Krach am Boden gegen Lärm von oben

Frankfurt am Main Der Protest gegen den Ausbau des Frankfurter Flughafens ist stärker denn je. Zehntausende ziehen auf die Straße, in den Flughafen, vor Politiker-Häuser und machen ihrem Unmut lautstark Luft. Den Lärm der Düsenjets hat die neue Landebahn am Frankfurter Flughafen in der Region neu verteilt – und gleichzeitig den Protestlärm am Boden gewaltig […]
Frankfurt am Main
Der Protest gegen den Ausbau des Frankfurter Flughafens ist stärker denn je. Zehntausende ziehen auf die Straße, in den Flughafen, vor Politiker-Häuser und machen ihrem Unmut lautstark Luft.
Den Lärm der Düsenjets hat die neue Landebahn am Frankfurter Flughafen in der Region neu verteilt – und gleichzeitig den Protestlärm am Boden gewaltig anschwellen lassen. Wohl niemand hatte mit einer derartig hartnäckigen Anti-Lärm-Bewegung gerechnet, zumal es in der Summe noch gar nicht lauter geworden sein kann. Die Zahl der Starts und Landungen ist nach Angaben des Flughafenbetreibers Fraport innerhalb eines Jahres sogar zurückgegangen, in den ersten fünf Monaten dieses Jahres gab es 1,2 Prozent weniger Flugbewegungen als ein Jahr zuvor. Die Zahl sank von fast 198 000 auf 195 647.
Aber seit Eröffnung der neuen Landebahn im vergangenen Oktober und einer damit verbundenen Änderung der Flugrouten liegen Orte in der Einflugschneise, in denen es sonst relativ ruhig war. Getroffen hat es unter anderem ein Villenviertel im Frankfurter Süden, in dem die Grundstückspreise abstürzen, weil dort keiner mehr wohnen will. Kirchengemeinden beschweren sich, weil Ansprachen bei Beerdigungen nicht mehr zu verstehen seien. Nach Schätzungen der Bürgerinitiativen sind 200 000 Menschen von gesundheitsschädlichem Fluglärm betroffen.
Am Sonntag veranstalteten die Fluglärmgegner in Frankfurt den nächsten Protest. Tausende von ihnen kamen am südlichen Mainufer zusammen und bildeten eine Menschenkette. Die Veranstalter sprachen von etwa 8000 Teilnehmern, die Polizei von rund 4000. Die Aktion stand unter dem Motto «Hand in Hand für unsere Zukunft».
Die Montags-Demos im Flughafenterminal ziehen regelmäßig mehr als 1000 Teilnehmer aus der ganzen Region an. In der zentralen Abflughalle veranstalten sie einen Höllenkrach mit Tröten, Trillerpfeifen und allem, was sich sonst zum Lärmen eignet. Nach einer Stunde ist der Spuk vorbei, und die Demonstranten ziehen friedlich wieder ab. So geht das seit vergangenem November, bis Ende des Jahres sind Demos angemeldet. Von Fraport dazu kein Kommentar – die Aktionen sind nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts rechtens.
Auch anderswo wird demonstriert: Im benachbarten Mainz in Rheinland-Pfalz protestierten am vergangenen Wochenende 10 000 Menschen; Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die im Oktober als erste auf der neuen Bahn gelandet war, hörte die Tröten der Lärmgegner bei der Verabschiedung von Frankfurts Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) am 11. Juni draußen vor der Paulskirche. Johannes Faupel, Betroffener aus Frankfurt, beschallt seit Wochen Privathäuser mit Live-Lärm vom Flughafen. Hessens Ex-Ministerpräsident Roland Koch, Fraport-Chef Stefan Schulte und die scheidende Oberbürgermeisterin Roth bekamen die Lärmvorstellung schon ab.
Die höchstrichterliche Bestätigung für das seit Herbst geltende Nachtflugverbot zwischen 23.00 Uhr und 5.00 Uhr ist den Bürgerinitiativen zwar eine Genugtuung, aber es reicht ihnen nicht: Absolute Ruhe müsse zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr herrschen, die Landebahn müsse geschlossen und ein Ausbaustopp verhängt werden, fordern sie. Ingrid Kopp, Sprecherin des Bündnisses aus über 60 Initiativen rund um den Flughafen, fordert mindestens eine Deckelung der Flugbewegungen auf das aktuelle Niveau – mehr sei einfach nicht zu ertragen und würde die Menschen aus ihrer Heimat vertreiben.
Passiven Lärmschutz wie Schallschutzfenster lehnen die Bürgerinitiativen grundsätzlich ab: «Das nützt im Sommer gar nichts», sagt Kopp. Der Fluglärm mache einen Aufenthalt im Freien unmöglich. Eine Mitwirkung am «Gesetz zur Einrichtung eines Regionalfonds im Rahmen der Allianz für Fluglärmschutz» komme deshalb nicht infrage.
Wer in der Einflugschneise wohnt und wegziehen will, kann sein Haus an Fraport verkaufen. 100 Millionen Euro umfasst das «Casa»-Programm. Bisher seien 81 Objekte angekauft worden, für weitere 236 seien Anträge eingegangen, berichtet Fraport.
Widerstand gegen Fluglärm gibt es auch in anderen Regionen Deutschlands. So lehnten die Münchner gerade bei einem Bürgerbescheid den Bau einer dritten Startbahn für ihren Großflughafen ab. Die bayerische Staatsregierung will dennoch an den Planungen festhalten.
Quelle: Sabine Ränsch, dpa