun beim Hochlauf der Produktion, Quereinsteiger müssen mühsam angelernt werden. Wie ist der aktuelle Stand der Neugewinnung von Mitarbeitern?

HARALD GLOY: Wir kommen bei der Personalgewinnung gut voran und haben allein in Deutschland in diesem Jahr bereits rund 1300 externe Zugänge verzeichnet. Weltweit arbeiten nun wieder mehr als 23.000 Menschen für Lufthansa Technik. Über die vergangenen beiden Jahre ist damit unsere Mitarbeiterzahl um mehr als 3000 gewachsen. Das freut uns sehr, bedeutet aber natürlich auch Anstrengungen für die bereits bei uns tätigen Mitarbeiter. Und zur Wahrheit gehört auch, dass es Bereiche gibt, in denen wir weiter Fachkräfte suchen, zum Beispiel Mechaniker diverser Fachrichtungen, Elektroniker und IT-Spezialisten – jeweils natürlich aller Geschlechter.

War der damalige personelle „Kahlschlag“ aus heutiger Sicht dennoch richtig und wegen der hohen Gehälter vieler älterer Mitarbeiter nötig?

Die Auswirkungen der Pandemie haben uns sehr gefordert. Es ging um das Überlebendes Unternehmens. Aber es handelte sich weder um einen Kahlschlag noch ging es um die Gehaltstrukturen. Dass wir uns im Zusammenhang mit der Corona-Krise beispielsweise von Mitarbeitern in der Probezeit trennen mussten, war ein bitterer Schritt. Auch, dass uns erfahrene Kolleginnen und Kollegen verlassen haben, tut weh. Nun kann man sich heute angesichts des schnellen Comebacks unserer Industrie nach der Pandemie natürlich die Frage stellen, ob man damals hätte anders entscheiden können. Ich bleibe aber dabei, dass es mit dem damaligen Wissen richtig war, wie wir handelten, und denke auch, dass wir im Rückblick den Umbau gut gemeistert haben.

Die Lufthansa-Technik-Basis in Hamburg wird mit Investionen für die Zukunft fit gemacht. Bild: Lufthansa Technik/Oliver Sorg

Lufthansa Technik plant in Hamburg den Neubau des VIP-Bereichs. Was können Sie bereits jetzt dazu sagen?

Einige Gebäude auf unserer Hamburger Basis sind in die Jahre gekommen. Dazu gehören beispielsweise die VIP-Interior-Werkstätten, bei denen wir zu dem Schluss gekommen sind, dass der Gebäudekomplex langfristig nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben wäre. Daher haben wir entschieden, für diesen Bereich ein Ersatzgebäude zu bauen. Insgesamt investieren wir in den kommenden Jahren allein in Hamburg einen mittleren dreistelligen Euro-Millionenbetrag.

Welche Rolle spielt dabei der Militärsektor, etwa die A350 der Flugbereitschaft oder die auf der Boeing 737 basierenden U-Boot-Jäger P-8 der Marine – oder vielleicht auch Militärjets anderer Länder?

Wir haben bereits 2019 entschieden, das Geschäft mit unserem langjährigen Partner Bundeswehr auszubauen. Die Flugzeuge der Flugbereitschaft der deutschen Bundesregierung betreuen wir schließlich schon seit mehr als 60 Jahren. Erst kürzlich haben wir das dritte moderne Regierungsflugzeug vom Typ A350 an die Luftwaffe übergeben. Wir sind überzeugt, dass wir mit unserer technischen Kompetenz zur Sicherheit Deutschlands und seiner Partner beitragen können.

Gibt es weitere Pläne für eine Expansion bestehender Bereiche in Hamburg?

Selbstverständlich investieren wir in Hamburg auch weiterhin in den Ausbau unseres Kerngeschäfts: die Wartung, Reparatur und Überholung von Triebwerken und Flugzeugkomponenten. Ein Beispiel dafür ist der Bau einer neuen Hydraulikwerkstatt, in die allein ein zweistelliger Millionenbeitrag fließt. Im Engine-Bereich bauen wir natürlich unter anderem unsere Kapazitäten für die Betreuung neuer Triebwerksmuster wie LEAP-1A und -1B weiter aus. Ein besonderer Fokus liegt zudem auf der Digitalisierung, sowohl was unsere digitalen Produkte wie den AVIATAR als auch die Digitalisierung von Prozessen und Abläufen angeht.

Lufthansa Technik ist mit den Akteuren des Luftfahrtstandorts Hamburg an der Planung für den Einsatz von Wasserstoff in der Luftfahrt beteiligt. Wie ist hier der aktuelle Stand und wie bereitet sich Lufthansa Technik generell auf die neuen Technologien eines klimaneutralen Luftverkehrs vor?

Um die Auswirkungen des Einsatzes von flüssigem Wasserstoff auf Wartungs- und Bodenprozesse frühzeitig zu untersuchen und für die Entwicklung zukünftiger Flugzeuggenerationen wertvolle Impulse zu geben, baut Lufthansa Technik gemeinsam mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), dem Zentrum für angewandte Luftfahrtforschung (ZAL) und Hamburg Airport am Standort Hamburg ein umfassendes Reallabor auf Basis eines ausgemusterten Airbus A320 auf. Derzeit befinden wir uns in der Projektphase, um das Flugzeug mit der notwendigen Technik auszustatten. Die Tank- und Verteilereinheit für Flüssigwasserstoff wurde geliefert, die weiteren Bauteile erwarten wir in den nächsten Wochen. Danach folgt die Inbetriebnahmephase, so dass wir im Spätsommer mit den Forschungsaktivitäten beginnen können.


Wie verhält es sich mit Elektroantrieben oder Brennstoffzellen?

Diese werden künftig ganz neue Anforderungen an MRO-Anbieter stellen.

Gibt es Überlegungen, technische Dienstleistungen auch für eVTOL anzubieten? Dieser Markt könnte ja boomen, wenn sich die Versprechungen der Hersteller erfüllen sollten.

Wir beobachten die Entwicklung im Bereich elektrisch angetriebener Fluggeräte sehr genau und prüfen, inwieweit Lufthansa Technik hier mit innovativen Produkten und Dienstleistungen einen Beitrag leisten kann. So haben wir zum Beispiel als Vorreiter im Bereich der Kabinensteuerung und des Bordunterhaltungssystems für Geschäftsreiseflugzeuge ein Konzept entwickelt, um unser „nice“- System auch auf Kabinen für neue Fluggeräte wie zivile Drohnen und Lufttaxis auszuweiten.