Elbe Flugzeugwerke: Expansionspläne für Frachterkonversion
Das Joint Venture von ST Engineering in Singapur und Airbus hat sich mit neun Standorten weltweit zu einem globalen Umrüster von Passagier-Airbussen zu Frachtern entwickelt. Zu Besuch bei Elbe Flugzeugwerke.
Denkt man in Deutschland an den Bau von Düsenverkehrsflugzeugen, kommt einem zwangsläufig das Airbus-Werk in Hamburg-Finkenwerder in den Sinn. Dabei rollte der erste deutsche Jetliner des Typs 152 bereits am 30. April 1958 aus einer an der Elbe gelegenen Werkshalle – nicht in Hamburg, sondern in Dresden. Seit 32 Jahren engagiert sich Airbus an diesem traditionsreichen Standort des deutschen Flugzeugbaus. In Sachsen sowie an anderen Standorten weltweit beschäftigen die Elbe Flugzeugwerke (EFW) etwa 2000 Mitarbeiter, die 2022 einen Umsatz von 400 Millionen Euro generiert haben.
Elbe Flugzeugwerke: Firmensitz mit Historie ist in Dresden
Im November 1989 unterzeichneten der VEB Flugzeugwerft Dresden und die Deutsche Airbus GmbH in Hamburg – die heutige Airbus Operations GmbH – eine Absichtserklärung mit dem Ziel, den Luftfahrtstandort Dresden zu sichern. Der Grundstein der heutigen Elbe Flugzeugwerke wurde schließlich am 26. Juni 1991 mit der Umbenennung der ehemaligen Projektgesellschaft und der Umwandlung in ein operativ tätiges Unternehmen gelegt.
Vom Jahr 2000 an war die ehemalige EADS (heute Airbus) alleinige Eigentümerin der EFW. Das änderte sich erst im März 2013, als ST Engineering mit Sitz in Singapur als Gesellschafterin einstieg – zunächst mit 35 Prozent, seit Januar 2016 als Mehrheitseigentümerin mit 55 Prozent. Die übrigen 45 Prozent der Firmenanteile hält Airbus.
Elbe Flugzeugwerke bekannt für Umrüstungen von Passagiermaschinen zu Frachtern
Bekannt ist Elbe Flugzeugwerke vor allem für ihre seit 1996 in Dresden stattfindenden Umrüstungen von gebrauchten Airbus-Passagiermaschinen zu Frachtern. Zunächst waren das Maschinen der Muster A300B4 und A310. Darauf aufbauend bietet EFW auch Wartung für Passagier- und Frachtflugzeuge an. Spezialisiert auf Airbus-Flugzeuge, reicht das Spektrum von der A320-Familie über Großraumflugzeuge A300/310 sowie A330/A340 bis hin zur A380. Neben umfangreichen Wartungspaketen für die Airbus-Produkte führt EFW sowohl Strukturmodifikationen und -reparaturen als auch Kabinen-, Cockpit- und Avionikmodifikationen durch.
Aufsehen erregte ein Großauftrag von Qantas im Jahr 2021 für ein Upgrade ihrer A380, der die australische Megaliner-Flotte an die Elbe brachte. Das Arbeitspaket umfasste einen Umbau des Oberdecks und die Modifikation des Hauptdecks von vier Flugzeugen. Insgesamt wurden bisher über 50 A380 gewartet, inklusive der Qantas A380. Zudem gilt Elbe Flugzeugwerke als Spezialist für militärische Modifikationen des Airbus A310 und ist ein zugelassener Reparaturbetrieb für Air- bus-Flugzeugkomponenten.
Schussfeste Cockpittüren und Innenaustattung am Standort Kodersdorf
Weniger bekannt ist jedoch, dass bereits seit 1993 an diesem Standort Leichtbaukomponenten für die Innenausstattung von fabrikneuen Airbussen produziert werden. So verkündet EFW stolz, dass bei jedem Flug mit einem Airbus die Passagiere auf einem Fußboden aus Dresden laufen. Aber auch schussfeste Cockpittüren und weitere Kabinenbauteile, wie Kabinentrennelemente, aus CFK gefertigte Seitenverkleidungen und
Gepäckfächer, gehören zum Sortiment des in Dresden und am nahen Standort Kodersdorf hergestellten Portfolios. Leichtbauteile made by EFW finden sich zudem an Bord von Kreuzfahrtschiffen sowie in Eisen- und Strassenbahnwaggons wieder – überall dort, wo es auf leichte, aber sehr stabile Materialstrukturen ankommt.
Passenger to Freighter: Produktionsstätte liefert neuartige Lösungen.
In einer der großen Fertigungshallen stehen direkt neben den P2F-Flugzeugen, abgetrennt durch Zaun und Sichtschutz, NH90-Transporthubschrauber der Bundeswehr. Sie werden hier im Auftrag von Airbus Helicopters Deutschland meist im Rahmen von Routinechecks instandgehalten. Das von EFW in Kooperation mit ST Engineering und Airbus angebotene „Passenger to Freighter“-Programm (abgekürzt P2F) umfasst mittlerweile ganze Flugzeugfamilien, die aus den Großraumjets A330-300P2F und A330-200P2F sowie den Schmalrumpfmaschinen A321P2F und A320P2F besteht. Damit deckt das Angebotsportfolio einen Nutzlastbereich von 21 Tonnen in der A320P2F bis maximal 62 Tonnen bei der A330-300P2F ab.
Elbe Flugzeugwerke-Geschäftsführer Jordi Boto weist darauf hin, dass die der Herstellung fabrikneuer Maschinen entlehnte „Flow-Line“-Fertigungslinie in Dresden die weltweit einzige ihrer Art für Frachterumrüstungen ist. Boto betont zudem, dass die Airbus-Jets als weltweit einzige angebotenen Konversionsfrachter dank Cockpit-Kommunalität und Fly-by-Wire-Technolgie nach nur kurzer Umschulungszeit von Besatzungen aus dem Passagierbereich geflogen werden können. Um den wachsenden Bedarf an Frach- terumrüstungen abzudecken, haben ST Engineering und EFW in Kooperation mit Partnern ein globales Netzwerk von neun Umrüststandorten geschaffen.
Neben den beiden Firmensitzen in Dresden, wo A330 in fünf Linien zu A330P2F konvertiert werden, sowie Singapur, Auslieferungszentrum für A330P2F und A321P2F, sind dies in Nordamerika drei Fertigungslinien in San Antonio (A321P2F), zwei Linien für die A330P2F in Mobile, sowie in China drei Linien in Guangzhou (A321P2F/A320P2F), eine Linie in Chengdu (A330P2F), zwei Linien in Shanghai für die A330P2F sowie eine Linie in Tianjin/ Haite (A321P2F).
Erste P2F-Umrüstung der A330
Im Rahmen einer Partnerschaft mit Turkish Technic wird die erste P2F-Umrüstung einer A330 in Istanbul im Herbst begonnen. Shanghai, Guangzhou und Mobile sind hingegen Joint Ventures mit der Muttergesellschaft ST Engineering. Seit dem Start des P2F-Programms konnte EFW rund 40 Kunden für eine Umrüstung ihrer Airbusse gewinnen. Darunter sind Expressfrachtgesellschaften wie DHL, ATSG oder Amazon, aber auch traditionelle Anbieter wie Lufthansa Cargo oder Qantas Freight – und vor allem auch Leasingfirmen. Als Zusatznutzen können die Auftraggeber während der Liegezeit des standardisierten P2F-Programms fällige MRO-Dienste von EFW in Anspruch nehmen. So können die Jets ohne weitere Ausfallzeiten sofort wieder in den kommerziellen Flugverkehr zurückkehren.
Kosteneffizienz als zentrales Argument für die P2F-Lösung bei A320-Familie
Jordi Boto schließt nicht aus, dass eines Tages auch A321 in Dresden umgerüstet werden könnten. Die Herausforderung liege jedoch darin, geeignetes Personal dafür zu finden. Aktuell sucht Elbe Flugzeugwerke 300 zusätzliche Mitarbeiter, um die Produktion in zwei Jahren auf jährlich 14 Flugzeuge in Dresden hochfahren zu können. Für ausgeschlossen hält Boto hingegen die Umrüstung von Airbus A380 oder A340 zu Frachtern. Die Ära der vierstrahligen Cargojets gehöre endgültig der Vergangenheit an.