Pollution Control: Mit den Öljägern über die Ostsee
Das Havariekommando Pollution Control überwacht im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums die deutschen Seegebiete im Kampf gegen die Verschmutzung des Meeres. Wir haben eine Crew bei einem Einsatz begleitet.
Noch gut in Erinnerung ist der Brand auf dem mit tausenden Autos beladenen Frachtschiff Fremantle Highway im Sommer 2023 in der Nordsee. Einsatzkräfte kämpften vor Ameland gegen eine Ölkatastrophe. Angesichts der Ereignisse vor der niederländischen Insel wuchs auch an den deutschen Küsten die Sorge vor einer drohenden Katastrophe. Am Ende ging alles gut, Umweltschäden konnten vermieden werden, die eingespielten Notfallteams der Anrainerstaaten hatten das Schlimmste verhindert.
Doch nicht immer sind es Unglücke wie diese, denen das Team der Pollution Control auf der Spur ist. Oft sind es auch bewusste Umweltverstöße, die es zu verhindern, zumindest jedoch zu ahnden gilt. Das in Cuxhaven sitzende Havariekommando überwacht im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums die deutschen Seegebiete und kämpft so gegen die Verschmutzungen des Meeres. Die beiden zivilen Behörden betreiben selbst aber keine Flugzeuge, vielmehr werden sie mit Fluggerät von der Marine unterstützt.
Das Marinefliegergeschwader 3 „Graf Zeppelin“ in Nordholz verfügt deshalb über zwei Mehrzweck-Transportflugzeuge vom Typ Dornier 228 LM. Die beiden Flugzeuge sind für ihren Auftrag als „Öljäger“ speziell ausgerüstet. Das erste dieser beiden, die Maschine mit dem Kennzeichen 54+04, hat kürzlich darüber hinaus eine neue, hochmoderne Missionsausstattung erhalten. Mit ihr geht es am heutigen Tag auf Patrouille.
Pollution Control: Start in Nordholz bei Cuxhaven
„Pollution Control 349, you are cleared for take off.“ Es ist 8.40 Uhr Ortszeit, als Kapitänleutnant Constantin (53) die Schubhebel der Do 228 auf Startleistung stellt. Der Copilot, Kapitänleutnant Benjamin (29), überwacht konzentriert die Instrumente, als wir auf der Startbahn 26 des Fliegerhorstes Nordholz zu einem gut dreistündigen Überwachungsflug aufbrechen.
Zuvor hatten einige Briefings auf dem Programm gestanden. Neben den in der Luftfahrt üblichen Informationen, insbesondere zum Flugwetter auf der Strecke, gab es auch einen detaillierten Missionsauftrag. Dieser wird der Dornier-Crew allerdings erst kurz vor dem Start übermittelt und orientiert sich an einer präzisen, tagesaktuellen Aufgabenstellung durch das Havariekommando. Für die heutige Mission lautet der Auftrag, ein definiertes Gebiet der Ostsee penibel auf mögliche Umweltverschmutzungen durch den internationalen Schiffsverkehr zu kontrollieren.
Mehrere Patrouillenflüge auf unterschiedlichen Routen am Tag
8.41 Uhr: Mit 91 Knoten Rotationsgeschwindigkeit heben wir ab und steigen zunächst auf unsere festgelegte Reiseflughöhe von 2000 Fuß, etwa 600 Meter. Während es in Richtung Neustadt in Holstein und weiter ins Einsatzgebiet geht, bleibt Zeit, uns mit Stabsbootsmann Henrich, verantwortlicher Operator an Bord, über seine Arbeit und speziell natürlich die technischen Möglichkeiten bei der Jagd auf Umweltsünder zu unterhalten. Henrich ist seit 1997 dabei und hat das zunächst hohe Ausmaß an Umweltverschmutzung in der Ost- und Nordsee miterleben müssen. Gleichgültigkeit der Schiffsbesatzungen und -eigner war eine der Ursachen, das Einsparen der hohen Kosten für sachgerechte Entsorgung ein weiterer Grund. Und so ging über Bord, was zu entsorgen anfiel. Im schlimmsten Fall: Öl.
Genau hier setzt das Havariekommando an. Patrouillenflüge auf unterschiedlichen Routen, oft mehrere am Tag, lassen unter potenziellen Umweltsündern keine Sicherheit mehr aufkommen. Häufig orientiert sich der Missionsauftrag auch an einem der regelmäßigen Satellitenüberflüge, die ein ganz konkretes Lagebild liefern. Gibt es keine Auffälligkeiten durch Satellitenbeobachtung, kommt die Bordtechnik zum Einsatz.
Henrich erklärt sein Reich: „Unsere Do 228 LM basiert auf dem zivilen Kurzstreckenflugzeug Dornier 228. Mithilfe Radar, Infrarot- und Ultraviolett-Sensoren sowie Mikrowellenradiometer, Fluoreszenz-Laser und Videokameras können wir aus der Luft jegliche Verschmutzungen auf der Wasseroberfläche entdecken – egal ob am Tag oder in der Nacht.“ Die gesammelten Daten leiten die Marineflieger unmittelbar an das Havariekommando weiter.
Durch Pollution-Control-Flieger ist die Umweltverschmutzung zurückgegangen
Derweil erreichen wir unser Einsatzgebiet und sinken auf die Arbeitsflughöhe von zunächst 300 Fuß, knapp 100 Meter. Bevor sich Henrich endgültig in seine Instrumente vertieft, erzählt er uns noch, dass dank des Einsatzes der Pollution-Control-Flieger die Umweltverschmutzung deutlich zurückgegangen sei. Hohe Strafen für die ertappten Sünder und die Abschreckungswirkung der täglichen Missionen wirken Wunder. Aktuell wird nur noch etwa alle 14 Flugstunden ein Vorfall registriert.
Wir sind über der internationalen Schifffahrtsroute angekommen und arbeiten uns Meile für Meile voran. Ab jetzt wird überwiegend manuell geflogen, wie uns Constantin erklärt, der bei den Marinefliegern auch als Fluglehrer tätig ist. Neben vorgegebenen Routen hat Henrich mit seinen Messergebnissen ebenfalls Einfluss auf den Flugweg. Unter 1000 Fuß sei das Fliegen mit aktiviertem Autopiloten, mit Ausnahme des Landeanfluges, übrigens nicht erlaubt, erklärt uns Constantin.
Ausgezeichnet manövrierbar
Die Maschine sei sehr feinfühlig zu steuern, so der Kapitänleutnant weiter. Er liebe „seine“ Do 228. Mit dem bei RUAG im Jahr 2009 entwickelten neuen Cockpit, zusätzlich angepasst an die militärische Fliegerei, sei sie vom Cockpit her mit modernen Airlinern vergleichbar und darüber hinaus ausgezeichnet manövrierbar. Um die Lebensdauer der Triebwerke zu erhöhen, wurde die Leistung von 1000 auf 776 PS gedrosselt.
Henrich unterbricht unser Gespräch, um uns das sogenannte „Fotopattern“ eines Frachtschiffes zu demonstrieren, das unseren Weg kreuzt. Dies ist ein Vorgang, der im Fall einer vorangegangenen Auffälligkeit mittels eingebauter Bordtechnik der Beweissicherung dient. Das Fotopattern ist ein standardisiertes Verfahren, in dessen Ergebnis eine einem Kleeblatt ähnliche Flugroute steht – geflogen in 90-Grad-Kurven und in einer Einsatzhöhe von 100 Fuß.
Die Crew fliegt also das vorgeschriebene Verfahren ab, und während Henrich mithilfe seiner technischen Ausrüstung alles erfasst und dokumentiert, staunen wir über die hochauflösenden Fotoergebnisse, die auch auf einen der Monitore im Cockpit übertragen werden. Alle im Standard vorgegebenen Bereiche waren erfasst und dokumentiert worden (nachts übrigens per Video statt Foto, und der Heckspiegel des Schiffes, sein Nummernschild quasi, per Laserbeleuchtung). Die genaue Auswertung der festgestellten Verschmutzung wird jetzt an das Havariekommando übermittelt, das den Vorgang an die zuständigen Behörden wie die Wasserschutzpolizei weiterleitet. Diese stellt den Verursacher möglichst noch in deutschen Hoheitsgewässern oder im nächsten Hafen und zieht ihn zur Verantwortung.
Das Havariekommando ist auch für die Sofortbekämpfung zuständig
Ab einer gewissen Ölmenge sei das Havariekommando dann auch für die umgehende Sofortbekämpfung zuständig, so wie übrigens auch bei schweren Unfällen und komplexen Schadenslagen auf See. Auch hier dient die Do 228 LM als wertvolles Werkzeug zur Erstellung des Lagebilds. Kürzlich konnte bereits die 50 000ste Flugstunde absolviert werden, worauf die Besatzungen stolz sind.
Während uns Constantin über Flensburg wieder zurück zur Basis fliegt, erzählt Copilot Benjamin von seinem Weg ins Cockpit der Dornier. Dieser führte über die Bremer Verkehrsfliegerschule und eine spezielle Ausbildung mit abschließendem Type Rating auf der Dornier direkt zur Pollution Control, wo er seit Januar 2022 als Pilot tätig ist und mittlerweile bereits 420 Flugstunden auf der Do 228 angesammelt hat. „Wir fliegen am Tag und in der Nacht, 365 Tage im Jahr. Das ist schon eine große Herausforderung. Jeder Tag, jede Mission ist anders. Aber genau das macht den Spaß an der Fliegerei aus, und es ist ja auch für einen guten Zweck.“ Nach 526 nautischen Meilen, etwa 973 Kilometern, und 3:09 Stunden Flugzeit kehrt Pollution Control 349 wieder zur Basis zurück. Ein ereignisloser Tag für die Crew, ein erfreulicher Tag für die Umwelt.
Text & Fotos: Lutz Schönfeld