Müllproblem auf den Meeren erschwert Flugzeugsuche
Perth, 2. April 2014 Jedes Jahr landen Millionen Tonnen Müll im Meer – und treiben sogar in so entlegene Regionen wie den Indischen Ozean, wo Flug MH370 abstürzte. Der Abfall bereitet längst nicht nur bei der Suche nach dem Flugzeugwrack Probleme. Wenn die MH370-Suchmannschaften von ihren Flugzeugen aus angestrengt ins Wasser schauen, sehen sie immer […]
Perth, 2. April 2014
Jedes Jahr landen Millionen Tonnen Müll im Meer – und treiben sogar in so entlegene Regionen wie den Indischen Ozean, wo Flug MH370 abstürzte. Der Abfall bereitet längst nicht nur bei der Suche nach dem Flugzeugwrack Probleme.
Wenn die MH370-Suchmannschaften von ihren Flugzeugen aus angestrengt ins Wasser schauen, sehen sie immer wieder etwas im Meer treiben: ein orangefarbenes Objekt, Bojen, ein rechteckiges blaues Teil, einen zackigen rostbraunen Gegenstand, Taue. Nichts davon ließ sich bislang als Wrackteil des verschwundenen Flugzeuges der Malaysia Airlines identifizieren.
Alles, was die Besatzungen der ebenfalls mitsuchenden Schiffe aus dem Indischen Ozean zogen, war schlicht und einfach Müll. Dabei stören die Abfälle, die auch in schwimmenden Inseln aus Fischernetzen, Plastikteilen und Holz herumtreiben, nicht nur die Suche nach dem Flugzeug. Sie stellen auch eine riesige Gefahr für die Tierwelt dar.
„Viele Meeresschildkröten wie etwa die Lederschildkröte ernähren sich gezielt von Quallen. Wenn sie kleine Plastiktüten treiben sehen, wie diejenigen, die wir beim Obstkauf verwenden, dann verschlucken sie das vermeintliche Futter. Daran gehen sie zugrunde“, erklärt Stephan Lutter, Meeresschutzexperte beim World Wide Fund For Nature (WWF).
Acht Millionen Müll-Teile landen täglich in den Weltmeeren, schätzt der WWF: Kanister, PET-Flaschen, Zahnbürsten, Einmalrasierer – drei Viertel davon sind Plastik. Das braucht im Wasser Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte, bis es zersetzt ist.
„Ich habe sogar schon einen ganzen Kühlschrank im Meer treiben sehen“, sagt Britta Denise Hardesty, Ökologin der australischen Forschungsbehörde CSIRO. Viel Abfall jedoch werde etwa durch Wellen oder Strömungen schnell in immer kleinere Stücke zerlegt. „Vor der Westküste Australiens, wo das Flugzeug abgestürzt sein soll, treiben 5000 bis 30 000 winzige Müll-Teilchen in einem Kubikkilometer Wasser“, sagt sie.
Vögel wie Albatrosse hielten die Plastikteile für Futter und verschluckten sie. „In ihren Mägen haben wir schon ganze Leuchtstäbe gefunden, wie sie Angler verwenden, auch Ballone, Schleifen, Feueranzünder oder Flaschenverschlüsse“, sagt Hardesty. „Die Vögel verhungern mit vollem Magen.“ Auch Fischernetze, die über Bord geworfen wurden oder verloren gingen, stellten ein Problem für Delfine oder Robben dar. „Wir nennen sie Geisternetze.“
Mittlerweile ist kein Teil der Weltmeere mehr frei von Plastik, wie Thilo Maack betont, Biodiversitätsaktivist von Greenpeace. „Ich habe schon Bilder von einem weißen Gartenstuhl gesehen, der im Schlamm in 9000 Meter Tiefe stand.“ Die großen Strömungen sorgten dafür, dass eine Plastikflasche, die vielleicht an der Ostküste Afrikas ins Meer geschmissen wurde, in Indonesien an den Strand gespült werde.
Das Schwemmgut bildet in allen Weltmeeren auch riesige Müllstrudel. Der bekannteste ist der „Great Pacific Garbage Patch“ im Nordpazifik, der die Größe von Zentraleuropa hat. „Dort war ich Tauchen und sah im Gegenlicht, wie sich die Sonne überall in den winzigen, einen halben Millimeter großen Plastikteilchen bricht“, erzählt Maack. Die Teile sind so klein wie Makroplankton – und werden etwa von Walen mitgefressen.
Es gibt auch Medienberichte von Geisterschiffen oder ganzen Häusern, die zum Beispiel durch den Tsunami in Japan auf den Weltmeeren herumschwimmen. Daneben verlieren ab und an Containerschiffe ihre Ladung. Der wohl berühmteste Verlust ist ein Container voller gelber Quietsche-Enten, die noch Jahre später an Küsten von Pazifik und Atlantik trieben.
„Schiffcontainer sind eine große Sorge für uns. Aber die meisten sind entweder leicht zu sehen oder sinken“, erklären Jon und Sue Hacking per Email. Sie fahren mit ihrer Yacht „Ocelot“ seit 2001 um die Welt und sind gerade in Malaysia. Eine größere Sorge für ihren Katamaran seien aufgegebene Fischer-Stege in Südostasien oder treibende Baumstämme. Hinzu kämen Plastikflaschen, Styropor sowie Kunststoffseile und -netze. „Wenn wir segeln, sehen wir normalerweise jeden Tag irgendwelche Verschmutzung.“
Der Hamburger Sönke Roever, der mit seiner Frau um die Welt segelte, hat zwar wegen des meist starken Wellengangs auf See nicht nach Müll Ausschau gehalten. „Trotzdem sahen wir Euro-Paletten, Styropor-Kisten von Fischkuttern und einmal sogar eine tote Kuh“, sagt er.
Wo die Wrackteile des verschwunden Flugzeugs sich dreieinhalb Wochen nach dem Absturz befinden könnten, ist laut dem Ozeanographen Jochen Kämpf von der Flinders University in Australien kaum mehr auszumachen. „Selbst wenn wir die genaue Absturzstelle kennen würden, hätte das Suchgebiet enorme Ausmaße“, sagt er.
Grund dafür seien große fast unberechenbare Wirbel im Wasser. „Sie sind wie Wettererscheinungen in der Atmosphäre, mit Hunderten Kilometern Durchmessern“, sagt Kämpf. Schwimmende Teile trieben darin mit einer Geschwindigkeit von 43 Kilometern am Tag – und könnten außerdem von einem Wirbel zum nächsten gereicht werden. „Die Unwägbarkeit ist riesig.“