Flughafen München: „Gute Zahlen sorgen für gute Stimmung“
Im Gespräch mit Redakteurin Astrid Röben blickt Jost Lammers, Vorsitzender der Flughafen München GmbH, auf den 20. Geburtstag des Terminals 2 sowie die sommerliche Hauptreisezeit zurück und gewährt Einblick in die kurz- und mittelfristigen Planungen am Standort.
AERO INTERNATIONAL: Herr Lammers, im Juni wurde Ihr Vertrag vorzeitig verlängert. Freuen Sie sich darauf, nach der Corona-Krise nun endlich Zukunft gestalten zu können?
JOST LAMMERS: Darauf freue ich mich sogar sehr! Die Krise hat immerhin zweieinhalb Jahre gedauert. Niemand wusste, ob und wie sehr die Pandemie das Reisen auch dauer- haft verändern wird, ob wir beispielsweise größere Terminals benötigen, um gesetzlich verlangte Mindestabstände einhalten zu können. Ich bin sehr glücklich, dass wir in der Luftfahrt jetzt endlich wieder nach vorn schauen können.
Flughafen München: Erholung im Luftverkehr
2019 wurden 47,9 Millionen Passagiere und rund 430.000 Starts und Landungen bilanziert. Wie lautet Ihre Prognose für das Gesamtjahr 2023?
Nun, der Winter liegt ja noch vor uns, doch ich denke, dass wir uns gegenüber 2022 deutlich verbessern werden – sowohl, was die Passagierzahlen angeht als auch bei der Zahl der Flugbewegungen. Wir rechnen gegenüber 2022 mit einer zweistelligen Wachstumsrate und zwischen 37 bis 38 Millionen Fluggästen insgesamt. Bei den Flugbewegungen erwarten wir einen Sprung über die 300.000er-Marke. Wir spüren deutlich die Erholung im Luftverkehr. Gerade in der Hauptreisezeit im Sommer konnten wir unglaublich hohe Ladefaktoren feststellen – durchschnittlich lagen die Werte im hohen 80er-Prozent-Bereich. Bei den Passagierzahlen sehen wir uns aktuell wieder bei etwa 85 Prozent des 2019er-Niveaus. Und gute Zahlen sorgen für eine gute Stimmung.
Wie lief der Sommer operationell?
Rückblickend tatsächlich insgesamt stabil. Die Menschen wollen wieder reisen. Das kündigte sich bereits Ostern beziehungsweise Pfingsten an. Im Juni stand das deutschlandweite, zweiwöchige NATO-Großmanöver Air Defender auf dem Programm. Im Vorfeld hat uns das einige Sorgen bereitet. Doch die Kollegen von der DFS Deutsche Flugsicherung haben ganz hervorragende Arbeit geleistet. Der Start in die bayerischen Sommerferien Ende Juli erfolgte dann durchaus entspannt, grundsätzlich lief das System stabil. Doch der steigende Verkehr stellte dann doch eine Herausforderung dar. In Bayern mussten wir zudem ab Mitte August mit einigen Extremwetterlagen, Gewittern, klarkommen, die zum zwischenzeitigen Abfertigungsstopp führten. Grundsätzlich beobachten wir, dass diese extremen Wetterereignisse zunehmen. Deshalb stellen wir uns die Frage, wie wir unsere Operation in den kommenden Jahrzehnten besser darauf vorbereiten können.
Flughafen München: verstärkte Rekrutierung von Mitarbeitern
Ist die allgemein festzustellende Personalnot auch am Flughafen München ein Problem?
Tatsächlich tut sich der gesamte Luftverkehr schwer damit, nach der Corona-Pandemie wieder genügend Personal zu rekrutieren. Uns ist es in den vergangenen Monaten immer besser gelungen, weil wir schon im Anschluss an den Sommerflugplan 2022 verstärkt in die Rekrutierung eingestiegen sind. Wir haben seitdem mehr als 400 Beschäftigte eingestellt und suchen intensiv weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In die Karten spielt auch uns, dass das gesamte System – Airport, Airlines, Dienstleister – die Jobs attraktiver gemacht hat, beispielsweise durch Tariflohnsteigerungen im zweistelligen Prozentbereich. Dazu kommen Inflationsausgleichsprämien und diverse Sonderleistungen. Mit anderen Worten: Am Geld sollte es nicht scheitern. Für uns ist es weiterhin wichtig, wie in den vergangenen Monaten Mitarbeiter anzuwerben – und das europaweit.
ACI World bezweifelt, dass Flughäfen in Zukunft noch ausreichend Mitarbeiter bekommen werden, und fordert den massiven Ausbau der Digitalisierung im Bereich der Abfertigung. Sehen Sie das ähnlich?
Unsere Meinung ist, dass die Digitalisierung parallel zur Rekrutierung vorangetrieben werden muss. Neue IT-Systeme einzuführen, braucht Zeit. Wir haben die Zahl der Self-Check-in-beziehungsweise Gepäckaufgabe-Automaten bereits massiv erhöht. In Zukunft werden zudem auch selbstfahrende Fluggastbrücken ein wichtiges Thema für uns werden.
Joint Venture als Erfolgsmodell
Erst kürzlich stand der 20. Geburtstag des Terminals 2 auf dem Programm …
Was wir mit zahlreichen Gästen gefeiert haben. Terminal 2 wird nach wie vor architektonisch wie technologisch höchsten Ansprüchen gerecht. Es wurde hervorragend instandgehalten, es ist unverändert großzügig gestaltet, die Helligkeit sorgt für eine sehr angenehme Atmosphäre, und die Passagiere schätzen die hohe Aufenthaltsqualität. Aber natürlich müssen wir mehr und mehr investieren, um den hohen Standard zu halten. Insgesamt fließt sicherlich jedes Jahr ein zweistelliger Millionenbetrag in den Erhalt und in die Pflege der beiden Gebäude.
Betrieben wird T2 von einem Joint Venture der FMG und der Lufthansa. Würden sie dieses Modell weiterempfehlen?
Das Joint Venture ist eines unser Erfolgsgeheimnisse. Es bietet uns hohe langfristige Planungssicherheit. Unser Airlinepartner investiert hohe Summen in den Standort – in hier stationierte Flugzeuge, in den Netzausbau, in die Bodenprodukte und, und, und. Die Lufthansa steht für Verlässlichkeit. Wir schätzen die Partnerschaft sehr und möchten sie weiterentwickeln. Doch neben Terminal 2 als Drehkreuz der Lufthansa und der Star Alliance haben wir ja auch noch Terminal 1 und somit eine zweite Welt im Angebotsportfolio. Eine gute Adresse für den Punkt-zu-Punktverkehr, die Ferienflüge und Low-Cost-Airlines, für Verbindungen in die Drehkreuze anderer Carrier außerhalb der Star Alliance. Dort bauen wir gerade einen Flugsteig für einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag, um den Flughafen bedarfsgerecht entwickeln zu können. Ende 2022 wurde der Rohbau abgeschlossen, jetzt läuft der Innenausbau. Es war zweifellos die richtige Entscheidung, trotz der Corona-Pandemie weiterzubauen. Der neue Flugsteig wird ein tolles Produkt werden.
Wie stark ausgelastet ist aktuell das T2?
Im vergangenen Jahr haben wir dort knapp 24 Millionen Passagiere abgefertigt. Zum Vergleich: 2019 waren’s 34,6 Millionen Fluggäste. In diesem Jahr gehen wir von etwa 30 Millionen Flugreisenden aus. Das sind dann nur noch zehn Prozent bis zum Vorkrisenniveau und ein deutlicher Sprung gegenüber 2022. Das Drehkreuz wächst also schneller als der Standort insgesamt.
China wichtiger Markt für bayerische Wirtschaft
Die jährlichen Kapazitäten des T2 liegen weitaus höher. Ist der geplante T-Stiel am Satelliten derzeit noch ein Thema?
Durchaus, sogar ein wichtiges! Denn wir sehen den Bedarf. Die Planungen für den Flugsteig, den wir insbesondere für den in München prosperierenden Nordamerikaverkehr aber auch andere Märkte benötigten, hatten wir während der Pandemie auf Eis gelegt. Wir haben uns jetzt aber entschieden, wieder aktiv zu werden und den Bau des T-Stiels zügig voranzutreiben. Ende der 2020er-Jahre, Anfang der 2030er werden wir diese zusätzlichen Fingerpositionen zur Ab- fertigung benötigen.
Wie sehr spürt München die Erholung des chinesischen Langstreckenverkehrs?
Seit Anfang September stehen wieder 17 Flüge pro Woche nach China im Angebot. Lufthansa fliegt täglich nach Schanghai und dreimal pro Woche nach Peking. Air China fliegt täglich die chinesische Hauptstadt an. Derzeit wird Hongkong noch nicht bedient. Doch Lufthansa hat entsprechende Flüge bereits für den Sommerflugplan 2024 an- gekündigt. Im Sommer kommenden Jahres werden wir ein paar Langstreckenrekorde brechen: Alleine Lufthansa wird erstmals mit 36 stationierten Langstreckenflugzeugen in München vertreten sein und die Anzahl von derzeit rund 150 wöchentlichen Interkontinentalflügen auf den Rekordwert von annähernd 190 Flügen steigern. Nordamerika bleibt für uns der stärkste Interkontmarkt. 2022 wurden auf den Nonstop-Verbindungen 8,4 Millionen Passagiere gezählt. China bleibt ein wichtiger Markt, insbesondere für die bayerische Wirtschaft. 2019 zählten wir 650.000 Passagiere, da wollen wir wieder hin und in Zukunft auch wachsen. Chinesische Fluggäste sind sehr gute Kunden für unser kommerzielles Angebot am Flughafen.
Was bringt der Winterflugplan?
Mitte November kommt Beond mit Flügen auf die Malediven, ein sehr spannendes reines Business-Class-Produkt. Geplant ist eine ganzjährige Bedienung. Lufthansa hat mit Bangalore eine sehr interessante Verbindung aufgelegt – sowohl für unsere Wirtschaft als auch für Freizeitreisende. Indien ist ebenfalls ein spannender Markt. Der Kranich setzt außerdem die A380 nach Bangkok und Los Angeles ein. Im Kontbereich freue ich mich über Edinburgh und Glasgow. Uzbekistan Airways wird zweimal die Woche Taschkent – München bedienen. Etihad stockt die Abu-Dhabi Verbindung auf zehn Frequenzen pro Woche auf. Das sind alles sehr positive Entwicklungen für München.