Die angehende Pilotin Larissa Richter erzählt im Interview von ihrem Kindheitstraum, den Herausforderungen der Ausbildung und ihrer Leidenschaft für die Luftfahrt, die sie trotz aller Hürden verfolgt.

Es gibt nur wenige Berufe, in denen der Frauenanteil geringer ist. Bei Verkehrsflugzeugführern ist das allerdings der Fall! Über die aktuelle Zahlen der zum Einsatz kommenden kommerziellen Piloten und Pilotinnen haben wir bereits in einem anderen Online-Artikel berichtet. Jetzt wollen wir drei Pilotinnen vorstellen, die ihren Weg ins Cockpit gefunden haben. Den Anfang machten Sophia Viktoria Preuß und Kristina Coleman. In diesem Interview geht es um Larissa Richter. Über ihren Kindheitstraum, Hürden und das Arbeiten in einer Männerdomäne sprach AERO INTERNATIONAL-Redakteurin Astrid Röben mit ihr.

AERO INTERNATIONAL: Wann wurde der Wunsch, Pilotin zu werden, konkret?

LARISSA RICHTER: Früh, bereits im Alter von etwa fünf, sechs Jahren. Meine Familie ist jedes Jahr in den Urlaub geflogen, und ich hatte glücklicherweise immer die Möglichkeit, nach der Landung bei den Piloten im Cockpit vorbeizuschauen. Oft habe ich die Cockpit-Crews vor den Flügen im Flughafen oder auch im Hotel gesehen und bemerkt, dass es immer nur Männer waren, mit denen wir geflogen sind. Deshalb stand es für mich relativ schnell fest, dass ich Pilotin werden möchte. Den ersten Schritt ins kleine Cockpit – und damit auch die frühestmögliche Chance, selbstständig fliegen zu können – habe ich dann mit 14 Jahren mit dem Segelfliegen gewagt. Damit habe ich dann aber nach einer Flugsaison wieder aufgehört, weil ich festgestellt habe, dass mir die Lizenz auf dem Weg ins Cockpit nicht weiterhilft. Mit 18 Jahren bin ich dann zum Fliegen in die USA gegangen, bis dort alles wegen Corona eingestellt wurde.

Wie reagiert Ihre Familie, wie reagieren Ihre Freunde auf das Vorhaben? 

Meine Familie hat mich von Anfang an unterstützt und mich in meinem Traum bestärkt. Diesen Weg hätte ich ohne familiäre Unterstützung unmöglich gehen können. Meine Freunde kennen mich seit jeher nur mit dem Wunsch, unbedingt später für eine Airline fliegen zu wollen.

Welche Hürden mussten beziehungsweise müssen Sie überwinden? 

Eine große Hürde zu Beginn der Ausbildung war die Finanzierung. Eine weitere kleinere ist für mich die Physis. Flugzeuge bekomme ich allein schwer aus dem Hangar, aber Bislang hat mir immer mein Fluglehrer geholfen.

Gibt es Momente, in denen Sie sich gegenüber Ihren Mitschülern im Nachteil oder auch im Vorteil sehen aufgrund der Tatsache, dass Sie eine Frau sind?

Ich habe immer gesagt bekommen, dass Frauen viel feinfühliger beim Fliegen sind, was ein Vorteil wäre. Zudem sehe ich immer wieder, dass sich die Männer selbst überschätzen. Ich bin eher zurückhaltend in Bezug auf meine Leistungen. Als Nachteil sehe ich, dass man teilweise mehr leisten muss, um dieselbe Anerkennung zu bekommen. So wird bei Männern vieles als selbstverständlich angesehen, für das ich mich als Frau erst einmal behaupten muss.

Haben Sie schon mal an Ihrer Berufswahl gezweifelt?  

Zu Beginn der ATPL-Theorie. Dort kam so viel an neuem Wissen in so kurzer Zeit auf mich zu, und das war durchaus überwältigend.

Wie wohl fühlen Sie sich in der Männerdomäne?

Ich wusste ja schon vorher, dass ich mich in eine Männerwelt stürze und man dort auch immer wieder damit rechnen muss, unangebrachte Sprüche zu hören oder in erstaunte Gesichter zu blicken, wenn man sagt, dass man Pilotin wird. Aber mit der Zeit lernt man, darüber hinwegzusehen und den richtigen Umgang damit zu finden. Oft habe ich schon gesagt bekommen, dass es nützlich wäre, wenn ich später als Fluglehrerin arbeiten würde, denn das könnte ja weitere zukünftige Flugschülerinnen anlocken. Es kam auch schon mal vor, dass ich Landungen auf einem Flugplatz geschenkt bekommen habe, einfach aufgrund der Tatsache, dass ich eine Frau bin.

Warum würden Sie interessierten, aber vielleicht noch zweifelnden Schulabgängerinnen empfehlen, ebenfalls Berufspilotin zu werden?

Weil die Ausbildung sehr vielfältig ist. Es geht nicht nur um Naturwissenschaften, sondern auch um die Leidenschaft für das Fliegen. Darum, die Möglichkeit zu haben, viele Menschen kennenzulernen, die dasselbe lieben, und mit ihnen zusammen zu arbeiten. Kein Tag gleicht dem anderen. Man kann nie wissen, was einen alles so erwartet. Der Beruf erfordert viel mehr, als nur den Autopiloten einzuschalten. Man lernt in kürzester Zeit eine Menge in vielen verschiedenen Fachgebieten – in Meteorologie, Navigation, aber auch in Sachen menschliches Leistungsvermögen oder im Bereich Technik, speziell die Bestandteile von Luftfahrzeugen. Zudem ist man nach dem erfolgreichen Abschluss der Ausbildung nicht darauf festgelegt, nur für große Airlines zu fliegen. Die Luftfahrt ist so vielfältig und groß. Man hat die Möglichkeit, für verschiedenste Firmen und Bereiche zu fliegen – ob Cargo, Air Ambulance oder auch auf dem Gebiet der General Navigation.

Mit welchen Angeboten und Maßnahmen könnten Airlines den Beruf noch attraktiver für Frauen machen?

Indem beispielsweise gezeigt wird, dass ein Familienleben trotz des Berufs durchaus möglich ist. Ich wurde oft gefragt, ob man später eine Familie gründen kann, wenn man die ganze Zeit unterwegs ist. Außerhalb der Luftfahrt herrscht noch ein großes Mysterium rund um Pilotinnen. Es sollten viel mehr Pilotinnen auch im Marketing gezeigt werden. Ich glaube, dass nach wie vor das Bild von männlichen Piloten verbreitet ist, während Frauen eher in der Rolle von Flight Attendants gesehen werden.

Wie soll es nach der Ausbildung weitergehen?

Ich habe kürzlich erst die ATPL-Theorie beendet und stecke jetzt mitten in der Lern- und Vorbereitungsphase für die Theorieprüfungen beim LBA. Nach der Ausbildung würde ich sehr gerne ins Cockpit einer Passagier-Airline steigen – hauptsächlich auch, um anderen jungen Mädchen zu zeigen, dass sie ebenfalls diesen Berufsweg einschlagen können und dass es jede Frau schaffen kann. Mein Traumjob wäre es, bei Condor oder auch Eurowings zu fliegen, dabei viele verschiedene Ziele anzufliegen und mit vielen verschiedenen Menschen in einem spannenden und abwechslungsreichen Umfeld zu arbeiten.