Low-Cost auf der Langstrecke: Billig in die Ferne fliegen?
Hamburg, 06. Dezember 2018 Sie werben mit Traumzielen zum Schnäppchenpreis: USA, Thailand, Karibik. Billigflieger sind auch auf der Langstrecke unterwegs. Doch die tatsächlichen Kosten des Fluges sind oft höher als gedacht. Ein Flug in die USA oder nach Asien kostet viele Hundert Euro? Nicht unbedingt. In Europa haben sich Billigflieger längst durchgesetzt – und einige […]
Hamburg, 06. Dezember 2018
Sie werben mit Traumzielen zum Schnäppchenpreis: USA, Thailand, Karibik. Billigflieger sind auch auf der Langstrecke unterwegs. Doch die tatsächlichen Kosten des Fluges sind oft höher als gedacht.
Ein Flug in die USA oder nach Asien kostet viele Hundert Euro? Nicht unbedingt. In Europa haben sich Billigflieger längst durchgesetzt – und einige von ihnen bedienen zunehmend auch Langstreckenverbindungen. Das Versprechen lautet: Fernflüge zum Schnäppchenpreis, nicht bloß bei stark limitierten Sonderangeboten. Vorbild ist dabei Asien. Auch für deutsche Urlauber entstehen mehr und mehr Niedrigpreis-Routen. Allein an den in der Werbung genannten Preisen sollten sich Reisende allerdings nicht orientieren.
Weltweit gibt es rund 20 Low-Cost-Carrier auf der Langstrecke, so der Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt aus Hamburg. Vorreiter war 2006 die australische Billigfluggesellschaft Jetstar Airways, gegründet von Qantas – und ausgerichtet auf die Langstrecke. In Europa wagte sich zuerst Norwegian an das Konzept. Inzwischen bieten von Deutschland aus auch Lufthansa-Tochter Eurowings und die isländische Wow Air Fernreiseziele günstig an. Recht neu ist zudem Scoot, eine Billigfluggesellschaft aus Singapur.
Nach Einschätzung von Großbongardt liegen die Low-Cost-Carrier mit ihren Preisen auf der Langstrecke um rund 25 Prozent unter denen der bekannten großen Fluggesellschaften. Nur die Angebotspreise der etablierten Airlines können mit den Billigtarifen mithalten.
Und wohin kommen deutsche Urlauber per Billigflug? Im Vordergrund stehen die Ostküste der USA und klassische Warmwasserziele. Das zeigt sich beispielhaft an den Flugziele von Eurowings. Von Düsseldorf nach New York geht es laut Fluggesellschaft ab 179,99 Euro und nach Miami ab 189,99 Euro, Bangkok wird ab 199,90 Euro angeboten – allerdings jeweils nur „one way“, also pro Einzelflug. Zudem kann der Flug teurer als der angegebene günstigste Ab-Preis sein.
Von München startet Eurowings auch nach Mauritius (ab 199,99 Euro) und in die Dominikanische Republik nach Punta Cana (ab 299,99 Euro). Jeweils von den Standorten Düsseldorf und München aus geht es nach Cancun in Mexiko (ab 249,99 Euro), Havanna und Varadero in Kuba (ab 179,99 Euro) und Montego Bay in Jamaika (ab 149,99 Euro).
Von Berlin-Schönefeld fliegt Norwegian in die USA: Es geht nach New York (Hinflug ab 150 Euro), Orlando (ab 160 Euro), Fort Lauderdale (ab 171 Euro), Los Angeles (ab 175 Euro) und San Francisco (ab 190 Euro). Fort Lauderdale und New York werden auch von München aus bedient. Außerdem starten Norwegian-Thailand-Flüge nach Krabi (ab 131 Euro) und Bangkok (ab 164 Euro) in beiden deutschen Großstädten.
Wer Zwischenstopps etwa in Oslo in Kauf nehmen möchte, kann mit Norwegian auch recht günstig zu weiteren Fernzielen reisen. In den USA finden sich Las Vegas, Denver, Chicago und Boston im Streckennetz. Auch die französischen Überseedepartements Martinique, Guadeloupe und Französisch-Guayana werden angeflogen, genauso wie Singapur, Buenos Aires in Argentinien und Iguazu in Paraguay.
Die isländische Billigairline Wow Air fliegt auf der Langstrecke von Berlin, Frankfurt und Düsseldorf mit Zwischenstopp in Island (Reykjavik) in die USA und nach Kanada. Zwölf US-Metropolen befinden sich im Streckennetz. Neben Klassikern wie New York, Washington und Chicago (Hinflug jeweils ab 139,99 Euro) werden auch andere Städte wie St. Louis am Mississippi und die Autostadt Detroit erreicht. Nach Montreal, Toronto und Vancouver in Kanada fliegt Wow Air nach eigenen Angaben ab 135,99 Euro pro Strecke.
Ab Berlin führt die Reise mit Scoot – einer Tochter von Singapore Airlines – nach Asien und Australien. Scoot fliegt ab von Tegel aus nach Singapur, in der Economy Class ab 406 Euro für Hin- und Rückflug. Die Business Class kostet laut Airline ab 1326 Euro. In Singapur bestehen Anschlussmöglichkeiten, zum Beispiel nach Australien, Indonesien, Thailand, Vietnam und auf die Philippinen. Ein Hin- und Rückflug von Berlin an die Gold Coast in Australien lässt sich mit Scoot im besten Fall für weniger als 600 Euro buchen.
Neu unter den Low-Cost-Anbietern ist die Fluggesellschaft Level, die überwiegend von Barcelona fliegt. Gegründet wurde sie von der International Airlines Group, zu der auch British Airways, Iberia, Aer Lingus und Vueling gehören. Der Jungfernflug nach Los Angeles fand im Juni 2017 statt. Deutsche Flughäfen werden von Level bisher nicht angeflogen. Wer mit dem Anbieter in die USA, nach Kanada, Argentinien oder in die Karibik fliegen möchte, muss auf anderem Wege zunächst nach Barcelona reisen. Ab 313 Euro geht es mit Level beispielsweise auf dem Hinflug von Barcelona nach Buenos Aires.
Die niedrigen Ticketpreise („ab…“) lesen sich verlockend. Doch Reisende müssen beachten, dass oft zusätzliche Kosten für Aufgabegepäck, ein zweites Handgepäckstück, Bordverpflegung und Sitzplatzreservierungen hinzukommen. Großbongardt empfiehlt daher, immer das Gesamtpaket zu vergleichen. Die Premium-Airline ist dann womöglich gar nicht so viel teurer als der Billigflieger. Zudem müssen Passagiere bei den Low-Costern mit weniger Komfort an Bord rechnen.
Die Billigfluglinien setzten „auf ein abgespecktes Kernprodukt“ zum Schnäppchenpreis und sorgten dafür, dass durch einen engeren Sitzstand mehr Menschen in ein Flugzeug passen, so Großbongardt. Und sie lassen sich für Extraleistungen bezahlen. Hinzu kommt eine aggressive Senkung von Personalkosten, bei der Piloten als Freiberufler und Personal aus Ländern mit geringeren Lohnniveaus eingestellt werden. Nur so sind die angebotenen Preise möglich.
Steven Hille, dpa