BER – zu teuer und zu klein
Berlin, 30. Juni 2014 Es gibt diesen Aussichtsturm am neuen Hauptstadtflughafen. Gruppen erklimmen regelmäßig die 38 Meter hohe Plattform und viele sind verblüfft: über die Ruhe. Der Blick schweift über leere Straßen und Parkhäuser vor einer leeren Startbahn, über die allenfalls mal ein Bus mit Besuchern fährt. Am Ende der Piste liegt die neue Feuerwache […]
Berlin, 30. Juni 2014
Es gibt diesen Aussichtsturm am neuen Hauptstadtflughafen. Gruppen erklimmen regelmäßig die 38 Meter hohe Plattform und viele sind verblüfft: über die Ruhe. Der Blick schweift über leere Straßen und Parkhäuser vor einer leeren Startbahn, über die allenfalls mal ein Bus mit Besuchern fährt. Am Ende der Piste liegt die neue Feuerwache West, ein grauer Würfelbau. Dort, abgeschirmt im Sicherheitsbereich des Flughafens, hat sich heute der Aufsichtsrat verschanzt. Die Politiker brüten über Tabellen mit Zahlen, die nicht geeignet sind, ihre Beliebtheit beim Wahlvolk zu erhöhen.
Die Kosten für den neuen Hauptstadtflughafen werden auf weit über fünf Milliarden Euro steigen, wenn nicht heute, dann beim nächsten Mal – so viel scheint klar. Das hat mit Pfusch am Bau zu tun, mit Planungsfehlern und mit Missmanagement. Zum Teil aber auch damit, dass der für 27 Millionen Passagiere im Jahr ausgelegte Terminal heute eineinhalb mal so groß ist wie beim ersten Spatenstich geplant.
Das Problem ist: Wenn der Flughafen 2016 oder 2017 in Betrieb geht, wird er vielleicht trotzdem zu klein sein. Denn wie andere Metropolen lockt Berlin immer mehr Touristen, außerdem zunehmend Kongressbesucher und Geschäftsreisende. Berlins Wirtschaft ist in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich gewachsen.
Flughafen-Chef Hartmut Mehdorn hat eine Lösung, aber sie wird nicht billig. Der Manager glaubt, dass die Passagierzahlen weiter wachsen. Letztes Jahr waren es in Tegel und am alten Flughafen Schönefeld gut 26 Millionen, 2020 könnten es demnach schon 35 Millionen sein.
Wer sich auf dem Aussichtsturm vom Neubau wegdreht und nach Norden schaut, erblickt Mehdorns Lösung direkt nebenan: den früheren DDR-Zentralflughafen in Schönefeld. Das Terminal ist äußerlich eine Mischung aus Bürokomplex und Nachkriegs-Bahnhofshalle. Eigentlich sollte Schönefeld-Alt schließen, wenn der neue Airport fertig ist.
Mehdorn will ihn nun weiterbetreiben, um so bis zu 12 Millionen Passagiere zusätzlich befördern zu können. Es kursiert schon die Zahl von 200 Millionen Euro für die Sanierung des alten Terminals, dabei hat der Aufsichtsrat nicht mal die Planung bewilligt.
Laut „Tagesspiegel“ fordert Mehdorn insgesamt 779 Millionen Euro für die Erweiterung, was die Gesamtkosten auf über sechs Milliarden steigen lassen würde. Bestätigt ist die Summe jedoch noch nicht, genehmigt auch nicht. Denn vor allem die Vertreter Brandenburgs im Aufsichtsrat treten auf die Bremse – sie müssen im September eine Landtagswahl überstehen. Mit noch mehr Geld für den Flughafen lässt sich da nicht punkten.
Auf dem Aussichtsturm des neuen Flughafens steht eine Webcam, damit auch Luftfahrtfreunde in Australien oder Brasilien sehen können, was sich am drittgrößten deutschen Airport tut. Sie sendet 360-Grad-Fotos im Stundentakt. Lässt man sie ablaufen wie ein Daumenkino, ändert sich nichts. Abgesehen vom Licht, dem Lauf der Sonne und dem Wolkenzug.
Denn die Arbeit an dem fast fertigen Flughafen spielt sich im Verborgenen ab, und das schon seit zwei Jahren. Ingenieure feilen an Plänen, nach denen die Komponenten der Brandschutzanlage endlich richtig zusammenarbeiten sollen. Arbeiter krabbeln durch Deckenhohlräume, ziehen Kabel heraus und neue hinein. Wenn nebenan, von Schönefeld-Alt gerade keine Maschine abhebt, kann man auf dem Aussichtsturm sogar die Vögel zwitschern hören.
Burkhard Fraune, dpa