«Mehr als das Schoko-Herz» – Neuer Air-Berlin-Chef geht in Offensive
Verdammt noch mal – sagt Stefan Pichler. Mit dieser Firma müsse man doch Geld verdienen können. Nach vier Wochen kündigt er erste Umbauschritte an. Doch Air Berlins Zukunft entscheidet sich womöglich anderswo. Berlin (dpa) – Neue Töne bei Air Berlin: «Grüß Gott, wie man bei uns in Fiji sagt», begrüßt der Mann seine Zuhörer, der […]
Verdammt noch mal – sagt Stefan Pichler. Mit dieser Firma müsse man doch Geld verdienen können. Nach vier Wochen kündigt er erste Umbauschritte an. Doch Air Berlins Zukunft entscheidet sich womöglich anderswo.
Berlin (dpa) – Neue Töne bei Air Berlin: «Grüß Gott, wie man bei uns in Fiji sagt», begrüßt der Mann seine Zuhörer, der als eine seiner ersten Amtshandlungen das Duzen in der Zentrale eingeführt hat. Auch Stefan Pichler, von einer Südsee-Airline als neuer Chef zur Air Berlin gekommen, hat kein Patentrezept, um die schwer angeschlagene Nummer zwei am deutschen Himmel wieder ins Plus zu bringen. Aber er hat sich etwas vorgenommen, was ungewöhnlich ist bei Unternehmern, denen das Wasser bis zum Hals, ja bis zur Unterlippe steht: zuhören.
Passagiere, Reiseveranstalter, Mitarbeiter – sie sollen das Rezept liefern, um Air Berlin schon im nächsten Jahr im laufenden Geschäft wieder in die schwarzen Zahlen zu führen. Pichler selbst plant erst einmal keinen rigorosen Umbau, sondern er dreht an einzelnen Stellschrauben.
Seit vier Wochen sitzt der 57-Jährige im Chefsessel. Als erstes hat er die Vorstandsetage aufgesperrt, in der sich der bisherige Vorstand um Pichlers oft kühl wirkenden Vorgänger Wolfgang Prock-Schauer und dessen Finanzchef Ulf Hüttmeyer eingeigelt hatte. «Da stand irgendwo ein Schild: Ulf Hüttmeyer, bitte nicht füttern.»
Jetzt gibt es Briefkästen, in die Mitarbeiter ihre Vorschläge einwerfen können. Es soll einen Beirat geben, der die 100 Reiseveranstalter vertritt, deren Kunden Air Berlin fliegt, Passagiere sollen innerhalb einer Woche eine abschließende Antwort auf Beschwerden erhalten – zuletzt hatten sich Tausende Zuschriften unbearbeitet gestapelt.
«Die Kunden führen dich in die richtige Richtung, du musst ihnen nur zuhören», sagt Pichler und weist auf das Schoko-Herz, das Fluggäste an Bord der rot-weißen Flieger erhalten. «Das Schokoladen-Herz soll so etwas wie ein Symbol sein, wie wir miteinander umgehen.» Eine Firma sei keine Gewinn- und Verlustrechnung. Eine Firma, das seien die Menschen. Das heißt auch, dass Pichler die nach mehreren Sparprogrammen verbliebenen Arbeitsplätze erhalten will.
Aber Pichler will auch keine Zeit verlieren. Erste Schritte: Management und Vertrieb straffer ausrichten und auf mehr Erlöse trimmen, dann der Rückzug von Strecken, wo Air Berlin ohnehin keine Chance hat. Gleichzeitig greift das Unternehmen die Billigflieger an: mit einem neuen One-way-Tarif ab 44 Euro, der kein Freigepäck beinhaltet und somit einen Schritt weg von der bisherigen All-inclusive-Strategie markiert.
Wie Ryanair und Easyjet will Pichler gleichzeitig mehr Geschäftsreisende locken und hier sogar Branchenprimus werden – ein Angriff auf den großen Konkurrenten Lufthansa. Gleichzeitig will Air Berlin, die mit Mallorca-Flügen groß wurde, ihre Position bei Urlaubsflügen verteidigen.
Dieses breit gefächerte Geschäftsmodell bemängeln Beobachter seit Jahren. «Ich turne jetzt hier vier Wochen rum, da gibt es heute natürlich noch keine ausgefeilte Strategie, die bis in den letzten Streckenbestandteil hineinreicht», sagt Pichler nur, um mögliche Kritik vorwegzunehmen.
«Wettbewerb in unserem Business ist ein bisschen wie ein Marathon-Lauf», sagt der frühere Läufer Pichler, der die 42 Kilometer einst in 2 Stunden und 16 Minuten schaffte. Ein klares Ziel hat er aber. «Ich übernehme die volle Verantwortung, die Firma 2016 in die Gewinnzone zu führen.» Dann schränkt er ein: «Das sage ich unter dem Vorbehalt, dass ich nach vier Wochen noch nicht unter jeden Teppich geguckt habe.»
Ein wichtiger Einnahmeposten liegt sowieso nicht in seiner Hand. Die gemeinsam vermarkteten Flüge mit dem Großaktionär Etihad sind zwar für den Sommer nochmals genehmigt worden, wie Pichler bekanntgab. «Sie sind für uns überlebenswichtig.» Doch das Abkommen über Landerechte mit den Vereinigten Arabischen Emiraten soll neu verhandelt werden – Ausgang ungewiss.