Britten-Norman Islander verbinden Puerto Rico mit den Virgin Islands. Unser Autor erlebt im Cockpit die anspruchsvolle Landung auf der Insel Culebra.

Ein sanft geschwungener sichelförmiger Sandstrand, strahlend weiß, an dem sich die leichten Wellen türkis-blauen Wassers brechen, gesäumt von satter tropischer Vegetation. Der Blick auf Flamenco Beach ist atemberaubend, besonders aus den großen Fenstern der Britten-Norman Islander der Fluggesellschaft Vieques Air Link, die sich gerade im Anflug auf die Insel Culebra befindet.

Während die Passagiere diesen wunderbaren Ausblick genießen, bereitet sich der Pilot auf den anspruchsvollen Anflug vor. Dann geht alles ganz schnell: Nach Passieren des Strands durchfliegt die Islander ein kurzes Bergtal, um dann in einem steilen Sinkflug mit gleichzeitiger Kurve dem Geländeprofil hinunter zur Landebahn zu folgen. Trotz des ungewöhnlichen Anflugs setzt der Pilot die Islander weich auf die kurze Bahn, und wenige Sekunden später rollen wir bereits am Terminal vor. Willkommen auf Culebra!

Wozu gehört die Insel Culebra und wie komme ich dorthin?

Die Insel Culebra (spanisch für Schlange) gehört zusammen mit der Schwesterinsel Vieques zu Puerto Rico, einem sogenannten Außengebiet der USA. Geografisch zählt Culebra zu den karibischen Jungferninseln (Virgin Islands) und bildet zusammen mit Vieques sowie einer Reihe unbewohnter Eilande die Spanischen Jungferninseln (Spanish Virgin Islands). Nach der Entdeckung der karibischen Inseln durch Kolumbus fand Culebra vorerst jedoch wenig Beachtung und diente über Jahrhunderte vor allem Piraten als Versteck. Erst seit 1811 unterlag die Insel der permanenten Kontrolle des spanischen Gouverneurs von Puerto Rico, was dem Treiben der Piraten endgültig ein Ende setzte. Im Spanisch-Amerikanischen Krieg von 1898 fielen die Spanischen Junferninseln schließlich zusammen mit Puerto Rico an die USA.

Culebras Terminal ist zweckmässig eingerichtet. Allen nötigen Einrichtungen gruppieren sich rund um den zentralen Wartebereich.
Culebras Terminal ist zweckmässig eingerichtet. Allen nötigen Einrichtungen
gruppieren sich rund um den zentralen Wartebereich. Bild: Andreas Rohde

Heutzutage zählt Culebra rund 1800 Einwohner, deren Hauptsprache noch immer Spanisch ist. Bekannt ist die Insel vor allem für ihre wunderbaren Traumstrände, allen voran Flamenco Beach, der regelmäßig zu den zehn schönsten Stränden der Welt gezählt wird. Eine touristische Entwicklung der Insel fand anfangs jedoch nicht statt, da Teile Culebras für Schießübungen der US-Marine verwendet wurden, was sich im Nachhinein als Glücksfall erweisen sollte. So blieben der Insel die Sünden des frühen Massentourismus erspart. Auch nach Abzug der US-Marine blieb Culebra abseits der großen Touristenströme und bietet heute lediglich eine bescheidene Infrastruktur vor allem für Individualreisende. Zu erreichen ist Culebra nur über Puerto Rico, entweder über den See- oder den angenehmeren Luftweg zu Culebras „Benjamin Rivera Noriega Airport“ (IATA-Code CPX, ICAO-Code TJCP).

Ab nach Culebra: Benjamín Rivera Noriega Airport (CPX)

Der „Flughafen“ Culebras wurde ursprünglich 1957 von den United States Marines als Militärflugfeld zur Unterstützung der militärischen Operationen auf der Insel angelegt. Aber bereits ab 1965 ermöglichte die Regierung Puerto Ricos erste Zivilflüge, vor allem für die einheimische Bevölkerung.

Nach massiven Protesten der Einwohner Culebras gegen den Missbrauch ihrer Insel durch das US-Militär zogen sich die Militärs 1975 von der Insel zurück. Der Flugplatz wurde in die Verantwortung der Puerto Rico Ports Authority übertragen, die 1976 erste behelfsmäßige Passagiereinrichtungen baute. Nach dem Ende des militärischen Engagements auf Culebra wuchsen die Passagierzahlen in den Folgejahren beständig an. 1994 wurde ein neues und den Bedürfnissen von Airlines und Passagieren angemessenes Terminal errichtet, das bis heute das Gateway nach Culebra bildet.

Zusammen mit dem neuen Terminal wurde der Fluhafen nach Benjamin Rivera Noriega benannt – einem bekannten Piloten und Lokalpolitiker.

Drei Fluggesellschaften verbinden Culebra und Puerto Rico

Gleich drei Fluggesellschaften verbinden Culebra heute mit verschiedenen Orten auf Puerto Ricos Hauptinsel und Vieques: Air Flamenco, Cape Air und Vieques Air Link. Allen drei gemein ist der Einsatz der Britten-Norman BN-2-Islander auf den Culebra-Flügen, und das nicht ohne Grund: Die einzige Start- und Landebahn ist nur 792 Meter lang und 15 Meter breit. Sie hat zusätzlich ein erhebliches Abwärtsgefälle in der Hauptlanderichtung 13. In Verbindung mit den schwierigen Anflugverhältnissen durch einen Bergkamm direkt vor der Bahnschwelle erfordert Culebra den Einsatz von Maschinen für Kurzstart und -landung (STOL – Short Take-off and Landing), die gleichzeitig für Steilanflüge geeignet sind. Und hier kommt die Islander ins Spiel, die speziell für derartige Bedingungen konzipert wurde und zum Beispiel auch in Deutschland auf den Nordseeinseln eingesetzt wird.

Die BN-2 Islander hat zwei Kolbenmotoren, bis zu zehn Sitze und sechs Türen.
Die BN-2 Islander hat zwei Kolbenmotoren, bis zu zehn Sitze und sechs Türen. Bild: Andreas Rohde

Theoretisch könnte auf Culebra auch die DeHavilland DHC-6 Twin Otter eingesetzt werden, allerdings ist sie mit der doppelten Passagierkapazität schlichtweg zu groß. Somit hat sich Britten-Normans Islander fest auf Culebra etabliert und die Insel zu einem wahren „Islander-Paradies“ gemacht.

Platzhirsch auf Culebra ist Air Flamenco, die mit jeweils fünf täglichen Flügen nach Ceiba und San Juan Isla Grande die meisten Linien-Verbindungen von und nach Culebra anbietet. Dazu kommen Fracht- und Charterflüge. Aufbauend auf der Vorgängergesellschaft Flamenco Airways (gegründet 1976 von Ruben Torres Sr.) wurde Air Flamenco 1998 von den Brüdern Francisco und Ruben Torres Jr. als Bedarfsfluggesellschaft mit einer einzelnen Piper Cherokee gegründet.

Air Flamenco hat acht Maschinen

Bereits ein halbes Jahr nach Betriebsbeginn übernahm Air Flamenco ihre erste Britten-Norman Islander, die den Grundstein für eine stetig wachsende Islander-Flotte legen sollte, die heute stolze acht Maschinen umfasst. Neben den ursprünglichen Charterdiensten wurde das Angebot schnell um Liniendienste, sowie Fracht- und Postdienste erweitert, mit denen Air Flamenco ebenfalls in die Fußstapfen ihrer Vorgängergesellschaft trat, die einst recht betagte DC-3 Frachter einsetzte.

Mittlerweile besteht die Frachterflotte der Air Flamenco aus vier deutlich moderneren Turboprop-Frachtern vom Typ Shorts SD- 360. Dazu kommt ein Exemplar der etwas skurril anmutenden Britten-Norman-Trislander mit einem dritten Motor im Seitenleitwerk. Während die Shorts-Frachter heutzutage aber vom internationalen Flughafen in San Juan aus eingesetzt werden, bleibt Culebra fest in der Hand von Air Flamencos Islandern.

Alle müssen auf die Waage

Für einen besseren Einblick in den Flugbetrieb sind wir in Culebra mit Air Flamenco Captain José Miguel verabredet, den wir auf einem Islander-Umlauf nach Ceiba begleiten werden. Da die Islander maximal nur neun Passagiere mitnimmt, ist die Gewichtsverteilung von besonderer Bedeutung. So müssen alle Passagiere und sämtliches Gepäck vor dem Flug auf die Waage. Während das Bodenpersonal jetzt die korrekte Beladung berechnet, führt Captain Miguel die Vorflugkontrolle des Flugzeugs durch. Das Betanken der Maschine entfällt mangels Benzinverfügbarkeit vor Ort. Aus diesem Grund müssen alle Flüge auf die Insel den Rückflugsprit bereits mitbringen. Mit einem kurzen Blick auf den Windsack bestätigt Miguel die Wet- tervorhersage: „Typisch karibisch, sonnig und windig, Startbahn 13.“ So einfach kann es sein.

Mittlerweile haben auch alle Passagiere eingecheckt und werden nun zum Flugzeug geleitet. Die Islander hat keinen Mittelgang und deshalb auf jeder Seite drei Türen. Nachdem die geschlossen sind, begrüßt Miguel seine Gäste an Bord, erklärt persönlich die Sicherheitshinweise, startet die Motoren und rollt zur Startbahn.

In Culebra gibt es keine Flugverkehrskontrolle

Da es in Culebra keine Flugverkehrskontrolle gibt, unterliegt die Konfliktvermeidung den Piloten. Ein Kollege hat im Funk bereits den Anflug auf die Piste 13 gemeldet, und so warten wir dessen Landung ab. Sobald die Bahn frei ist, richtet Miguel die Islander auf der Startbahn aus, setzt Startleistung, und nach weniger als der halben Bahnlänge sind wir in der Luft. Durch den starken Gegenwind erscheint der Steigwinkel erstaunlich steil. Nach drei Minuten haben wir bereits unsere Reiseflughöhe von 1500 Fuß (450 Meter) erreicht. Bei einer Reisegeschwindigkeit von 135 Knoten erreichen wir Ceiba in Puerto Rico nach nur 14 Minuten Flugzeit.

Eine Islander von Vieques Air Link innerhalb des Tals in 450 Fuß. Die Bahn liegt direkt voraus am Ende des Tals.
Eine Islander von Vieques Air Link innerhalb des Tals in 450 Fuß. Die Bahn liegt direkt voraus am Ende des Tals. Bild: Andreas Rohde

Sturzflug auf die Piste „13“

Das „Umdrehen“ der Islander in Ceiba dauert nur wenige Minuten. Eine knappe Viertelstunde nach dem Aufsetzen in Ceiba sind wir schon wieder in der Luft, auf dem Rückweg nach Culebra. Die Rückflugzeit nutzt Captain Miguel, um das Anflugverfahren für die bevorstehende Landung zu briefen: Da ein gerader Anflug auf die Runway 13 aufgrund eines Bergs nicht möglich ist, führt der Weg über den Flamenco Beach und dann durch ein Tal, dessen Längsrichtung etwa 20 Grad von der Pistenachse abweicht.

Da Winde, die durch Täler wehen, durch den verengten Talquerschnitt beschleunigt werden und heftige Turbulenzen verursachen können, wird am rechten oberen Rand des Tals entlang geflogen, bis die Maschine am Ende des Tals entlang des Geländeprofils bis zur Bahn sinken kann, während gleichzeitig in die Landerichtung eingedreht wird. Trotz aller Routine bleibt der Anflug auch für die ortserfahrenen Piloten anspruchsvoll.

Captain Miguel konfiguriert die Islander bereits frühzeitig. Beim Passieren des Flamenco Beach sind die Klappen bereits voll ausgefahren, die Maschine in 500 Fuß mit einer Anfluggeschwindigkeit von 90 Knoten stabilisiert und alle Checklisten gelesen.

Der Gegenwind hilft

Während wir das Tal entlang der rechten Bergflanke passieren, sinken wir leicht auf 450 Fuß. Die Bäume erscheinen nun zum Greifen nah. Dann zieht der Captain die Leistung auf Leerlauf. Nur wenige Meter über dem Boden gleitet die Islander entlang des Geländes zur Bahn herab, während wir mit einer Linkskurve zur Bahn eindrehen. Die Sinkrate erreicht dabei 1300 Fuß pro Minute, was in etwa der dreifachen Sinkrate eines Standardanflugs entspricht.

Captain Miguel versucht dabei, möglichst frühzeitig auf der Bahn aufzusetzen, da diese auch noch ein erhebliches Abwärtsgefälle in Hauptlanderichtung aufweist, was den Bremsweg deutlich verlängert. Andererseits hilft der Gegenwind beim Bremsen. Schließlich erreichen wir das Terminal ohne heiße Bremsen, aber um eine Erfahrung reicher. Noch interessanter wird es oft im Winter, berichtet der Pilot, wenn Nordwinde über die Berge längs der Bahn wehen und starke Turbulenzen direkt in der Aufsetzzone verursachen. Aufgrund all dieser Besonderheiten müssen alle Air-Flamenco-Piloten ein Einweisungsprogramm durchlaufen, bevor sie Culebra anfliegen dürfen.

Wir fliegen mit der Cape Air

Nur wenige Tage nach unserem Island-Hopping mit Air Flamenco besteigen wir die nächste Islander – diesmal eine Maschine der Cape Air. Während Air Flamenco und Vieques Air Link in San Juan den City-Airport Isla Grande und damit vornehmlich lokale Kunden bedienen, fliegt Cape Air den internationalen Flughafen von San Juan an, der vor allem für Umsteiger interessant ist. Obwohl Cape Air vor allem als weltweit größter Betreiber der Cessna 402 sowie als Erstkunde der Tecnam P2012 Traveller bekannt ist, betreibt sie in der Karibik auch einige BN-2 Islander speziell für anspruchsvolle Plätze, wie Culebra.

Air Flamencos Islander N904GD in der Endanflugkurve auf Culebras Runway 13 – jetzt muss es abwärts gehen.
Air Flamencos Islander N904GD in der Endanflugkurve auf Culebras Runway 13 – jetzt muss es abwärts gehen. Bild: Andreas Rohde

Die Flugzeit nach San Juan beträgt rund 30 Minuten. Nach den Erfahrungen in Culebra wirkt die kleine Islander auf der riesigen Piste von San Juan doch etwas verloren …

Text & Fotos: Andreas Rohde