Lufthansa wartet derzeit wie viele andere Fluggesellschaften auch länger auf bestellte Flugzeuge als ursprünglich geplant. Welchen Einfluss hat das auf die Ausbildung und das Training der Piloten?

Lufthansa Aviation Training (LAT), eine Tochtergesellschaft der Lufthansa-Gruppe, ist Europas größter Betreiber von Full-Flight-Simulatoren für die Pilotenausbildung. AERO-INTERNATIONAL-Mitarbeiter Kurt Hofmann hat mit dem Geschäftsführer Matthias Spohr über aktuelle Herausforderungen gesprochen.

Matthias Spohr ist Geschäftsführer der Lufthansa Aviation Training (LAT). Bild: LAT

 

AERO INTERNATIONAL: Wie wirken sich verzögerte Flugzeugauslieferungen auf die Pilotenausbildung aus? Momentan hätte Lufthansa schon bis zu 15 Boeing 787-9 mehr einsetzen sollen …

MATTHIAS SPOHR: 14, 15 fertige 787-9 stehen am Herstellerstandort von Boeing in Charleston, warten auf die Zertifizierung der Business-Class-Sitze und die anschließende Auslieferung. Wenn Sie als Fluglinie eine bestimmte Anzahl von Flugzeugen bestellen, kauft man als Erstes den notwendigen Full Flight Simulator, kurz FFS. LAT stellte seinen ersten 787-FFS vor etwa zwei Jahren in Dienst. Dann kam es zu einem Überangebot an 787-Piloten, da der Trainingsplan fortgesetzt wurde, aber keine weiteren 787 eintrafen. Um die Lizenzen der Piloten auf dem neuesten Stand zu halten, muss die Lufthansa 787 auch auf Kurzstrecken wie Frankfurt – München einsetzen und zusätzlich Piloten auch am Simulator trainieren, bis weitere Flugzeuge ausgeliefert sind.

Sobald diese 15 Boeing 787 an die Lufthansa übergeben wurden, steht plötzlich eine große Anzahl weiterer Flugzeuge zur Verfügung …

Darauf bereiten wir uns vor. Insgesamt führt dies jedoch zu zusätzlichen Kosten und Ineffizienz. Wie viel Vorbereitungsarbeit muss man leisten, wenn man weiß, dass das System dadurch kurzfristig noch weniger effizient wird? Denn während der Hochlaufphase bilden wir noch mehr Piloten aus, die zunächst gar nicht für den Betrieb benötigt werden. Sonst wäre man aber nicht in der Lage, die Flugzeuge nach ihrer Ankunft zu managen. Generell ist es sehr ambitioniert, mehr als ein zusätzliches Flugzeug pro Monat in die Flotte aufzunehmen. Die Ankunft dieser 15 Boeing 787 wird zu Ineffizienzen im gesamten System führen, was sogar zu einem vorübergehenden Pilotenmangel auf anderen Flugzeugtypen führen könnte.

Ein Blick ins Cockpit der Boeing 787 der Lufthansa. Bild: Frank Hormann / nordlicht www.fotoagenturnordlicht.de

Lufthansa hat außerdem 27 Boeing 777-9 und 777-8F bestellt, die ebenfalls schon lange auf sich warten lassen. Wie wirkt sich das aus?

Glücklicherweise haben wir noch nicht mit der Pilotenausbildung für die 777X begonnen. Wir haben vor einigen Jahren einen 777X-Simulator des Herstellers CAE gekauft, der zu etwa 75 Prozent fertiggestellt ist. Aufgrund der Verzögerung der 777X wurde er vorerst stillgelegt. Wir werden den 777X-Simulator bald in Betrieb nehmen, der muss aber vor der Inbetriebnahme modifiziert und umgebaut werden, da sich die Cockpit-Ausstattung in den vergangenen vier Jahren verändert hat.

Das Gerät soll 2026 bei Lufthansa Aviation Training eintreffen und dann zur Ausbildung von 777X-Piloten eingesetzt werden. Die Auslieferung des ersten Flugzeuges ist derzeit für 2026 geplant (Lufthansa-Airlines-Chef Jens Ritter rechnet nicht vor 2027 mit der ersten 777X-Auslieferung, Anmerk. der Redaktion).

Das Fluggeschäft ist ja von Auf- und Abschwüngen sowie geopolitischen Herausforderungen geprägt. Welchen Einfluss hat das für das Ausbildungsgeschäft?

Ein Beispiel hierfür ist die globale Corona-Pandemie. Während der Pandemie war die Pilotenschule der Lufthansa vorübergehend geschlossen, und LAT strukturierte ihr Flugschulgeschäft um. Eine dauerhafte Schließung der Pilotenschule war keine Option, sondern ein reduzierter Betrieb. Eine der wichtigsten Erkenntnisse für LAT aus der Pandemie war – und das ist nichts Neues – die Fortsetzung der Ausbildung. Die dauerhafte Ausbildung von 150 Piloten pro Jahr ist unsere Grundlast.

Diese wird je nach Bedarf auf bis zu 300 Piloten erhöht. Unsere Pilotenausbildung ist stark fluglinienbezogen, da wir sie teilweise mit Linienpiloten durchführen. Das führt natürlich zu einem anderen Kostenniveau als bei anderen Verkehrsflugschulen. Aktuell bildet LAT rund 350 Kadetten aus, davon sind 13 Prozent weiblich.

Die Lufthansa-Gruppe betreibt 800 Flugzeuge, und Flottenerneuerung ist ein wichtiges Thema. Somit ist wohl die Ausbildung des Flugpersonals ein Dauerthema …

LAT bietet insgesamt zehn Trainingsbasen an, von denen sechs mit Full-Flight-Simulatoren ausgestattet sind. Unsere Flugschule ist auf unsere Verbundfluggesellschaften ausgerichtet und wird von ihnen unterstützt. Unsere Mission ist es, diese Verbundfluggesellschaften durch den Ausbau der Simulatoranlagen zu versorgen. Natürlich muss dies profitabel sein. Es ist klar, dass es künftig in Indien und Südostasien einen enormen Bedarf an Piloten geben wird, aber wir haben derzeit keine Expansionspläne über Europa oder die USA hinaus.

In Zusammenarbeit mit der United Aviation Academy führt LAT einen der Ausbildungsabschnitte der praktischen Ausbildungsphase auf dem traditionellen Flugschulcampus in Goodyear, Arizona, durch.

Wie viele Simulatoren hat LAT, und ab wann rechnet sich so eine Investition?

LAT betreibt rund 60 Simulatoren an den Standorten Berlin, Essen, Frankfurt, München, Wien und Zürich. Um einen neuen Simulator an einem LAT-Standort zu stationieren, ist ein Ankerkunde erforderlich, der den Simulator auch gut nutzt. Ein Simulator ist dann gut ausgelastet, wenn eine Fluggesellschaft 15 bis 20 Flugzeuge eines bestimmten Typs im Einsatz hat. Die Anschaffung neuer Simulatoren geht Hand in Hand mit der Auslieferung neuer Flugzeugtypen. In der Regel erfolgt die Bestellung eines neuen FFS etwa 18 Monate im Voraus.

Ein wesentlicher technischer Teil eines Simulators, das Datenpaket, stammt vom Flugzeughersteller. Dieses kommt von Airbus oder Boeing. Das ist eine große Investition, da diese Daten exklusiv sind. Ein moderner Simulator ist rund 6000 Stunden pro Jahr in Betrieb. Das bedeutet 20 Stunden pro Tag, bis zu fünf Trainingsschichten. Etwa zwei Drittel unserer gesamten FFS-Kapazität werden von den Fluggesellschaften der Lufthansa Group genutzt, der Rest von Drittkunden, also anderen Fluglinien.

Welche neuen Simulatoren werden Sie künftig anschaffen?

Die letzten Simulatoren-Erweiterungen hatten wir in Zürich mit einem A350-Simulator und dann in Wien mit einem Boeing-787-Gerät des Herstellers CAE. LAT wird eventuell einen weiteren Boeing-777-Simulator anschaffen, der hauptsächlich von AeroLogic oder Lufthansa Cargo genutzt werden soll. Dann haben wir noch Airbus A220, die die Lufthansa City Airlines erhalten wird. Und dann bekommt Eurowings die Boeing 737 MAX. Das wird dann auch wohl ein Thema für uns.

Welches sind die größten Herausforderungen für Lufthansa Aviation Training?

Für LAT ist es eine Herausforderung, mit dem Wachstum von Lufthansa und ihrem Flottenerneuerungsprogramm Schritt zu halten und die 18-Monats-Zyklen bei der Bestellung von FFS einzuhalten, um dem Trend voraus zu sein. Und ausreichend gut ausgebildete und erfahrene Mitarbeiter zu haben, ist eine anspruchsvolle Aufgabe.

Es bringt nichts, ein Simulatorzentrum auf der grünen Wiese zu bauen, wenn Sie dann nicht genügend Ingenieure oder Piloten für die Ausbildung haben. LAT beschäftigt derzeit rund 1000 Mitarbeiter.