Aeroitalia ist zwar erst seit einem Jahr im Geschäft, hat aber schon einige Höhen und noch mehr Tiefen durchflogen. Nun kann sie durchaus erste Erfolge vorweisen – unter anderem schwarze Zahlen.

German Efromovich als Tausendsassa zu bezeichnen, ist nicht übertrieben. Nicht allein, dass der gebürtige Bolivianer die brasilianische, kolumbianische und polnische Staatsbürgerschaft besitzt. Bevor er seine milliardenschweren Luftfahrtkonzerne – darunter die südamerikanische Avianca Holding oder die Synergy Group – aufbauen konnte, hatte er Maschinenbau studiert, zudem erfolgreich Enzyklopädien oder Bohrinseln an den Mann beziehungsweise die Frau gebracht und eine brasilianische Privatschule sein Eigen genannt.

Aeroitalia: Bilanz kann sich sehen lassen

Immer wieder sich bietende Chancen zu ergreifen, ohne vor den Herausforderungen zurückzuschrecken, scheint offenbar Bestandteil seiner DNA zu sein. Vor etwas mehr als einem Jahr brachte der heute 73-Jährige auf Initiative von Francesco Gaetano Intrieri und mithilfe des französischen Investors Marc Bourgade die Farben der italienischen Flagge zurück an den Himmel – mit einem aviatischen Start-up namens Aeroitalia.

Der Newcomer, der seit dem 22. April 2022 im Besitz seines Luftverkehrsbetreiberzeugnisses (Air Operator Certificate, kurz: AOC) ist, hat sich zum Ziel gesetzt, ein nationales, internationales und in Zukunft auch interkontinentales Netz aufzubauen. Und die Bilanz des in Rom ansässigen Unternehmens kann sich trotz aller Unwägbarkeiten durchaus sehen lassen: So wurden das erste Geschäftsjahr mit einem Umsatz von rund 25 Millionen Euro sowie einem Gewinn von 200.000 Euro abgeschlossen; etwa 800.000 Passagiere flogen mit der Airline.

Aeroitalia: Forli im Fokus

Am 19. April 2022 kam die Boeing 737-800 mit der Kennung 9H-CRI in Forli an, dem Flughafen in der Emilia-Romagna, der für die Startphase ausgewählt worden war. Schon eine Woche später nahm Aeroitalia Verbindungen im Auftrag anderer Fluggesellschaften auf, darunter für die kroatische Trade Air. Die erste kommerzielle Verbindung führte am 3. Mai 2022 als Charterflug von Bologna nach Valencia. Und der Linienbetrieb folgte am 9. Juli mit Flügen von Forli nach Brindisi.

Im ersten Flugplan tauchten die Ziele Catania, Lamezia Terme, Olbia, Neapel, Malta, Zakynthos, Lampedusa und Alghero auf. Um die Zeit bis zur Ankunft der zweiten Boeing 737-800 zu überbrücken, die am 24. Juli 2022 zur Flotte stieß, setzte Aeroitalia eine A320 von Malta MedAir ein, die in den Farben von MedSky Airlines unterwegs war.

Der Erstflug von Rom-Fiumicino nach Bergamo wurde im Norden Italiens standesgemäß mit einer feuchten Salve der Flughafenfeuerwehr begrüßt. Bild: Marco Minari

Aeroitalia: Norditalienische Basis in Bergamo

Die dritte Boeing 737-800, seit dem 11. August 2022 in der Flotte, ermöglichte es Aeroitalia, auf zwei Standbeine zu setzen: Linienflüge ab Forli und Bedarfsflüge. Fluggesellschaften wie Transavia, Neos, AlbaStar, SmartLynx, Air Moldova und TUI Airlines Nederland zählten schnell zu den Kunden des Branchenneulings. Aeroitalia flog Ägypten wie Spitzbergen an, nahm Kurs auf Spanien und Aserbaidschan. Auch für den deutschen Reiseveranstalter TUI Cruises standen die Boeing 737-800 ab mehreren Flughäfen in Deutschland nach Palma de Mallorca und Malta im Einsatz. Aeroitalia führte außerdem eine Reihe von Ad-hoc-Flügen durch, flog beispielsweise Anfang September Hochzeitsgäste von Stockholm nach Grosseto in der Toskana.

Im Verlauf des vergangenen Herbsts folgte der Aufbau einer Basis im norditalienischen Bergamo. Die Verbindung nach Rom-Fiumicino wurde anfangs mit jeweils drei Hin- und Rückflügen wochentags sowie jeweils einer Frequenz samstags und sonntags aufgenommen. Denn die hochfrequent bediente Strecke in die italienische Hauptstadt spielte in den Plänen der Fluggesellschaft eine wichtige Rolle. Zum einen richtete sich das Angebot an Geschäftsreisende aus der wirtschaftsstarken Region Mailand und den lombardischen Provinzen Bergamo, Brescia und Cremona. Flexibilität bei den Tickets, Parkplätze für Vielflieger oder Fast Tracks bei der Sicherheitskontrolle zählten zum Angebot. Doch das Management hatte noch Höheres im Sinn: Zubringerdienste für die bereits geplanten eigenen Interkontinentalflüge.

Das stilisierte A ziert sowohl das Leitwerk als auch die Winglets.

Slots für 40 Ziele beantragt

So nahm Aeroitalia am 1. Dezember außerdem Flüge von Bergamo nach London-Heathrow auf, die bis zu fünfmal pro Woche (Montag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag, Sonntag) bedient werden sollten. Diese Verbindung verschwand dann jedoch unmittelbar nach dem Ende der Weihnachtsferien aus dem Flugplan. Überhaupt wurde zu Beginn dieses Jahres das geplante Streckennetz von und nach Bergamo drastisch zusammengestrichen und die Eröffnung neuer Strecken auf den Sommer verschoben.

Das Top-Management von Aeroitalia erklärte zwar nach wie vor, dass „wir von Bergamo aus Best-in-Class-Ziele auswählen werden“, also Primärflughäfen, die für Geschäftsreisende stets die erste Wahl seien, aber auch Drehkreuze wie Paris-Charles de Gaulle oder Amsterdam. Aeroitalia habe bereits Slots für 40 Destinationen beantragt und beabsichtige, eine Million Passagiere im Jahr 2023 transportieren und mehr als 150 neue Arbeitsplätze schaffen zu wollen. Stattdessen aber zogen es die Verantwortlichen vor, das Geschäftsmodell zu überarbeiten und den wirtschaftlichen Erfordernissen anzupassen.

Aeroitalia möchte die italienischen Farben irgendwann einmal auch zu anderen Konti- nenten tragen. Bild: Marco Minari

In diesem Sommer bedient Aeroitalia elf Ziele ab Bergamo, davon befinden sich vier in Griechenland. Die Verbindung nach Rom hat am 15. Mai die Südtiroler SkyAlps übernommen – und zwar dreimal täglich mit einer 78-sitzigen Q400, die besser zu der auf der Strecke verzeichneten Auslastung passt.

Sardinien finanziell vielversprechend für Aeroitalia

Aeroitalias Augenmerk galt anfangs darüber hinaus Trapani, einem Flughafen im Westen Siziliens, wo eine langfristig von der rumänischen Air Connect geleaste ATR 72-600 stationiert worden war. Mit dem 68-Sitzer nahm die Airline ab Anfang November 2022 Kurs auf drei Ziele, darunter Catania im Osten der Insel, eine nie zuvor bediente Verbindung. Allerdings: Auch hier wurde das Streckennetz innerhalb weniger Wochen auf den Kopf gestellt, indem die Verbindungen und der Basisstatus des Flughafens aufgehoben und die ATR zunächst nach Florenz und später nach Bergamo verlegt wurde.

Auch wurde das Glück in Florenz gesucht. Für den Flughafen mit seiner bekanntermaßen sehr kurzen Start- und Landebahn hatte Aeroitalia eine Boeing 737-700 aus der Flotte der rumänischen HelloJets gemietet. Wichtige nationale und internationale Ziele wie London-Heathrow und Bukarest standen im Angebot, doch die Strecken wurden dann nur über die Weihnachtszeit bedient. Das geplante Sommernetz sollte 15 Strecken umfassen, darunter sieben Städte in Süditalien, Destinationen in Griechenland, dazu die Ziele Ibiza, Bukarest, London und Prag. Inzwischen hat sich Aeroitalia jedoch aus Florenz komplett zurückgezogen.

Die Piloten des Erstflugs von Rom-Fiumicino nach Bergamo an ihrem Arbeitsplatz (links). Bild: Marco Minari

Finanziell vielversprechender erscheint dagegen das Sardinien-Engagement. Aeroitalia hatte dank der Teilnahme an einer Ausschreibung der Region den Zuschlag für die subventionierten Verbindungen von Olbia nach Rom (bis zum 27. Oktober, zwei Flüge pro Tag) und Mailand-Linate (ebenfalls bis zum 27. Oktober, zwei bis vier Flüge pro Tag) sowie zwischen Alghero und Rom erhalten. Zusätzlich beschloss Aeroitalia, die Flüge Olbia – Perugia und Verona – Alghero einzuführen.

Ebenso risikoarm klang das Projekt „Go To Fly“. Diese vom Flughafen Forli gegründete virtuelle Fluggesellschaft arbeitete mit Aeroitalia als Airline-Partnerin zusammen. Zehn inneritalienische Strecken und darüber hinaus Verbindungen nach Lourdes, Oradea, Zakynthos, Kefalonia, Dubrovnik, Zadar und Mostar standen zunächst im Angebot.

Partner von Atalanta Bergamo

Zum Einsatz sollten von HelloJets geleaste Boeing 737-700 und ATR 72-600 von Air Connect kommen. Allerdings: Der Flughafen Forli beendete die Kooperation abrupt am 26. Juni.

Auf eigene Rechnung ist Aeroitalia ab Catania nach Bergamo und Forli, von Palermo nach Bergamo und Rom, sowie auf den Strecken Trapani – Forli und Lampedusa – Bergamo unterwegs. Außerdem hat der Carrier am 1. Juni Flüge von Rom-Fiumicino nach Bacau und Bukarest aufgenommen. Am 15. Mai übernahm Aeroitalia zusätzlich noch Verbindungen von Comiso nach Rom, Bergamo, Bologna und Forli, die zuvor Ryanair im Angebot hatte. Seit dem 8. Juli steht Comiso – Bukarest im Flugplan.

Aeroitalia beschäftigt momentan rund 200 Mitarbeitende, wird aber mit der Einflottung weiterer Flugzeuge zusätzlich Personal benötigen. Bild: Marco Minari

Und Linie ist nach wie vor nicht alles: Wenn es der Flugplan zulässt, führt Aeroitalia auch Charterflüge durch, vor allem im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen. Zwei Boeing 737-800 pendelten Ende vergangenen Jahres zweimal zwischen Paris und Doha zum Finale der Fußballweltmeisterschaft in Katar. Ein Zwischenstopp zum Auftanken wurde in Catania eingelegt. Aktuell ist Aeroitalia Partnerin des italienischen Serie-A-Fußballclubs Atalanta Bergamo und agiert als offizielle Fluggesellschaft für Auswärtsflüge. Dass der Carrier außerdem auch bei Rückführungsflügen, insbesondere nach Tunesien, aktiv ist, muss in diesem Zusammenhang ebenfalls erwähnt werden.

Welches Flugzeug für die Langstrecke?

Kurzfristiges Ziel von Aeroitalia ist es, mit eigenen Flugzeugen und denen von Partnerunternehmen ein Streckennetz aufzubauen, in dem 2024 garantiert mehr als vier Millionen Passagiere befördert werden können. Für die im Geschäftsplan vorgesehenen Langstreckenziele liegen inzwischen Anfragen vor, die von der Fluggesellschaft genauestens geprüft werden. Die Flüge sollen starten, sobald die allgemeine Situation wieder die Buchungszahlen aus Vor-Pandemie-Jahren garantiert.

Aeroitalia möchte bei Langstreckenflügen auf Boeing 787 setzen, weiß allerdings um die Lieferzeiträume. Deshalb arbeitet der Carrier an einer Überbrückungslösung, um mindestens eine Maschine zu finden, mit der der Langstrecken-Flugbetrieb aufgenommen werden kann. Im Hinterkopf hat das Management um CEO Francesco Gaetano Intrieri Charterflüge nach Kuba, auf die Malediven und nach Kenia. Großes Interesse besteht auch an den nord- und südamerikanischen Märkten. Den aktuell nicht-geschäftsführenden Präsidenten der Aeroitalia Germán Efromovich wird es freuen. Im Januar konnte eine Vereinbarung mit World Ticket unterzeichnet werden, von der sich Aeroitalia die Stärkung der Marke auf den internationalen Märkten verspricht.

Die Boeings, die Aeroitalia einsetzt, flogen zum Teil bereits für die italienische Blue Panorama Airlines, die ihren Betrieb 2021 einstellen musste. Bild: Marco Minari

Flottenausbau erstmal ausgesetzt

Allein in diesem Sommer kann Aeroitalia auf eine Handvoll Boeing 737-800 zurück- greifen, die fünfte Maschine mit der Kennung 9H-FSJ wurde Anfang Juni in Dienst gestellt. Die Flugzeuge sind allesamt mit 189 Economy-Class-Sitzen ausgestattet. Auf Linienflügen wird eine kostenlose Bordverpflegung angeboten. Drei der 737-800 kommen auf den subventionierten sardischen Verbindungen zum Einsatz. Die ATR 72-600 von Air Connect, die noch in der vergangenen Wintersaison für Air Serbia flog, ist momentan in Forli stationiert, die Q400 von SkyAlps in Bergamo und die Boeing 737-700 von Hello-Jets in Comiso.

Der mehrfach angekündigte Ausbau der Flotte – eine weitere 737-800 und drei 737 MAX 8 sollen zwischen Ende dieses Jahres und 2024 von der Air Lease Corporation kommen – liegt momentan allerdings auf Eis. Aktueller denn je ist dagegen das Engagement in Sachen Klimaschutz. Aeroitalia ist beispielsweise der „Green Great Wall“ beigetreten, einem Projekt, das darauf abzielt, das Leben südlich der Sahara in der Sahelzone durch die Schaffung von Grünflächen zu verbessern.

Text: Marco Minari