Weihnachten ist das Fest des Friedens. Aus diesem Anlass stellen wir Flugzeugtypen vor, die von tödlichen Bombern zu Völker und Nationen verbindenden Passagierflugzeugen umgebaut wurden. Den Anfang macht die von Saab konvertierte Boeing B-17 „Felix“.

Vor 81 Jahren fielen sprichwörtlich Flugzeuge über Schweden aus dem Himmel. Dabei handelte es sich jedoch um kein göttliches Zeichen, sondern um die dramatischen Folgen des über Europa tobenden Luftkriegs. 68 dieser schwer getroffenen „Fliegenden Festungen“ suchten einen rettenden Hafen im damals neutralen Schweden. Sieben dieser Boeing B-17 rüstete der schwedische Flugzeughersteller Saab daraufhin im Rahmen einer „Schwerter zu Pflugscharen“-Aktion zu Frieden und Völkerverständigung bringenden Passagiermaschinen um.  Zu Ehren des an dieser Aktion maßgeblich beteiligten US-Militärattachés in Stockholm, Felix M. Hardison, wurden sie fortan Boeing B-17 „Felix“ genannt.

Cockpit einer zivilen Boeing B-17 „Felix“ Bild: Saab

Sieben „Felix“ für SAS-Vorläuferinnen

Am 1. August 1946 schlossen sich die dänische DDL, die norwegische DNL und die beiden schwedischen Fluglinien SILA und ABA zum Scandinavian Airlines System – SAS zusammen. Ihre ersten Langstreckenflugzeuge waren zehn Douglas DC-4, deren Kaufvertrag bereits am 25. November 1943, inmitten des Zweiten Weltkriegs SILA-Präsident Per A. Norlin mit der Douglas Aircraft Company unterschrieben hatte.

Norlin war nicht nur zum Flugzeugkauf in den USA. Vielmehr bereitete er für alle drei späteren SAS-Nationen den Nachkriegs-Luftverkehr in die USA vor und reiste dafür in die US-amerikanische Hauptstadt. Norlin befand sich inmitten der Verhandlungen über Verkehrsrechte und Exportlizenzen für den beabsichtigen Douglas-Kauf, als ihn am 24. Juli 1943 die Nachricht von der ersten Notlandung einer amerikanischen Boeing B-17 „Fliegenden Festung“ im heimischen Schweden erreichte.

In Schweden notgelandeter Bomber des Typs Boeing B-17 während seiner Begutachtung durch Saab-Mitarbeiter Bild: Saab

Vom Himmel hoch, da komm‘ ich her…

Diese Boeing B-17F „Georgia Rebel“ gehörte zum 535th Bombardment Squadron der 381st Bombardment Group. Ihre zehnköpfige Besatzung unter dem Kommando von 1st Lieutenant O.V. Jones war an einem Angriff auf eine Fabrik im norwegischen Heröya bei Alesund beteiligt, als ihre B-17 durch deutsches Abwehrfeuer beschädigt wurde.

Der einstige Bombenschacht der „Flying Fortress“ wurde von Saab in den Frachtraum des Passagierflugzeugs umgebaut. Gepäck und Frachtsendungen kamen über den abgebildeten Lift von unten an Bord Bild: Saab

Ein Motor fiel dadurch komplett aus, während ein zweiter nicht mehr die volle Leistung brachte. Derart beschädigt war an eine Rückkehr zur eigenen Basis in Großbritannien nicht mehr zu denken – und so entschloss sich die Crew zum Weiterflug in das für sie sichere, da neutrale Schweden. Dort machte die „Georgia Rebel“ nach einer Flugzeit von rund 14 Stunden nahe des Dorfes Vännacka eine glimpflich verlaufende Bauchlandung.

Sieben Flugzeuge für eine handvoll Dollar

Der eng mit SILA-Direktor Norlin kooperierende ABA-Chef Carl Florman und sein Team erkannten die sich mit der Notlandung amerikanischer Bomber bietende Chance, mit entsprechend umgerüsteten „Fliegenden Festungen“ eine sichere Luftbrücke zwischen Schweden und dem verbündeten Großbritannien zu etablieren. So entsandte Florman unmittelbar nach der Landung von „Georiga Rebel“ den Leiter seiner Ingenieurabteilung, Karl Lignell, mit einem Expertenteam nach Vännacka. Sie untersuchten die B-17 eingehend und hielten sie für eine Reparatur geeignet.

In enger Abstimmung mit ABA’s Florman und der schwedischen Botschaft in den USA verhandelte Norlin im Winter 1943 persönlich mit dem Oberbefehlshaber der amerikanischen Luftstreitkräfte, General H.H. „Hap“ Arnold, in Washington D.C. über die Möglichkeit „Georgia Rebel“ und mittlerweile weitere in Schweden gelandete B-17 zu Kurierflugzeugen für den Transport von Spionen, Industriellen, Militärs und für kriegswichtige Produkte aus schwedischer Produktion, wie Kugellager, umzurüsten.

12.732 Boeing B-17 „Flying Fortress“ wurden zwischen 1935 und 1945 in den USA gebaut. Davon gingen 4735 bei Kampfhandlungen verloren. Bild: Saab

Diese Idee mündete in einer Art Kuhhandel, der die Ausleihe von zehn B-17 an Schweden, im Tausch gegen 300 internierte amerikanische Besatzungsmitglieder der notgelandeten Bomber umfasste. Nach Kriegsende, so General Arnold, könne der schwedische Staat die Maschinen dann formell zum symbolischen Preis von je einem Dollar erwerben.

Die Passagierkabine einer von Saab zum Passagierflugzeug umgerüsteten Boeing B-17 „Felix“. Bild: Saab

„Operation Felix“ konnte anlaufen – und zwei B-17 F sowie fünf B-17 G wurden bei den SAAB-Flugzeugwerken in Linköping zu zivilen Verkehrsflugzeugen umgerüstet. Zwei weitere B-17 F und Teile eines dritten Flugzeugs, darunter die „Georgia Rebel“, dienten als Ersatzteilspender. Drei Maschinen flogen offiziell für SILA, während zwei für ABA zum Einsatz gelangten. Zwei weitere B-17 wurden für die dänische DDL vorgehalten, die damit ab Sommer 1945 an den Start ging.

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Nach dem Umbau zum Passagierflugzeug wurde 42-30661 als SE-BAK bei der schwedischen Luftverkehrsgesellschaft ABA / SILA in Dienst gestellt. Sie landete am 28. Juni 1945 in La Guardia in New York, als erstes ziviles Verkehrsflugzeug aus Europa nach dem Krieg. Bild: Saab

Sämtliche militärische Einrichtungen wurden entfernt

Vor ihrem Einsatz als zivile Kuriermaschinen entfernten die SAAB-Techniker sämtliche militärische Einrichtungen. An Stelle der gläsernen Bugkanzel des Navigators installierten sie eine neue, um einen Meter verlängerte Bugsektion, in der Fracht- und Navigationsräume eingebaut wurden. Die einstigen Bombenschächte wurden ebenfalls zu Frachträumen, während im hinteren Rumpfteil zwei Passagierkabinen relativ komfortablen Reisekomfort boten. Dem schloss sich eine Toilette sowie der zum unbewaffneten Ausguck umfunktionierte Gefechtsstand im Heck an. Bis zu 14 Passagiere fanden an Bord der zivilen B-17 Platz.

Beladung der SE-BAK vor dem historischen Erstflug eines kommerziellen Passagierflugzeugs zwischen Europa und Nordamerika nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Bild: SAS

Erster Flug von Stockholm-Bromma nach Schottland

Der erste Flug von Stockholm-Bromma nach Schottland stand unter dem Kommando von Captain Marshall Lindholm und wurde am 9. Oktober 1944 mit der SE-BAH „Sam“ durchgeführt. Keine einzige Boeing ging auf diesen Kurierflügen verloren und keines ihrer Besatzungsmitglieder oder auch nur ein Passagier wurden während der bis Kriegsende andauernden „Operation Felix“ verletzt oder gar getötet.

Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa erübrigten sich diese Kurierflüge. Doch damit zählten die viermotorigen B-17 Langstreckenmaschinen noch nicht zum alten Eisen. Vielmehr nutzte SILA ihre „Fliegenden Festungen“ bereits sieben Wochen nach Kriegsende für die Eröffnung der ersten Passagierroute über den Nordatlantik.

Dieser Erstflugbrief flog an Bord der „Jim“ von Stockholm-Bromma nach New York. Bild: Sammlung Wolfgang Borgmann

Wann flog die letzte „Felix“ B-17?

Auf Basis des 1943 von Per A. Norlin ausgehandelten Luftverkehrsabkommens zwischen Schweden und den USA konnte der Erstflug schon am 27. Juni 1945 von Stockholm-Bromma, über Reykjavik auf Island und das kanadische Mingan Richtung New York starten. Die SE-BAK registrierte und „Jim“ getaufte B-17F mit der Baunummer 5775 schrieb mit diesem Flug Luftfahrtgeschichte. Eine würdige Aufgabe für den einstigen Bomber, der ursprünglich als „Veni Vidi Vici“ (Ich kam, ich sah, ich siegte) an den Start ging.

Die letzte von ABA und SILA eingesetzte „Felix“ B-17 mit dem Kennzeichen SE-BAN und Taufnamen „Ted“ flog am 7. August 1947 auf dem Passagierdienst vom ägyptischen Kairo zu ihrer Basis in Stockholm-Bromma, wo sie 1948 verschrottet wurde.

Stockholm-Bromma am 27. juni 1945. Die Crew des Erstflugs in die USA der ABA / SILA „Felix“ B-17 mit dem Taufnamen „Jim“. Von links: Kapitän Åke Duvander, Kapitän Sven Gibson, die Navigatoren Henry Meisel und Krister Melén, die Funker Sven Piculell und Åke Rydell sowie die Flugmechaniker Erik Andreasson und Ragnar Wallentin. Bild: SAS

Zusammen legten die sieben schwedischen „Felix“ 2.340.000 Kilometer als Passagierflugzeuge zurück und flogen dabei im regulären Linienverkehr von Stockholm aus bis nach Rio de Janeiro. Zwei B-17 „Felix“ wurden nach Kriegsende an Dänemark verkauft und kamen mit den Zulassungen OY-DFA und OY-DFE auf Passagierflügen der dänischen Airline DDL innerhalb Europas sowie auf der Langstrecken-Route in das südafrikanische Johannesburg zum Einsatz.

Logbuch der „Felix“ B-17 mit dem Kennzeichen OY-DFA der dänischen Fluglinie DDL. Bild: Sammlung Wolfgang Borgmann