Vor 95 Jahren fand das First Women’s Transcontinental Air Derby statt. Es wurde als Puderquasten-Rennen verspottet, ging aber dennoch in die Luftfahrtgeschichte ein. Welche Anekdoten sind unvergessen?

Kein Mensch wäre jemals auf die Idee gekommen, einen flugsportlichen Wettbewerb, an dem nur Herren teilnehmen, „Rasierschaum-Rundflug“ zu nennen. Mit der Wortschöpfung „Puderquasten-Rennen“ für das First Women’s Transcontinental Air Derby, den ersten reinen Damen-Flugwettbewerb, der im August 1929 in den USA ausgetragen wurde, erwies sich der Urheber des Zitats jedoch als Kind seiner Zeit. Gemeint ist der seinerzeit sehr berühmte Entertainer Will Rogers.

Der Entertainer Will Rogers verhöhnte das First Women’s Transcontinental Air Derby, ausgetragen im August 1929, als Puderquasten-Rennen.

Denn in den frühen Tagen der Luftfahrt waren nicht wenige Herren der Meinung, dass Frauen in der Aviatik nichts verloren hätten. Umso erstaunter musste die Männerwelt im Laufe der ereignisreichen Tage zur Kenntnis nehmen, zu welchen Leistungen das vermeintlich zarte Geschlecht fähig war.

Wer ging beim ersten Puderquasten-Rennen an den Start?

Die Crème de la Crème der damaligen Pilotinnenszene war angetreten, um auf der mehr als 5000 Kilometer langen Strecke von Santa Monica in Kalifornien nach Cleveland in Ohio um die Wette zu fliegen. Die Strecke galt als ausgesprochen anspruchsvoll. Die Teilnehmerinnen mussten im Vorfeld einen Flugschein und mindestens 100 Stunden Flugerfahrung vorweisen.

Zumindest theoretisch. So honorige Pilotinnen wie die US-Amerikanerinnen Amelia Earhart, Blanche Noyes, Luise Thaden oder Ruth Elder trugen sich in die Starterinnenliste ein. Aber auch zwei Ausländerinnen: Jessie Keith-Miller aus Australien sowie das „Flying Fräulein“ aus Deutschland, die damals 30-jährige Essenerin Thea Rasche.

Als eine von zwei Ausländerinnen ging die Essenerin Thea Rasche in den USA an den Start. Foto: Wikimedia Commons Bild: Wikimedia Commons

Die verwegene Sportfliegerin suchte neue Herausforderungen – und fand sie jenseits des Atlantiks. Ihr von der Moth Aircraft Corporation zur Verfügung gestelltes Flugzeug war den Maschinen der Mitbewerberinnen, überwiegend Travel Airs, zwar hoffnungslos unterlegen, doch Thea überzeugte mit ihrem Orientierungssinn. „Zu spaßig hat es oft ausgesehen, wenn die großen und schnellen Maschinen mit ihren 200 PS sich an meine kleine Kiste hängten, wenn sie den Weg verloren hatten und nun im Zickzackflug und großen Bögen um meine Maschine herumkurvten, um mit mir Schritt halten zu können“, erinnerte sie sich später.

Puderquasten-Rennen: Welche Anekdoten sind unvergessen?

Von den 20 gemeldeten Frauen gingen 19 Frauen am frühen Nachmittag des 18. August an den Start. Mary Haizlips Flugzeug war beschädigt worden, und sie konnte erst mit einem Tag Verspätung abheben. Opal Kunz, deren Flugzeug 300 PS hatte, wurde im Vorfeld sogar disqualifiziert, weil die Maschine angeblich „zu schnell für eine Frau“ sei. Kunz, als Ehefrau des Vizepräsidenten von Tiffany & Co. glücklicherweise recht wohlhabend, suchte sich für 25.000 US-Dollar ein schwächeres Flugzeug und durfte schließlich doch starten.

Und selbst Phoebe Omlie war wieder rechtzeitig aus dem Gefängnis gekommen. Sie hatte ihr Flugzeug im Vorfeld des Rennens auf einem Feld in der Nähe des Flughafens von Santa Monica abgestellt und war vom Sheriff, der sie für eine Drogenschmugglerin hielt, prompt in den Knast gesteckt worden.

Die erste Etappe nach San Bernadino wurde absichtlich kurz gehalten, um der Presse genügend Zeit zum Staunen und für Interviews zu geben. Ein junger lokaler Pilot namens Howard Hughes wünschte derweil den teilnehmenden Damen alles Gute. Später erlangte der Exzentriker selbst Berühmtheit – unter anderem als zwischenzeitiger Mehrheitseigner der TWA, Liebhaber des Hollywoodstars Katherine Hepburn oder als Konstrukteur der Hughes H-14 „Hercules“.

Unter den Pilotinnen stach derweil Pancho Barnes hervor, die Reithosen, eine sportliche Baskenmütze und stets eine brennende Zigarre im Mundwinkel trug. Sie war die Frau eines Pastors, aber in einem Anfall von Langeweile suchte sie das Abenteuer.

Wer gewann das Puderquasten-Rennen?

Überschattet wurde der Wettbewerb, den schließlich Luise Thaden vor Blanche Noyes und Gladys O’Donnell gewann, von einem tödlichen Unfall. Die erfahrene Pilotin Marvel Crosson wurde in ihrem völlig zerstörten Flugzeug im Gila River Valley gefunden. Was für die damalige Presse leider Beweis genug schien, dass Frauen nicht fliegen können.

Tatsächlich bewiesen sich die Pilotinnen jedoch bei Wind und Wetter, reparierten ölverschmiert ihre oftmals recht unzuverlässigen Motoren, trotzten Krankheiten und männlichen Sabotageakten, betankten ihre Flugzeuge sogar in der Luft. Allen Damen gemein war, dass aus anfänglichen Kontrahentinnen Freundinnen wurden, die fortan gemeinsam für eine Sache kämpften.

„Ganz gleich, welches Kostüm sie auch trugen, alle waren tapfer, lustig und hilfsbereit gewesen. Das letzte Stückchen Eis und Proviant wurde geteilt, und der Kompasskurs mit seinen Missweisungen wurde denen verraten, die ihn nicht selbst errechnen konnten“, resümierte Rasche und beschwor die „ganz famose Kameradschaft, zu der uns der gemeinsame Kampf, die Unbill der Witterung und die Schwierigkeiten dieser langen Rennstrecke zusammengeschweißt hatten“.


Ninety Nines gründen sich

Kurze Zeit nach dem Rennen, im November 1929, gründeten die Pilotinnen eine eigene Pilotinnenorganisation, die Ninety Nines („Club der Neunundneunzig“). Dieser kämpfte für die Interessen von 99 jener 117 Flugzeugführerinnen mit Flugschein, die es zu diesem Zeitpunkt in den USA gab. Die erste Präsidentin war keine Geringere als Amelia Earhart. Heute vertritt die gemeinnützige Organisation lizensierte Pilotinnen aus 44 Ländern. Sie hat ihren Hauptsitz in Oklahoma City – am Will Rogers World Airport, wenn das keine Ironie des Schicksals ist. Dort befindet sich auch das 99er-Pilotinnenmuseum.