Überraschend machte ATR einen Rückzug und wird die geplante ATR 42-600S für extrem kurze Pisten nicht weiter entwickeln.

Sie wurde beim Programmstart vor fünf Jahren als Zukunftsprojekt des Regionalflugzeugherstellers ATR gefeiert. Doch nun hat ATR die Entwicklung der für extrem kurze Pisten geplanten ATR 42-600S überraschend eingestellt.

In einer Presserklärung schreibt ATR zu den Gründen: „Nach einer umfassenden Marktüberprüfung und angesichts der anhaltenden Spannungen in der Lieferkette hat ATR beschlossen, seine Bemühungen auf die weitere Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit seines aktuellen Produktportfolios zu konzentrieren. Infolgedessen wird ATR die Entwicklung seiner STOL-Variante (Short Take-Off and Landing), der ATR 42-600S, einstellen. Dies spiegelt das Engagement des Unternehmens wider, seine Aktivitäten an die sich entwickelnde Marktdynamik anzupassen.“

Das Ende des STOL-Projekts

Air Tahiti war auf der Paris Air Show 2019 Erstkundin für das Zukunftsprojekt ATR 42-600S. Das „S“ steht dabei für  STOL (Short Take-Off and Landing) – kurze Start- und Landestrecken.
Die ATR 42-600S, so in einem Statement aus dem Oktober 2022, solle den Zugang zu Zielen mit kurzen Start- und Landebahnen, wie Maupiti, mit 100 Prozent der Nutzlast ermöglichen.

ATR Vorstandsvorsitzende Nathalie Tarnaud Laude jubelte damals: „Wir bei ATR investieren in Technologien, die regionale Mobilität zu erschwinglichen Preisen ermöglichen und gleichzeitig den Zielen der Nachhaltigkeit gerecht werden – und die ATR 42-600S ist ein klares Beispiel für diesen Ansatz.“

Als Manate Vivish, General Manager von Air Tahiti, am 14. Oktober 2022 den finalen Kaufvertrag über zwei ATR 42-600S unterzeichnete, war er noch hoffnungsvoll auch kleine Airports im Streckennetz der Airline mit ATR 42 bedienen zu können Bild: ATR

 

Sämtliche Pisten verlängert?

Weltweit gäbe es, so ATR im Jahr 2022, mehr als 1.000 Flughäfen mit Start- und Landebahnen zwischen 800 und 1.000 Metern Länge, die die ATR 42-600S mit voller Nutzlast anfliegen könne. Der Hersteller begann zu Beginn jenes Jahres mit ersten Testflügen und die ersten Auslieferungen waren ursprünglich noch für dieses Jahr geplant.

Doch nun folgte das Aus für die ATR 42-600S – da anscheinend jene Pisten, für die dieses Muster konzipiert war, ausgebaut wurden. Bleibt die Frage offen, ob das ATR-Management von Anbeginn den Bedarf zu hoch einschätzte. Oder ob tatsächlich die von potentiellen Kunden der ATR 42-600S angeflogenen Runways verlängert wurden, wie von ATR als Teilbegründung für das Programmende angeführt wird.