Lufthansa fordert verkehrspolitische Wende
In knapp vier Monaten sind 350 Millionen Europäer und Europäerinnen zur Wahl aufgerufen. Grund genug für den Lufthansa-Konzern, jetzt eine Neuausrichtung der EU-Luftfahrtpolitik zu fordern.
Blickt die Lufthansa zurück, dann ist sie mit den politischen Entscheidungen, die die EU in der aktuell noch laufenden Legislaturperiode getroffen hat, recht unzufrieden. Zugegeben: Der EU-Binnenmarkt schaffe breite und zuverlässige Konnektivität innerhalb Europas. Und dank der Anbindung an die Welt könne der Luftverkehr so die Wirtschaftskraft, Unabhängigkeit und Souveränität des Kontinents stärken, heißt es im aktuellen Politikbrief des Kranichs.
Doch in den Augen der Lufthanseaten hätten die Volksvertreter in der Vergangenheit Wichtiges aus den Augen verloren: „Der European Green Deal als politische Priorität führt für die Luftfahrtindustrie zu massiven Nachteilen im internationalen Wettbewerb. Europäische Airlines sind einseitig mit steigenden Auflagen und Kosten konfrontiert, während nicht-europäische Fluggesellschaften weitgehend unbehelligt von Klimaschutzregulierungen weiterfliegen“, ärgert sich Lufthansa.
Doch dem noch nicht genug: Gleichzeitig „wurden die ohnehin schon großzügigen Verkehrsrechte für eine Staatsairline vom Golf noch einmal deutlich erweitert“.
Lufthansa fordert einen politischen Kurswechsel
Gemeint ist Qatar Airways, die „in diesem Winter 35 Prozent mehr Kapazität für Flüge nach Deutschland einsetzt als noch im Jahr 2021. Mit dem Umsteigen in Doha werden die strengen europäischen Klimaschutzregulierungen umgangen. Das ist extrem widersprüchlich und ein Eigentor auf Kosten der Umwelt und unserer Wettbewerbsfähigkeit“.
Lufthansa fordert deshalb einen Kurswechsel. „Europa muss das Ruder jetzt rumreißen und eine Politik verfolgen, in der Wettbewerbsfähigkeit und Klimaschutz Hand in Hand gehen. Das ist nötig und möglich.“
Was wird konkret gefordert?
Des Kranichs Liste an Vorschlägen für Maßnahmen, die Innovation fördern, fairen Wettbewerb gewährleisten und die Rechte von Passagieren und Arbeitnehmern gleichermaßen schützen, ist lang.
Zum einen müssen „Europas Entscheider der heimischen Luftfahrtindustrie wieder Priorität einräumen“, und Airlines wie Flughäfen nicht durch immer neue Regulierungen, die die Kosten in die Höhe treiben, einseitig belasten. Zwingend notwendig sei beispielsweise eine gründliche Überprüfung des European Green Deals, „insbesondere der ReFuelEU-Aviation-Verordnung“.
Aktueller Stand ist, dass unter anderem jeder Treibstoff, der Airlines auf Flughäfen in der EU angeboten wird, ab 2025 einen Mindestanteil an nachhaltigen Kraftstoffen und ab 2030 einen Mindestanteil an synthetischen Kraftstoffen enthält, die beide bis 2050 schrittweise angehoben werden. Das verteuere einseitig Flugverbindungen über europäische Drehkreuze, sagt die Lufthansa. Der Preisanstieg bei Reisen über Istanbul, Doha oder Dubai hingegen sei marginal, da die SAF-Quoten hier nur für einen kurzen Teil der Strecke greifen. Reisen mit Nicht-EU-Airlines werden also vergleichsweise günstiger, mit dem Effekt, dass Kohlendioxid-Emissionen verlagert und nicht vermieden werden.
Stehen die Fluggastrecht zur Disposition?
Eine weitere Forderung der Lufthansa lautet, Luftverkehrsabkommen für europäische Interessen zu nutzen. Die Luftfahrt-Außenpolitik habe dafür Sorge zu tragen, dass „verbindliche und durchsetzbare Vorgaben zum Umweltschutz, zu sozialen Fragen und zu fairem Wettbewerb in bestehende und künftige Luftverkehrsabkommen aufgenommen werden“.
Auch die Gesetzgebung hinsichtlich der Fluggastrechte sollte laut Lufthansa noch einmal überarbeitet werden: „Die derzeitige EU-Verordnung (…) ist rechtlich nicht eindeutig und hat sich daher vor europäischen Gerichten zu einem der am meisten umstrittenen Verordnungen entwickelt. Überzogene und unklare Verbraucherschutzregeln und damit verbundene Kosten belasten die Zukunftsfähigkeit des europäischen Luftverkehrs über Gebühr.“
Luftverkehr soll klimafreundlicher werden – bitte mithilfe einer EU-Förderung
Und: Wenn sich der Luftverkehr schon klimafreundlicher aufstellen soll, dann bitte mithilfe einer Förderung durch die EU. Die Lufthansa Group zählt sich schon heute zu den Innovationsvorreitern. „Bis 2030 werden wir insgesamt 200 brandneue Flugzeuge in den Dienst stellen, die gegenüber den Vorgängermodellen bis zu 30 Prozent weniger Treibstoff benötigen und entsprechend weniger Kohlendioxid emittieren“, betont der Konzern und verweist darüber hinaus gern auf jene Innovationen, die er selbst vorantreibt. „AeroSHARK“ beispielsweise – eine Klebefolie, die der Haut von Haien nachempfunden ist und die Aerodynamik von Flugzeugoberflächen optimiert. Dadurch sinken Treibstoffverbrauch und Kohlendioxid-Emissionen.
Aber auch der europäische Gesetzgeber ist laut Lufthansa gefordert, die Dekarbonisierung gezielt zu unterstützen: „Ein vollständig umgesetzter Single European Sky ermöglicht deutlich effizientere Flugrouten und würde den Kerosinverbrauch im europäischen Luftverkehr maßgeblich senken. Neben dem Klima profitieren auch die Passagiere, zum Beispiel bei der Pünktlichkeit.“