Die (vorerst) letzte ihrer Art: Vor 20 Jahren flog die Concorde das letzte Mal
Der in französisch-britischer Kooperation gebaute Überschalljet Concorde ist eine Ikone der Luftfahrtgeschichte. Vor 20 Jahren wurde das letzte Exemplar ausgemustert. Doch es gibt Pläne, wieder einen überschallschnellen Passagierjet zu bauen.
Sie ist elegant, schnell, einzigartig, sieht aus allen Perspektiven gut aus und begeisterte über fast drei Jahrzehnte im Liniendienst gleichermaßen Besatzungen wie Passagiere. Sie flog so hoch, dass die Erdkrümmung beim Blick aus dem Kabinenfenster zu erkennen war. Ihr Name sorgt bei Luftfahrtfans noch heute, genau zwei Jahrzehnte nach ihrer Ausmusterung für leuchtende Augen. Sie ist sich selbst genug und benötigt keine Typenbezeichnung. Sie ist: Concorde.
Concorde begeistert von Anfang an
Kaum hatten die ersten Passagierjets von 1958 an den Nordatlantik erobert, machten sich die damals führenden Nationen des Flugzeugbaus, Frankreich und Großbritannien in Westeuropa sowie die Supermächte UdSSR und USA, an die Verwirklichung des nächsten epochalen Schritts: den regulären Überschall-Luftverkehr. Die sechziger Jahre waren ein Jahrzehnt des technischen Fortschritts.
Die ersten Raumfahrer verließen den Orbit Richtung Mond und die Zivilluftfahrt startete mit der Boeing 747 ins Zeitalter gigantischer Großraumjets. Doch neben dem Massenluftverkehr widmeten sich die Konstrukteure einer noch viel größeren technischen Herausforderung: dem Bau von Passagiermaschinen, die schneller als der Schall fliegen sollten. Am 29. November 1962 unterzeichneten der britische Luftfahrtminister Julian Amery sowie der französische Botschafter in Großbritannien, Geoffroy de Courcel, den Vertrag zur gemeinsamen Entwicklung eines britisch-französischen Überschall-Verkehrsflugzeugs. Das Projekt Concorde, aus dem Französischen übersetzt „Eintracht“ oder „Einigkeit“ bedeutend, war damit offiziell aus der Taufe gehoben.
Gemeinschaftsprojekt mit zweifacher Schallgeschwindigkeit
Entgegen den Erwartungen seiner Initiatoren flog der gemeinsame Traum von Flugreisen mit zweifacher Schallgeschwindigkeit von Anbeginn durch schwere Turbulenzen. Alles andere als Einigkeit herrschte zwischen den Regierungen Frankreichs und Großbritanniens, die ihren Dissenz unverblümt in der Öffentlichkeit austrugen. Die britische Finanzkrise sowie die 68er-Studentenrevolte in Frankreich, die um ein Haar in einer Revolution mündete, waren weitere Faktoren die das Gemeinschaftsprojekt ins Trudeln brachten. Damit nicht genug wollte die 1964 gewählte britische Labour-Regierung anfangs sogar aus dem Projekt wieder aussteigen, bevor es so richtig startete.
Kooperation mit Concorde-Erstflug am 2. März 1969
Die britisch-französische „Entente Co(nco)rdiale“ beschränkte sich nicht auf die Flugzeugzelle und Systeme, die von der British Aircraft Corporation (BAC) mit einem Anteil von 40 Prozent auf britischer Seite, sowie Aerospatiale (60 Prozent) in Frankreich gebaut wurden. Eine ebensolche bilaterale Kooperation bestand zwischen Rolls-Royce (60 Prozent) sowie der französischen Snecma (40 Prozent) bei Entwicklung und Produktion des Olympus-593-Turbojet-Antriebs. Unter dem Strich wurden sämtliche Kosten für das Prestigeprojekt vom französischen und britischen Staat je zur Hälfte getragen. Der Roll-Out-Zeremonie des Prototyps 001 im französischen Toulouse am 13. Dezember 1967 folgten die Erstflüge in Toulouse am 2. März 1969 sowie im britischen Filton (Prototyp 002) am 9. April 1969.
Vielversprechende Zukunft der Concorde
Die kommerzielle Zukunft der Concorde schien zunächst vielversprechend, nachdem Pan American World Airways bereits am 4. Juni 1963 eine Kaufabsichtserklärung für sechs Concorde unterzeichnet hatte. Andere nordamerikanische Airlines, wie Air Canada, American Airlines, Braniff, Continental, Eastern, TWA und United folgten. Die libanesische Middle East Airlines, Iran Air, Air India, Sabena, Japan Air Lines und die australische Qantas planten ebenso einen Concorde-Flugdienst. Selbst die chinesische CAAC sowie die Lufthansa befanden sich unter den Erstkunden. Die deutsche Airline sicherte sich parallel dazu drei Exemplare der konkurrierenden Boeing 2707 in den USA.
Im Liniendienst bei Air France und British Airways
Am Ende blieb es jedoch bei den von Air France und BOAC bestellten Exemplaren. Letztere fusionierte im Jahr 1974 mit British European Airways (BEA) zur heutigen British Airways. Die Weigerung von Pan Am im Jahr 1973, ihre Optionen für sechs Concorde in eine feste Order zu verwandeln, löste eine Lawine von Abbestellungen aus. Schließlich galt die US-Airline zu jenem Zeitpunkt als renommierter Trendsetter der Branche.
Gründe waren die enorme Kostensteigerung bei Kerosin infolge der damaligen Ölkrise, das Verbot von Überschallflügen über Land und die bis 1976 geltenden Einflugverbote in den USA. Nachdem auch der letzte Interessent einen Rückzieher machte, blieben einzig die beiden staatlichen Fluglinien Frankreichs und Großbritanniens dem Projekt aus nationaler Verbundenheit treu. Insgesamt wurden 20 Concorde produziert, von denen British Airways und Air France im Laufe der Jahre je sieben Exemplare im Überschall-Linienverkehr einsetzten.
Jungfernflug nach Washington
Am 24. Mai 1976, ein paar Monate vor dem regulären Liniendienst, hoben je eine Concorde von Air France und British Airways in Paris und London zum Jungfernflug in die US-Haupstadt Washington D. C. ab. Das Überschallzeitalter des zivilen Luftverkehrs über den Nordatlantik hatte begonnen.
Tausende Amerikaner hatten sich in Vorfreude auf dieses historische Ereignis rund um den Dulles Airport vor den Toren der US-Hauptstadt mit bester Sicht auf die Landebahn positioniert. In den kommenden Jahren folgten mit Mexiko, New York, Rio de Janeiro, Dakar, Bahrain und Singapur weitere Destinationen. Letztere wurde in Kooperation mit Singapore Airlines geflogen, wovon eine kombinierte Lackierung in den Farben von British Airways und Singapore Airlines zeugte.
Enttäuschende Reisezahlen bei US-Fluglinie Braniff
Die USA erlebten eine kleine Supersonic-Renaissance, als die US-Fluglinie Braniff von Januar 1979 bis Juni 1980 inneramerikanische Concorde-Flüge zwischen Washington D. C. und ihrem Hub am Flughafen Dallas/Fort Worth im US-Bundesstaat Texas anbot. Zum Einsatz kamen sowohl Maschinen der Air France als auch jene der British Airways. Für jeden einzelnen Flug über US-Territorium erwarb Braniff pro forma das eingesetzte Flugzeug, das für diese Zeit eine US-amerikanische N-Registrierung erhielt.
Auch die Cockpit- und Kabinen-Besatzungen wurden für die exklusiv durch den US-amerikanischen Luftraum führende Route von Braniff gestellt. Über Land wurde allerdings nicht überschallschnell geflogen. Zur Enttäuschung der innovativen Airline blieb die Nachfrage hinter den Erwartungen weit zurück. Und dies, obwohl die Fluglinie keinen Aufschlag auf den regulären First- Class-Tarif für einen Flug mit der Concorde verlangte. So blieb Braniff nichts anderes übrig, als dieses Experiment aus wirtschaftlichen Gründen nach anderthalb Jahren wieder einzustellen.
Tragischer Unfall beendet Concorde-Zeitalter
Der Concorde-Einsatz war immer wieder von kleineren Zwischenfällen begleitet, die jedoch alle glimpflich verliefen. Doch dann kam der 25. Juli 2000, der sich als tragischer Tag in die Erinnerung an dieses Flugzeugmuster einbrannte: Beim Start vom Flughafen Paris-Charles de Gaulle verunglückte eine Concorde der Air France, weil Reifenteile einen Tank aufrissen. Alle 100 Passagiere, neun Besatzungsmitglieder sowie vier Personen am Boden verloren bei dieser Tragödie ihr Leben.
Wenige Wochen später wurde dem Flugzeugmuster die Zulassung entzogen und erst nach umfangreichen Modifikationen im September 2001 neu erteilt. Nachdem Air France ihre letzte Concorde bereits im Mai 2003 ausmusterte, ging am 24. Oktober 2003 das Concorde-Kapitel im Linienflugverkehr auch bei British Airways zu Ende. Die endgültig letzte Landung erfolgte am 26. November jenes Jahres in Filton, wo einst alles in Großbritannien begann.
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