CT-Technologie für die Luftsicherheit
Seit einigen Jahren in der Praxis getestet, kommt CT-Technologie jetzt offiziell bei der Handgepäckkontrolle an Flughäfen zum Einsatz. Sie ermöglicht eine beschleunigte Kontrolle und eine präzisere Erkennung von Gefahrenquellen.
Wer sich schon einmal einer eingehenden Untersuchung seiner inneren Organe im Krankenhaus unterziehen musste, kennt sie wahrscheinlich: die großen Röhren der Computertomographen – kurz CT-Scanner. Während die Magnetresonanztomographie (MRT) anhand von Magnetfeldern und Radiowellen Schichtaufnahmen des Körpers produziert, kommen bei der Computertomographie Röntgenstrahlen zum Einsatz, mit denen präzise, dreidimensionale Schnittbilder des Körpers angefertigt werden.
Die Computertomographie ist somit eines der wichtigsten bildgebenden Verfahren zur schnellen und zuverlässigen Diagnostik geworden – zum Beispiel bei inneren Verletzungen.
Zuverlässigkeit von CT-Scannern festgestellt
Neben der medizinischen Anwendung liefen seit 2017 in den USA und vom folgenden Jahr an auch in Deutschland Versuche, um diese Technologie künftig für eine gründlichere und schnellere Handgepäckkontrolle an Flughäfen zu nutzen. Im September 2022 stellte die für nationale Luftsicherheitskontrollen verantwortliche Bundespolizei die Zuverlässigkeit der CT-Technologie fest, was den Weg zu deren schrittweisen Einführung an deutschen Airports ebnet. Den Anfang macht der Frankfurter Flughafen, an dem bereits seit Jahresanfang sechs Spuren der Passagierkontrolle mit CT-Scannern des Herstellers Smiths Detection arbeiten. Ein weiteres Gerät der Firma Leidos wird im Rahmen eines laut Fraport weltweit erstmalig eingesetzten Spurkonzepts namens „MX2“ der niederländischen Firma Vanderlande verwendet.
AERO INTERNATIONAL sprach mit Hans Joachim Schöpe, Senior Programme Manager – Aviation Checkpoints der deutschen Niederlassung von Smiths Detection, über die Besonderheiten dieser neuen, einen noch höheren Sicherheitsstandard im Luftverkehr versprechenden Technologie.
CT-Scanner machen detaillierte Aufnahmen möglich – doch wie genau?
Er erläutert, dass bislang an Flughäfen meist Geräte zum Einsatz gelangen, die auf einer Single- oder Multi-View-Technologie basieren. Sie haben Röntgenquellen und Detektoren an festen Positionen und erzeugen damit ein oder mehrere Röntgenbilder des durchleuchteten Gepäckstücks. Im Gegensatz dazu verfügt ein Computertomograph über eine Röntgenquelle, die auf einem rotierenden System montiert ist. Sie dreht sich mit hoher Geschwindigkeit rund um das Gepäckstück und nimmt dabei mehrere hundert zweidimensionale Bilder pro Sekunde aus nahezu jedem Blickwinkel auf.
Aus dieser Masse an Bildern konstruiert der CT-Computer ein dreidimensionales Bild. Im Vergleich zu den bislang eingesetzten Geräten sind so viel detailliertere Aufnahmen möglich, die eine präzisere Analyse der Gegenstände im Gepäckstück und eine verbesserte Sprengstoffdetektion bieten. Die Bediener an den Konsolen haben zudem die Möglichkeit, das Bild eines Gepäckstücks in alle Richtungen zu drehen, und so von allen Seiten auf den Inhalt zu schauen. Der Computertomograph bestimmt zum einen die Dichte von Materialien, und kann zum anderen gleichzeitig das so genannte „Zeff“ eines Stoffes bestimmen. Dabei handelt es sich um eine Definition aus der Kernphysik. Die Bestimmung dieser beiden Materialkenngrößen ermöglicht laut Schöpe „eine hohe Detektionsleistung bei gleichzeitig niedriger Fehlalarmrate“, wenn es um die Erkennung gefährlicher Stoffe geht.
Sicherheitskontrollen für Passagiere werden beschleunigt
Aus Passagiersicht ist der größte Vorteil dieser Geräte aber ein anderer: Der in Frankfurt eingesetzte Smiths Detection HI-SCAN 6040 CTiX ist, so erklärt Schöpe, „in der EU als Sprengstoffdetektionsgerät für Handgepäck gemäß dem Standard EDS CB C3 zugelassen, welcher es Passagieren erlaubt, Laptops und Elektrogeräte sowie Flüssigkeiten im Gepäck zu lassen.“ Mit anderen Worten: Computer und Flüssigkeiten müssen nicht ausgepackt und separat aufs Band gelegt werden.
Dies beschleunigt den Kontrollvorgang in der Handgepäckkontrolle, die Passagiere gewinnen wertvolle Zeit. Zudem werden dadurch die Warteschlangen vor der Kontrollspur verkürzt. Diese Zulassung kommentiert Matt Clark, Vice President Technology & Product Development bei Smiths Detection: „Als einzige Technologie, die den Standard EDS CB C3 und möglicherweise zukünftig C4 erfüllt, ist die Computer-Tomographie zweifellos der Weg in die Zukunft für Sicherheitskontrollen.“
Auch die Zahl der für den Kontrollvorgang benötigten Gepäckwannen reduziert sich dramatisch, da für das ungeöffnete Handgepäck nur eine Wanne benötigt wird – und nicht für Laptops, Handys oder Flüssigkeiten noch weitere. Schöpe: „Durch die verringerte Anzahl der zu kontrollierenden Gegenstände pro Passagier kann die Kapazität dank der CT-Technologie pro Kontrollspur um bis zu 100 Prozent gesteigert werden.“
Geht von den CT-Scannern eine Strahlendosis aus?
Zwei Fragen drängen sich bei dieser neuen Anwendung der Computertomographen auf: Warum werden keine Kontrastmittel zur Bilddarstellung benötigt wie in der medizinischen Anwendung, und wie hoch ist die Strahlenbelastung für das Bedienpersonal und unter Umständen auch für Reisende?
Hans Joachim Schöpe erläutert, dass eine medizinische Untersuchung meist nur für bestimmte Regionen des Körpers durchgeführt wird und in der Regel zwischen drei und zehn Minuten dauert. In der Sicherheitskontrolle wird grundsätzlich jedes Objekt komplett durchleuchtet, was je nach dessen Größe wenige Sekunden dauert. In der Medizintechnik werden die 3D-Bilder zudem mit sehr hoher Auflösung aufgenommen, um feinste Strukturen sichtbar machen zu können. In der Sicherheitskontrolle ist die Auflösung hingegen niedriger. „Kontrastmittel werden in der Medizintechnik eingesetzt, um Gewebe, die ansonsten die gleiche Absorption hätten, besser unterscheiden zu können. Stärker durchblutetes Entzündungs- und Tumorgewebe oder minderdurchblutetes Gewebe ist durch die Applikation von Kontrastmitteln gegenüber dem Normalgewebe besser zu differenzieren.“
In der Sicherheitstechnik kann natürlich kein Kontrastmittel eingesetzt werden. Wenn zwei Materialien die gleiche Strahlenabsorption aufweisen und sie der eines Sprengstoffs entspricht, werden beide Materialien so klassifiziert und entsprechend behandelt.
Was die Strahlenbelastung angeht, so verweist Schöpe darauf, dass die CT-Geräte in der Sicherheitskontrolle wie alle Röntgengeräte den gesetzlichen Vorgaben zur maximalen Außendosis unterliegen. Dies werde durch entsprechende Abschirmmaßnahmen wie dem Einsatz von Blei oder bleihaltigen Vorhängen am Ein- und Ausgang des Gerätes sichergestellt. Die eingesetzten Röntgengeräte müssen vor Inbetriebnahme von einem Sachverständigen abgenommen werden.
HI-SCAN 6040 CTiX immer öfter auf dem Markt vertreten
Neben Smiths Detection stellen die Firmen Rapiscan, Leidos, Nuctech, IDSS sowie Analogic technologisch vergleichbare CT-Scanner für die Passagierkontrolle her. Analogic schloss bereits 2017 mit American Airlines eine Kooperation, um die damals beim Checkpoint Screening neue Technologie an Flughäfen rund um den Globus einzuführen. Im Jahr darauf schlossen die Partner mit der für Sicherheitskontrollen an US-amerikanischen Flughäfen verantwortlichen Transportation Security Administration (TSA) eine Vereinbarung für Praxistests an einem Checkpoint im Terminal 4 des Phoenix Sky Harbor Airport. Im Jahr darauf folgte ein weiteres Abkommen für den Security Checkpoint im Terminal 8 des New York John F. Kennedy Airport.
Schöpe erläutert, dass das HI-SCAN 6040 CTiX bislang mehr als 750mal verkauft wurde. Größter Einzelkunde ist die US-amerikanische TSA. Der CTiX-Scanner von Smiths Detection ist dort an mehr als 100 Flughäfen im Einsatz. Weitere Installationen befinden sich in Großbritannien, Italien, Australien und einigen asiatischen Staaten. „Darüber hinaus werden noch an vielen großen europäischen Flughäfen Tests durchgeführt, die noch nicht abgeschlossen sind“, so der Manager, ohne weitere Details nennen zu wollen. Dass die Computertomographen ungeachtet ihrer unbestreitbaren Vorteile gegenüber den zweidimensional darstellenden Vorgängerversionen erst nach rund fünf Jahren und somit relativ spät in den Alltagsbetrieb überführt worden sind, liegt an dem beträchtlichen Technologiesprung, den sie für die Handgepäckskontrolle an den Airports bedeuten.
Aufgrund dessen musste die neue Technologie erst in ausführlichen Tests erprobt werden. Darüber hinaus galt es, das Bedienpersonal auch vorab mit den neuen Geräten und den sich dadurch bietenden Möglichkeiten intensiv vertraut zu machen.
Anschaffungskosten weit unter denen der Medizin
Zudem waren die ersten Computertomographen für die Handgepäckkontrolle deutlich größer, schwerer und viel langsamer als die jetzt im täglichen Einsatz befindlichen Anlagen. Damit kamen sie für den praktischen Einsatz nicht in Frage. Erst die Verfügbarkeit von modernen Grafikkarten mit hoher Rechenleistung machte es möglich, die dreidimensionalen Bilder schnell genug zu rekonstruieren und das Gepäck am Bildschirm zu untersuchen.
Schließlich sind die modernen Geräte auf Grund ihrer kompakten Bauweise auch in bestehende Kontrollstellen zu integrieren, was die hohen Aufrüstungskosten und Umbauzeiten der Handgepäck-Kontrollstellen für die Flughäfen reduziert.
Dennoch liegen die Anschaffungskosten der für die Handgepäckkontrollen genutzten CT-Scanner weit unter jenen der vergleichbaren medizinischen Geräte. Der Grund dafür ist deren wesentlich höhere Bildauflösung, die für medizinische Diagnosen benötigt wird. Dies erfordert mehr und kleinere Detektoren sowie eine erhöhte Rechenleistung der teureren Geräte.