Mitte der zwanziger Jahre verwirklicht Thea Rasche ihren Traum vom Fliegen, absolviert heute vor 100 Jahren ihren ersten Alleinflug und wird zu einer der berühmtesten Pilotinnen weltweit. Sie gilt schon bald als Deutschlands internationalste Fliegerin. Was in jenen Tagen in ihrem Heimatland jedoch kaum wertgeschätzt wird.

Was für ein Empfang, welch ein Jubel: Im Sommer 1927 kaum das Schiff verlassen und US-amerikanischen Boden betreten, bereiten die New Yorker Thea Rasche einen wahrlich überwältigenden Empfang. Sie kennen die 28-Jährige bereits dank zahlreicher Zeitungsartikel, sind schier aus dem Häuschen.

Und der jungen ambitionierten Fliegerin kann diese Stimmung nur recht sein, schließlich ist sie in die USA gereist, um eine Atlantiküberquerung vorzubereiten. Inspiriert durch Charles Lindberghs Ruhmesflug will sie ebenfalls Einzug in die Geschichte halten. Doch ein solches Unterfangen kostet Geld. Da ist bei der Werbung um Sponsoren Popularität wahrlich kein Hindernis.

Die Euphorie erreicht ihren Höhepunkt, als die charismatische Fliegerin mit ihrer kleinen Flamingo, einer Udet U 12, kühn einige Kunstflugfiguren rund um die Freiheitsstatue präsentiert. Die Amis stehen Schlange, um mit dem Fräulein aus Essen zu fliegen, zahlen beinahe jeden Preis, um als Passagier mitgenommen zu werden.

Thea ist ein Star der Szene, wird vom US-Präsidenten Calvin Coolidge empfangen, lernt den berühmten Atlantikflieger Charles Lindbergh sowie den Flugpionier Wilbur Wright kennen, bekommt sogar zahlreiche Angebote vermögender Luftfahrtbegeisterter, die den ersten Atlantikflug einer Frau nur zu gern sponsern möchten. Dabei überrascht es, dass die junge Essenerin überhaupt auf Hilfe von Dritten angewiesen ist.

Aus was für einer Familie stammt Thea Rasche?

Theodora „Thea“ Rasche wird am 12. August 1899 in eine durchaus wohlhabende Familie hineingeboren, die das Abenteuer allein hätte finanzieren können. Ihr Vater Wilhelm ist Direktor der Essener Actien-Brauerei, jedoch steht er den sportlichen, insbesondere den fliegerischen Ambitionen seiner Tochter eher skeptisch gegenüber.

Thea aber braucht Luft, Freiheit, Abenteuer. „Meine Mutter war Holländerin, denen bekanntlich das Reisen im Blut liegt (…) Sie stand auf dem Standpunkt: Fremde Länder und Völker kennenzulernen, ist die beste Erziehung“, erinnert sich das Mädchen aus gutem Hause später. Leider wird die Frau Mama schon früh immer stiller, leidet nach dem Tod ihrer beiden im Ersten Weltkrieg gefallenen Söhne an Depressionen. Unterstützung kann Thea von ihr nicht erwarten.

Wie kam Thea Rasche zum Fliegen?

Den Traum vom Fliegen pflegt sie deshalb nur heimlich – und mit Hilfe eines ehemaligen Militärpiloten, den sie bereits als Teenager anhimmelt und der sie immer mal wieder heimlich mitnimmt. Offiziell jedoch verharrt sie in der ihr zugedachten gesellschaftlichen Rolle, besucht, wie es sich für ein Mädchen ihres Standes gehörte, zunächst das Lyzeum.

Und natürlich soll sie, so der Wunsch des Vaters, so früh wie möglich adäquat heiraten, damit das Erbe gesichert ist. Einen Wunschschwiegersohn hat er bereits ausgesucht. Doch Wilhelm Rasche hat die Rechnung ohne seine zur Aufmüpfigkeit neigenden Tochter gemacht: Thea lehnt empört ab, gibt aufgrund angedrohtem Geldentzug zwischenzeitig zwar kurz nach, um bald darauf die für Mai 1923 geplante Hochzeit dann doch in letzter Minute platzen zu lassen. Ihre Sehnsucht heißt Freiheit, ihre Liebe gehört der Luftfahrt. Dafür muss sie jetzt allerdings lernen, auf eigenen Beinen zu stehen.

Wann absolvierte Thea Rasche ihren ersten Alleinflug?

In der Rhön lernt Thea bald darauf Ernst Udet kennen, lässt sich für das Segelfliegen begeistern und schließlich in Hamburg von Paul Bäumer ausbilden. Am 23. Januar 1925 absolviert sie ihren ersten Alleinflug, und 27. November desselben Jahres nimmt sie nach bestandener Prüfung als erste Frau nach dem Ersten Weltkrieg ihren Flugschein in Empfang.

Thea Rasche und Ernst Udet auf dem Großflugtag in Berlin-Tempelhof. Bild: Bundesarchiv

Fortan organisiert Thea mit Bäumer und Udet in ganz Deutschland Flugtage und -vorführungen. Erfolge pflastern ihren Weg. Das hätte ihr der Vater offenbar nicht zugetraut, denn vor Stolz platzend, schenkt er seiner Tochter völlig überraschend eine Flamingo – ein von Udet entworfenes Schulflugzeug. Mehr noch: 1927 finanziert er die erste Reise in die USA, die ihren inzwischen auch international hervorragenden Ruf festigen soll. Jedoch: Diese Reise sowie einige weitere Aufenthalte in dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten bis 1933 halten nicht, was sich die Pilotin von ihnen verspricht.

Thea Rasche und das legendäre Puderquastenrennen

Den Ruhm für die erste Atlantiküberquerung einer Frau heimst eine andere ein: Amelia Earhart, 1932. Die weit berühmtere US-Amerikanerin hatte Thea bereits 1929 kennengelernt, als sie als eine von nur zwei Ausländerinnen am legendären „Cleveland Women’s Air Derby“, das schnell den despektierlichen Beinamen „Puderquasten-Rennen“ verpasst bekommen hatte, teilnahm.

Startschuss zum berühmten („Puderquasten-„)Rennen 1929. Bild: San Diego Air and Space Museum Archive

Als die Deutsche 1933 zutiefst enttäuscht und von Geldsorgen geplagt wieder einmal nach Deutschland zurückkehrt, nimmt sie Gelegenheitsjobs an, um ihren Unterhalt zu verdienen, denn für Werbe- und Kunstflüge wird in jenen Tagen kein Geld mehr verschwendet. Und von einer Karriere in der kommerziellen Verkehrsluftfahrt waren Frauen nach wie vor ausgeschlossen.

Verschiedene Langstreckenflugprojekte scheitern aus finanziellen oder politischen Gründen, Thea muss zusehen, wie andere Fliegerinnen – Elly Beinhorn oder Marga von Etzdorf – sie überflügeln, weil sie sich im eigenen Land offenbar besser vermarkten können. Im Frühjahr muss sie ihr auf Raten gekauftes Flugzeug abgeben, die letzten Schulden begleicht ihr Vater, allerdings unter der Bedingung, dass sie niemals wieder fliegen wird.

Die zweite Karriere als Luftfahrt-Redakteurin

Um ihre Leidenschaft für die Fliegerei dennoch leben zu können, wird Thea im November 1933 Redakteurin der kurz zuvor gegründeten „Deutschen Flugillustrierten“. In dieser Funktion ergattert sie im Folgejahr einen Platz als Passagierin an Bord einer DC-2 der KLM, begleitet so das „MacRobertson Air Race“ von London nach Melbourne in Australien und berichtet leidenschaftlich über dieses „Internationale Flugrennen für den Frieden“, an dem die bekanntesten Fliegergrößen jener Tage teilnehmen.

Zeitschriften und Zeitungen aus ganz Europa und Übersee drucken Theas Artikel – schließlich ist sie die einzige Reporterin, die das Rennen hautnah miterlebt. Es folgen Vorträge, Ehrungen, im Januar 1935 sogar eine Einladung von Eleanor Roosevelt ins Weiße Haus nach Washington.

Thea Rasche begleitete 1934 das MacRobertson Air Race von London nach Melbourne in Australien an Bord einer DC-2 der KLM. Bild: Wkimedia Commons

Doch auch diese zweite Karriere steht schnell vor dem Aus. Kurz darauf wird das Fachmagazin eingestellt. „Gerade in einer Zeit des Aufbaus, des ständigen Ansteigens der Auflage, im Augenblick der Gründung der neuen deutschen Luftwaffe und nach Anbahnung all der neuen Beziehungen im Ausland traf mich dieser überraschende Beschluss wie ein Keulenschlag“, seufzt die Fliegerin. Ihr bleibt lediglich die Konzentration auf den Segelflug, das Schreiben der Memoiren.

Wann gab Thea Rasche das Fliegen auf?

1939 hängt Thea Rasche die Fliegerei schließlich ganz an den Nagel, arbeitet stattdessen als Sekretärin. Die passionierte Fliegerin, der die Größen der Zeit enormes Können zuschreiben, ist fest gewillt, dem Vaterland in den nun bevorstehenden Kriegsjahren nur noch mit der Schreibmaschine zu dienen.

Dem Regime, in das sie Anfang der 1930er-Jahre in grenzenloser Naivität noch so viel Vertrauen gesetzt hatte, verweigert sie sich inzwischen, lehnt Propagandaauftritte ab. Mit ihrer Einstellung, dass Fliegen Völker verbindet, passt sie nicht ins Weltbild des Nationalsozialismus’.

Nach 1945 tritt das einstige „Flying Fräulein“ nur noch als Journalistin und Fotografin in Erscheinung, lebt in den 1950ern sogar für kurze Zeit in den USA. Thea Rasche, die zweifellos eine der größten deutschen Fliegerpersönlichkeiten der Zwischenkriegsjahre war, stirbt am 25. Januar 1971 im Alter von 72 Jahren einsam und verarmt in ihrer Heimatstadt Essen.