Frankfurt/Main, 06. Juni 2017 Die diplomatische Krise um Katar bringt auch deren Fluggesellschaft in Bedrängnis. Sie muss Verbindungen kappen und arabische Länder umfliegen. Profitieren könnten europäische Airlines wie Lufthansa. Die diplomatische Krise am Persischen Golf bringt Unruhe in den internationalen Luftverkehr. Das vom Chef des Weltluftfahrtverbands IATA, Alexandre de Juniac, gepriesene „Geschäft der Freiheit“ läuft […]

Frankfurt/Main, 06. Juni 2017

Die diplomatische Krise um Katar bringt auch deren Fluggesellschaft in Bedrängnis. Sie muss Verbindungen kappen und arabische Länder umfliegen. Profitieren könnten europäische Airlines wie Lufthansa.

Die diplomatische Krise am Persischen Golf bringt Unruhe in den internationalen Luftverkehr. Das vom Chef des Weltluftfahrtverbands IATA, Alexandre de Juniac, gepriesene „Geschäft der Freiheit“ läuft mindestens für Qatar Airways nicht mehr rund, seitdem die arabischen Nachbarn den schwerreiche Golfstaat erneut der Terror-Unterstützung bezichtigen. Katar ist wegen seiner starken internationalen Verflechtungen auf einen funktionierenden Waren- und Personenverkehr angewiesen und hat dafür die Airline Qatar Airways gegründet. Sie könnte ernsthaft in Schlingern geraten.

Wie ist die Lage?

Mit der Terror-Anklage haben Saudi-Arabien und seine Partner einen Verkehrs- und Handelsboykott gegen Katar verhängt. Seit Dienstag sind die Flugverbindungen von und nach Saudi-Arabien, Ägypten, Bahrain und in die Vereinigten Arabischen Emirate gekappt und die Lufträume für Qatar-Jets gesperrt. Sie können die Region nach Europa nur über den Iran und die Türkei verlassen. Westliche Airlines wie Lufthansa oder British Airways fliegen Katars Hauptstadt Doha weiter an.

Wem schadet der Boykott?

Dass Qatar-Airways-Chef Akbar al Baker vorzeitig vom Branchengipfel des Airline-Verbandes IATA im mexikanischen Cancún abgereist ist, belegt den Ernst der Lage für die Fluggesellschaft. Im heimischen Doha muss al Baker das Krisenmanagement leiten. Die größten Probleme sind der Ausfall vieler Flüge zu den arabischen Nachbarn und längere Flugzeiten für die internationalen Verbindungen. Neben den kurzfristigen Problemen könnte vor allem der gestreute Terrorverdacht gegen den Heimatstaat Katar Kunden von Buchungen abhalten.

Was macht Qatar Airways nun?

Die Fluggesellschaft des Emirats Katar musste zwangsläufig dutzende Kurzstrecken streichen, die normalerweise viele Umsteiger zum Flughafen Doha bringen. Erste Analysen gehen von bis zu 30 Prozent Umsatzverlust aus. Kunden, die bereits gebucht haben, sollen alternative Flugangebote erhalten, kostenlos umbuchen können oder das Geld für ihre Tickets zurückbekommen. Am Dienstag charterte Qatar Airways drei Maschinen von Oman Air für Flüge vom saudi-arabischen Jeddah nach Muscat und von dort weiter nach Doha.

Zudem muss die Airline auf anderen Verbindungen den Luftraum von Ägypten und anderen Ländern, die ihren Luftraum für sie sperren, umfliegen. Das kostet Zeit und Kerosin. Am Dienstag reihten sich die Qatar-Jets wie an einer Perlenschnur gezogen auf Routen über den Iran ein. Flüge von und nach Europa oder Amerika seien von Flugstreichungen nicht betroffen, heißt es bei der Airline.

Wie bedeutend ist Qatar Airways?

Die Fluggesellschaft wurde 1993 aus den Reihen der Herrscherfamilie des Emirats Katar gegründet. Gemeinsam mit Emirates aus Dubai und Etihad aus dem Vereinigten Arabischen Emiraten stieg sie seit der Jahrtausendwende zu einem der großen Herausforderer von etablierten Airlines aus aller Welt auf. Sie verfügte zuletzt über eine Flotte von rund 200 Flugzeugen und ist damit kleiner als die von Emirates, aber größer als jene von Etihad. Auf der renommierten Rangliste der Beratungsgesellschaft Skytrax gehört Qatar zu den neun besten Fluggesellschaften der Welt. Bei ihrem Geschäft ist sie auf das internationale Publikum angewiesen, denn Katars Heimatmarkt ist äußerst klein: Das Emirat hat gerade einmal 2,6 Millionen Einwohner.

Wer kann von dem Konflikt profitieren?

In erster Linie wohl die Konkurrenten Etihad und Emirates, deren Drehkreuze nur wenige hundert Kilometer von Katar entfernt liegen. Sie verlieren indes auch Kurzflüge. Die Gesellschaften verfolgen ähnliche Geschäftsmodelle und stehen in direkter Konkurrenz zu Qatar um preisbewusste Langstrecken-Fluggäste aus Europa, Asien und Afrika, sagt der Luftfahrtexperte Gerald Wissel. Die beiden Airlines müssen sich aber die internationalen Flugrechte der Vereinigten Arabischen Emirate teilen, was schon zu Spekulationen über eine mögliche Fusion geführt hat. Bislang gibt es dazu aber gerade bei der Eigner-Familie von Etihad keine einheitliche Meinung. Der Grund: Neben den Milliardenverlusten der erfolglosen Etihad-Beteiligungen Alitalia und Air Berlin müssten dann wohl auch die Milliarden-Investments in das Drehkreuz Abu Dhabi abgeschrieben werden.

Was bedeutet das für Lufthansa und die anderen europäischen Airlines?

Bereits seit einiger Zeit schwächeln die einstmals als gefährliche Herausforderer wahrgenommenen Airlines vom persischen Golf. Sie verdienen kaum noch Geld und bleiben hinter den eigenen Wachstumserwartungen zurück. Mit ihren Direktverbindungen haben die westlichen Fluggesellschaften zudem ein Produkt für Fluggäste, die nicht in einer Wüstenstadt mehrere Stunden auf ihre Anschlüsse warten wollen. Ihre Geschäfte dürften also erst einmal stabiler laufen, zumal sie selbst weiter in die betroffene Region fliegen können.

Was wird aus den europäischen Luftverkehrs-Beteiligungen der Kataris?

Das ist noch völlig unklar. Die geschäftlichen Verbindungen von Qatar Airways nach Europa sind vielfältig. Im Luftfahrtbündnis Oneworld kooperiert sie mit Fluggesellschaften wie Air Berlin, American Airlines und British Airways. An der British-Airways-Mutter IAG ist das Unternehmen seit 2016 mit rund 15 Prozent beteiligt. Qatar Airways ist zudem Großkunde von Airbus und war Ende 2014 Abnehmerin des ersten neuen Großraumjets vom Typ Airbus A350. Die Flotte reicht vom Mittelstreckenjet A319 bis zum weltgrößten Passagierjet A380.

Christian Ebner, dpa und Steffen Weyer, dpa-AFX