Die NBAA-BACE 2024 zeigt, wie sich die Business Aviation im Spannungsfeld von Innovation, wirtschaftlichen Herausforderungen und Nachhaltigkeit neu erfindet. Führende Hersteller und Unternehmen präsentierten wegweisende Technologien und Strategien, um den veränderten Marktanforderungen gerecht zu werden.

Das große Familientreffen der Business Aviation ist auch nicht das, was es mal war – ein Ereignis, beim dem der große Auftritt für die führenden Unternehmen der Branche Pflicht war. Und so ist es interessant, dass Branchenprimus Gulfstream nicht nur die europäische Schwestermesse EBACE aus dem eigenen Kalender gestrichen hat, sondern auch die NBAA-BACE. Gulfstream setzt auf regionale Messen und eigene Events wie zum Beispiel Demotouren, bei denen man die Kunden sehr viel exklusiver und persönlicher betreuen kann. Weil eine Messe wie diese für einen Hersteller mit allem Drum und Dran Millionen kostet, hat auch Dassault verkündet, dass man in Zukunft nur jedes zweite Jahr dabei sein will.

Textron Aviation: Unerwartete Wende und neue Light Jets

Allgemeines Kopfschütteln brach allerdings aus, als Textron Aviation nur einen Monat vor Messebeginn den Stand und die Ausstellungsfläche im Static Display kündigte. Als Grund nannte das Unternehmen den Streik von 5000 Mitgliedern der International Association of Machinists (IAM). Dieser, so schätzte das Analystenhaus Jeffries, werde einen Umsatzausfall von 300 Millionen US-Dollar bringen. Nur eine Woche später sah Textron sich genötigt, die Entscheidung zu kippen, aufgrund von „Kundenfeedback“, wie es in der zugehörigen Pressemitteilung vielsagend hieß. Intern dürfte es zudem einen Aufstand des Sales Departments gegeben haben.

So fand der von langer Hand geplante Paukenschlag zu Messebeginn dann doch statt. Textron Aviation präsentierte die nächste Generation seiner Light Jets, Cessna Citation M2 Gen3, CJ3 Gen3 und CJ4 Gen3. Die herausragende Innovation, die alle verbindet, ist das Garmin Emergency Autoland System, das den Jet bei Ausfall des Piloten sicher auf dem nächsten geeigneten Flughafen zu Boden bringt. Gerade für Flugzeuge, die mit einem Piloten unterwegs sind, der in vielen Fällen auch noch der Eigner ist, bedeutet das einen großen Sicherheitsgewinn.

Technologische Fortschritte: Emergency Autoland und G3000 Prime Cockpit

CJ3 Gen3 und CJ4 Gen3 bekommen außerdem noch das neue G3000 Prime Cockpit von Garmin, das in Sachen intuitiver Bedienung neue Maßstäbe setzt. Für die CJ4 Gen3, die Anfang Oktober ihren 107 Minuten dauernden Erstflug hatte, hofft Textron Aviation schon Ende 2025 die Zulassung zu bekommen. M2 Gen3 und CJ3 Gen3 sollen 2027 folgen. Nach abgeschlossener Zertifizierung will Textron Aviation die Emergency-Autoland-Funktion als Nachrüstlösung für Citation M2 Gen2 mit Autothrottle und CJ3 Gen2 verfügbar machen. Neben Mock-ups der neuen Cockpits konnten die Messebesucher auch das neue Kabinendesign in Augenschein nehmen.

Ausblick auf die neuen Modelle von Textron und Beechcraft

Im Freigelände auf dem Henderson Executive Airport im Süden von Las Vegas war ebenfalls das Mock-up der neuen Citation Ascend zu sehen. Die Flugerprobung des neuen Midsize-Jets läuft nach Angaben von Textron planmäßig, wie auch die der einmotorigen Beechcraft Denali. Beide Muster sollen 2025 ihre Musterzulassung erhalten.

Marktstudien: Positive Prognosen trotz Unsicherheiten

Nach der Marktstudie von Honeywell bleiben die Aussichten für die Branche rosig. In den nächsten zehn Jahren sollen 8500 neue Jets im Wert von 280 Milliarden US-Dollar ausgeliefert werden. Besonders gut geht es dabei den „Großen“. Zwei Drittel der Investitionen werden in Langstreckenjets gehen. Für das kommende Jahr zeigen die Umfragedaten, dass 93 Prozent der Betreiber genauso viele oder mehr Stunden fliegen wollen als in 2024. Für 82 Prozent von ihnen bleibt die Leistung eines Flugzeugs ein zentrales Kaufargument.

Mit 8600 Jets im Wert von 262 Milliarden US-Dollar kommt Datenspezialist JetNet auf sehr ähnliche Zahlen. Hinzu kämen 4300 Turboprops für 25 Milliarden US-Dollar. Bei allem langfristigen Optimismus diagnostizierte JetNet aber eine verbreitete Verunsicherung in der Branche. Die gerade abgeschlossene Umfrage für das dritte Quartal zeige den Optimismus auf dem niedrigsten Stand seit Beginn der Covid-Pandemie Anfang 2020. Trotz der robusten Konjunktur der amerikanischen Wirtschaft drücke die geopolitische Situation mit den zahlreichen Konflikten auf die Stimmung. Vor allem aber wirke sich die Angst vor dem Ausgang der Wahlen aus.

Umweltbewusstsein in der Business Aviation: Pilatus und Nachhaltigkeit

Von einer demokratisch geführten Regierung unter Kamala Harris und einer demokratischen Mehrheit im Kongress erwarten sich viele einen weiter zunehmenden Gegenwind für die Branche. Die Bedeutung der Business Aviation für die amerikanische Wirtschaft und der Schutz von Klima und Umwelt stand denn auch von Seiten der NBAA weit oben auf der Agenda. Gemäß einer Befragung von Finanzinstitutionen und Brokern im Auftrag von Airbus Corporate Jet wird der Beitrag zur Wirtschaftsleistung der USA in den kommenden fünf Jahren von 150 auf 182,2 Milliarden US-Dollar steigen. Die Nutzung von klimaschonendem SAF werde in den kommenden Jahren steigen, wodurch auch die Nutzung der Flugzeuge weiter zunehmen werde.

Um dem Trend zur Verringerung der Umweltbelastung Rechnung zu tragen, präsentierte Pilatus gemeinsam mit dem österreichischen Interiorspezialisten F/List eine umweltfreundliche PC-24-Kabine. Das pflanzenbasierte Öl-Holz-Furnier hat niedrigere Ausdünstungen an flüchtigen organischen Verbindungen. Zugleich ist es unempfindlich gegen Kratzer, haltbar und pflegeleicht. Zum Einsatz kommt auch sogenanntes Whisper Leather, ein aus rein pflanzlichen Rohstoffen hergestelltes Lederimitat.

Erfolgreicher Messeauftritt von Embraer

Zum Messeauftakt machte Embraer einmal mehr mit starken Zahlen auf sich aufmerksam. Die Auslieferung von Businessjets stieg gegenüber dem Vorjahr von 28 auf 41, ein Zuwachs von knapp 50 Prozent. Besonders erfolgreich war dabei die Praetor-Reihe mit 19 Exemplaren – nach neun in 2023. Der Auftragsbestand stieg auf 4,4 Milliarden US-Dollar. In Las Vegas zeigte Embraer die Phenom 100, Phenom 300E und Praetor 600.

Wheels-Up: Flottenharmonisierung und neue Technologien

Wie George Mattson, Chef des in Turbulenzen geratenen Charteranbieters Wheels-Up auf der Messe verkündete, wird das Unternehmen die Flotte um die Embraer Phenom 300 und Bombardier Challenger 600 harmonisieren. Derzeit sind sechs verschiedene Muster im Einsatz. Wheels-Up wurde im vorigen Jahr durch ein Investment von Delta Airlines gerettet.

Konnektivität und Advanced Air Mobility als Zukunftsthemen

Alle Flugzeuge sollen mit GoGo-Galileo-HDX-Internet ausgestattet werden. Überhaupt stand das Thema Konnektivität hoch auf der Agenda. Als erste OEM wird Textron Aviation das System werkseitig als Option anbieten. Und zwar für die Citation-Modelle Latitude, Longitude und Ascend. Der kommerzielle Start von Galileo HDX soll im vierten Quartal dieses Jahres erfolgen.

Einen festen Platz in der Business Aviation nimmt inzwischen die Advanced Air Mobility ein. Zu den Ausstellern in Las Vegas gehörten Lilium, Joby und Elektra. Genau wie Textron eAviation mit dem eVTOL Nexus zielen sie auf Charteranbieter als Kunden, die ihren Businessjetkunden so ein nahtloses Angebot für die Reise bis in die Geschäftszentren der großen Metropolen anbieten könnten. Lilium hat bereits Vorbestellungen von EMC Jet Texas und der italienischen Gesellschaft Volare.

Eine Besonderheit bei Elektra ist, dass das Flugzeug über einen hybridelektrischen Antrieb verfügt und mit einer Startbahn von 100 Metern operieren kann. Zu den Kunden gehört Bristow, der weltweit führende Betreiber von Hubschraubern. Er will seine Flotte von 300 Helikoptern durch 50 Elektra ergänzen und hat sich Anzahlungen früher Lieferpositionen gesichert.

Text: Heinrich Großbongardt