Flugverspätungen: Ein großes Ärgernis mit vielen Ursachen
Berlin/Frankfurt, 21. Mai 2019 Fluggastkontrollen sind wie der Gang zum Zahnarzt. Notwendig, aber nicht immer angenehm. Jeder Vielflieger kann Geschichten beisteuern: von Dränglern, verpassten Flügen, ausrastenden Passagieren und dem Streit um das teure Shampoo, das im Handgepäck nicht an Bord darf. Das Bundesinnenministerium hat Flughafenbetreiber und Luftfahrtunternehmen vor Beginn der Hauptferienzeit davor gewarnt, die Schuld […]
Berlin/Frankfurt, 21. Mai 2019
Fluggastkontrollen sind wie der Gang zum Zahnarzt. Notwendig, aber nicht immer angenehm.
Jeder Vielflieger kann Geschichten beisteuern: von Dränglern, verpassten Flügen, ausrastenden Passagieren und dem Streit um das teure Shampoo, das im Handgepäck nicht an Bord darf.
Das Bundesinnenministerium hat Flughafenbetreiber und Luftfahrtunternehmen vor Beginn der Hauptferienzeit davor gewarnt, die Schuld für Verspätungen und Engpässe der Bundespolizei zuzuschieben. «Es ärgert mich, wenn Unternehmen und Verbände immer wieder den Eindruck erwecken, dass die Pass- und Sicherheitskontrollen der Hauptgrund für die Flugverspätungen seien», sagte Innenstaatssekretär Hans-Georg Engelke.
Tatsächlich zeigt eine Übersicht der Verspätungs-Analyseeinheit von Eurocontrol für die ersten sieben Monate 2018, dass die Ursachen meist woanders liegen. In knapp elf Prozent der Fälle waren es demnach Engpässe im Luftraum, die zu Verspätungen führten. Bei acht Prozent der Flüge waren es Probleme mit der technischen Flugzeugausstattung. Knapp fünf Prozent der Flüge waren nicht pünktlich, weil das Wetter nicht mitspielte. Zum Vergleich: Luftsicherheit, Einwanderung und Zoll waren insgesamt in gut zwei Prozent der Fälle ursächlich für die Verspätung.
Um die Sicherheitskontrollen effizienter zu gestalten, würden sich diejenigen, die sie organisieren und durchführen, mancherorts mehr Platz wünschen. Doch der ist rar an Flughäfen, wo Fluggesellschaften, Einzelhändler und Gastronomen dicht an dicht arbeiten.
Bundespolizei-Präsident Dieter Romann sagt: «Ein echtes Problem ist die Fläche, die für die Kontrollen zur Verfügung gestellt wird. Die reicht vielerorts für unsere modernsten und effizientesten Geräte nicht aus.» Den Vorwurf, bei den Sicherheitskontrollen komme veraltete Technik zum Einsatz, findet er nicht nachvollziehbar.
Romann sagt, mit der Installation von rund 200 leistungsstarken Körperscannern stünden die großen deutschen Flughäfen im internationalen Vergleich sehr gut da. Fast alle Kontrollstellen seien mittlerweile mit Geräten zur Erkennung kleinster Mengen von Sprengstoff und anderer gefährlicher Substanzen ausgestattet. «Softwareverbesserungen sieht man nur eben nicht.»
Die Flughafenbetreiber sehen sich dagegen auf einem guten Weg. An den meisten Mitglieds-Flughäfen liefen Projekte zur Erweiterung der Kontrollstellen, heißt es beim Branchenverband ADV. Dabei gehe es auch um zusätzliche Flächen, auf denen die Passagiere ihre persönlichen Gegenstände vor- und nachbereiten könnten.
Doch nicht nur das vielerorts gestiegene Passagieraufkommen führt in Stoßzeiten dazu, dass sich lange Warteschlangen bilden. Ein weiterer Faktor ist die Preispolitik einiger Fluggesellschaften, die Passagiere dazu bringt, mit dicht gepacktem Handgepäck zu reisen, anstatt einen Koffer aufzugeben. Airlines, die ihre Check-In-Zeit sehr knapp bemessen, tragen mit zum Gedränge bei den Sicherheitskontrollen bei – weil dann innerhalb kurzer Zeit besonders viele Passagiere zu den Abflug-Gates drängen.
Ein Sprecher der Lufthansa will von kurzen Check-In-Zeiten und zu laschen Handgepäcksregeln nichts wissen. Er sagt, es werde heute sogar strikter als früher schon vor den Kontrollstellen auf die zulässigen Höchstmengen hingewiesen. Lufthansa biete zudem die kostenlose Aufgabe von Handgepäck an, was allein im April 130 000 Stücke bedeutet habe. Die Check-In-Schalter würden für Business-Flieger 30 Minuten, in der Economy-Klasse 40 Minuten vor Abflug geschlossen, so dass noch genug Zeit bleibe, zum Flugsteig zu kommen. Die deutschen Sicherheitskontrollen seien im internationalen Vergleich weiterhin zu langsam.
Am größten deutschen Flughafen in Frankfurt wird bis zum Juli auf einem Parkplatz ein Anbau für das Hauptterminal errichtet, der sieben neue Kontrollspuren fasst. Auch im Bestand werde sukzessive umgebaut, erklärt eine Sprecherin des Betreibers Fraport. Im neuen Terminal 3, dessen erster Teilbereich 2021 ans Netz gehen soll, seien ohnehin umfangreichere Flächen für die Sicherheitskontrollen vorgesehen.
Das Bundesinnenministerium sähe es gerne, wenn die Flughafenbetreiber bei den Passagierkontrollen mehr Verantwortung übernehmen würden. Bundespolizisten müssten zwar in jedem Fall weiter vor Ort sein, um den bewaffneten Schutz zu garantieren. Es stelle sich aber die Frage, «ob sich die Bundespolizei wirklich mit den Schichtplänen von privaten Sicherheitsfirmen beschäftigen muss», sagt Engelke. Besser wäre es, die Beamten hier zu entlasten, damit sie sich auf ihre polizeilichen Aufgaben konzentrieren könnten. Das wäre auch im Sinne von Bundespolizei-Chef Romann.
Er erinnert daran, dass es hier nicht nur um Tempo gehe, sondern um die Abwehr von Terrorgefahr: «Unsere Qualität heißt Sicherheit.» Im vergangenen Jahr waren bei Luftsicherheitskontrollen an den Flughäfen im Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei 1568 Schusswaffen sowie 1448 «Spreng- und Brandstoffe» entdeckt worden. Die Kontrolleure fanden außerdem 2201 Schusswaffennachbildungen.
Der CDU-Innenpolitiker Christoph de Vries erklärt, die Union wolle, «dass lange Wartezeiten und Warteschlangen für Passagiere der Vergangenheit angehören» und die Polizei entlastet werde. Angesichts der latenten Gefährdung des Luftverkehrs dürfe es aber keine Abstriche bei der Sicherheit geben. Die Aufgabenübertragung müsse daher sorgfältig geplant werden.
Das Bundesinnenministerium verweist auf eine noch andauernde Prüfung durch den Bundesrechnungshof und die angeforderte Einschätzung eines Forschungsinstituts. «Erst wenn beide Gutachten vorliegen, wird entschieden», betont Engelke. SPD-Politiker sehen Vorschläge, die Bundespolizei von dieser Aufgabe weitgehend zu entlasten, skeptisch.
Anne-Beatrice Clasmann und Christian Ebner, dpa