Lufthansa: „Allegris ist ein großer Sprung nach vorn“

Lufthansa schickt mehr und mehr Langstreckenflugzeuge mit ihren neuen Allegris-Klassen auf die Reise. Wie die Sitze und das Drumherum bei den Passagieren ankommen, berichtet Heiko Reitz, CCO Lufthansa Airlines.
AERO: Sie haben mit Allegris ein Langstreckenprodukt auf den Markt gebracht, um sich im internationalen Wettbewerb besser positionieren zu können. Dabei dreht es sich vor allem um neue Sitze in allen Klassen. Geht die Strategie auf?
HEIKO REITZ: Seit Mai 2024 haben nun schon mehrere Hunderttausend Passagiere Allegris erleben können – zunächst in der Economy Class, der Premium Economy sowie in der Business Class und seit Dezember auch selektiv in der First Class. Ich kann sagen: Das Feedback unserer Gäste ist überwältigend positiv. Wir erreichen beispielsweise in der Business Class zu weit mehr als 90 Prozent einen hohen oder sehr hohen Zufriedenheitswert. Wir verzeichnen auch extrem gute Werte in der Economy sowie Premium Economy Class. Wir sind sehr glücklich darüber, wie gut Allegris bei unseren Gästen ankommt.
Und spüren Sie das auch an steigenden Buchungszahlen?
Wir haben Allegris unseren Gästen erst zum kommenden Sommerflugplan, der Ende März startet, fest versprochen. Wir setzen die entsprechend ausgestatteten Flugzeuge bislang zwar vorrangig auf bestimmten Verbindungen ein. Aber wir konnten es bislang eben nicht tagtäglich garantieren. Dafür war die Zahl der umgebauten oder mit Allegris ausgelieferten Flugzeuge zu gering. Erst für den kommenden Sommerflugplan haben wir ein fixes Allegris-Streckennetz veröffentlicht. Ab dem 30. März sitzen unsere Gäste auf Verbindungen von München nach San Francisco, Schanghai, Chicago, San Diego und Bengaluru in Allegris-Sitzen. Ab dem 15. April folgt München – New York-Newark und ab August durchgängig München – Charlotte.
Bislang hatte Lufthansa ein Produkt, das mit dem anderer Wettbewerber nicht unbedingt mithalten konnte. Wie wichtig sind die neuen Langstreckenkabinen, um Kunden nicht nur zufriedenzustellen, sondern auch zu binden?
Für Lufthansa ist Allegris ein richtig großer Sprung nach vorn. Außerdem wollten wir mit Allegris ein Reiseerlebnis schaffen, das Maßstäbe setzt. Deshalb haben wir bei der Konzeption stark auf das Thema Individualität gesetzt und kein Produkt von der Stange genommen. Allegris wurde in Zusammenarbeit mit unseren Kunden entwickelt. Sie haben uns gesagt, was ihnen besonders wichtig ist, und wir haben es umgesetzt. Herausgekommen sind beispielsweise in den Premiumklassen unterschiedliche Sitztypen. So können wir ganz unterschiedliche Bedürfnisse bedienen.
In der A350 steht dadurch aber generell weniger Sitzplatzkapazität als bislang zur Verfügung, insbesondere in der Business Class. Ist das einer Marktentwicklung geschuldet? Wird die Nachfrage geringer?
Es ist richtig, dass wir in den A350 mit Allegris-Produkt insgesamt weniger Sitze in der Business Class zur Verfügung stellen, doch dafür haben wir dort eine First Class eingebaut. Insgesamt fliegen schon neun A350-900 mit Allegris an Bord für Lufthansa, davon sieben mit der neuen First Class.
Ursprünglich sollten bereits viel mehr Flugzeuge mit Allegris fliegen. Wie sehr hinkt Lufthansa dem Zeitplan hinterher?
Eigentlich sollten inzwischen mehr als 40 Flugzeuge die neue Kabinenausstattung an Bord haben. Ursprünglich wollten wir Allegris sogar schon 2020 auf den Markt bringen. Doch dann kam Corona dazwischen, und mittlerweile leidet die Branche unter Lieferengpässen der unterschiedlichen Hersteller. Doch wir sind zuversichtlich, dass wir jetzt aufholen werden.
Sie arbeiten bei Allegris mit mehreren Sitzherstellern zusammen. Ist das Fluch oder Segen?
Wenn man ein solch umfangreiches Retrofitprogramm startet, und es ist schließlich die größte Kabinenmodernisierung in der Geschichte der Lufthansa, dann muss man auf viele Hersteller setzen. Deshalb war es richtig, diesen Weg zu wählen. Und wir sehen, dass wir in der Zusammenarbeit mit unseren Zulieferern sehr gut vorankommen.
Die Ausstattung der Boeing 787 mit der Allegris-Business-Class ist hingegen problematisch. Die Sitze sind von der US-Luftfahrtbehörde FAA noch nicht zertifiziert worden. Wie ist da der Stand der Dinge?
Das ist ein Prozess, der von Boeing und dem Sitzhersteller Collins gemeinsam mit der US-amerikanischen Luftfahrtbehörde FAA gemanagt wird. Diese drei sind da in der Verantwortung. Das geplante Testprogramm findet jetzt statt.
Wie sieht der Umrüstplan für die übrigen Teilflotten aus?
In wenigen Monaten werden wir die erste Boeing 747-8 aus dem Netz nehmen und in den Retrofit schicken. Alle 19 Jumbos dieses Typs werden Allegris bekommen. Bei den ersten 747-8 werden wir zunächst nur das Hauptdeck ausstatten – und zwar mit der Business Class, der Premium Economy und der Economy Class. In einem zweiten Schritt folgen im Upper Deck weitere Business-Class-Sitze und in der Flugzeugnase die First Class.
Für die A380 hat sich Lufthansa jedoch gegen Allegris und für ein Produkt von der Stange entschieden, …
… welches ein sehr hochwertiges ist. Ab nächstem Jahr erhalten unsere acht A380 Business-Class-Sitze von Thompson, die von den bereits für Lufthansa fliegenden Airbus A350 bekannt sein dürften.
Hat Lufthansa inzwischen entschieden, wie lange die A380-Flotte noch betrieben werden soll?
Wir sind derzeit sehr glücklich, dass wir die A380 haben. Und die Gäste lieben sie auch! Da kann man wirklich sagen, dass es einen A380-Effekt gibt. Unsere A380-Verbindungen sind sehr gut gebucht. Passagiere entscheiden sich bewusst für einen Flug mit der A380.