Ohne den vor 60 Jahren erstmals geflogenen Hansa Jet gäbe es heute keine Airbus-Produktion in Hamburg. Das mit ihr gewonnene Know-how machte den Standort für die A300, und alle darauf folgenden Airbus-Modelle fit.

Vor 60 Jahren, 21. April 1964, war weithin rund um das Flugzeugwerk in Hamburg-Finkenwerder ein Dröhnen am Himmel zu hören. Nur wenige werden den kleinen Jet mit nach vorne gepeilten Tragflächen gesehen haben, denn seine Spannweite betrug gerade einmal knapp 15 Meter. Umso mehr Aufmerksamkeit erregten dessen laute General Electric CJ610-Triebwerke – lange, bevor die heute üblichen leisen Fanmotoren in der Luftfahrt Einzug hielten. 

Jet-Premiere in Hamburg

Was sich damals auf dem noch beschaulichen Werksflughafen der Hamburger Flugzeugbau GmbH (HFB) abspielte, war eine Dreifachpremiere:

  • HFB 320 Hansa Jet war das erste deutsche, in Serie gebaute Düsenverkehrsflugzeug.
  • Der erste Jet „made in Hamburg“, der im heutigen Airbus-Werk komplett selbst entwickelt und endmontiert wurde.
  • Der erste deutsche Passagierjet, der in pan-europäischer Kooperation gebaut wurde.

Am 21. Februar 1967 erhielt die HFB 320 ihre deutsche und wenige Wochen später auch die amerikanische Zulassung in der höchsten Klasse für Verkehrsflugzeuge.  

Der elegante Hansa Jet im Flug. Bild: Hamburger Flugzeugbau GmbH

Fliegen in seiner schönsten Form

„Fliegen in seiner schönsten Form“ – so warb HFB für eine Flugreise an Bord des Hansa Jets. Neben zwei Prototypen verließen 45 Serienflugzeuge die Endmontagehalle des heutigen Airbus-Werks. Die erste europäische „320“ wurde zwar überwiegend zivil als Geschäftsreisejet genutzt, doch flog sie auch für europäische und nordamerikanische Airlines in dem ihr zugedachten Linien- und Charterdienst. 

Gerade die Frachtausführung war bis Anfang dieses Jahrtausends bei US-amerikanischen Expressfrachtgesellschaften wie Airborne Express, Mc Collum, Pelican Express, Purolator und Kalitta Flying Services beliebt.

Die mit dem Hansa Jet gewonnene Erfahrung war für die Hamburger Flugzeugbau GmbH sprichwörtlich Goldwert. Denn erst sie ermöglichte die Bewerbung der Hansestadt Hamburg für das nachfolgende Airbus-Programm. Damals beschäftigte HFB gerade einmal 4000 Mitarbeiter – heute sind es bei Airbus rund 12.500.

Werner Blohm war Sohn des HFB-Firmengründers Walter Blohm und zu Hansa-Jet-Zeiten nicht nur HFB-Gesellschafter, sondern auch deren kaufmännischer Geschäftsführer. Er bestätigte: „Ohne das beim Bau des Hansa Jets gewonnenen Know-how hätte sich der Luftfahrtstandort Hamburg niemals für das nachfolgende Airbus-Programm bewerben können.“

Endmontage von HFB 320 und C-160 Transall im gleichen Werk, in dem heute Airbusse endmontiert werden. Bild: Hamburger Flugzeugbau GmbH

Vom Hansa Jet zu Airbus

Der Hansa Jet war ein echter Europäer und gab einen kleinen Vorgeschmack auf das darauf folgende Airbus-Programm. Das Heck samt Leitwerk fertigte CASA in Spanien, das Fahrwerk stammte von Lockheed aus dessen britischem Zweigwerk, die Tragflächen baute SIAT in Donauwörth, den Rumpf die Hamburger Flugzeugbau GmbH in ihrem Stader Werk und die Endmontage zum ganzen Flugzeug erfolgte schließlich bei HFB in Hamburg-Finkenwerder. Die Triebwerke lieferte General Electric von der anderen Seite des Atlantiks hinzu.

Nach der Fusion von HFB, mit Messerschmitt und Bölkow zu MBB, löste die Produktion von Bauteilen für die ersten Airbus-Jets die Fertigung der Hansa Jets langsam ab.

Der Airbus A300B1-Prototyp ging am 28. Oktober 1972 erstmals an den Start, und besuchte kurz darauf das MBB-Werk in Hamburg. Eine neue Zeitrechnung hatte für das Hamburger Flugzeugwerk begonnen – und der Rest ist Geschichte, wie man so schön sagt. In diesem Fall eine einzigartige Airbus-Erfolgsstory.

 

Airbus A300B2/B4-Rumpfmontage in Hamburg-Finkenwerder Anfang der 70er-Jahre. Bild: MBB