Ehemaliger Condor-CEO Ralf Teckentrup: „Flugzeuge haben eine Seele“
Ex-Condor-Chef Ralf Teckentrup ist einer der profiliertesten Luftfahrtmanager Deutschlands. Nun ist er im Ruhestand und hat seinem Nachfolger Peter Gerber ein zukunftsfähiges Unternehmen überlassen. AERO INTERNATIONAL hat mit Teckentrup über die Vergangenheit und Zukunft der Airline gesprochen.
Ob er irgendwann einmal geglaubt hat, dass das jetzt wirklich schiefgehen könnte mit seiner Condor? Genug Gelegenheiten hat es schließlich gegeben. Zwischendurch beispielsweise, als Eigentümer Thomas Cook pleite gegangen ist und die Leasingunternehmen von jetzt auf gleich die Flugzeuge zurückbekommen wollten. Während der Corona-Pandemie, als Condor wie die meisten anderen Airlines zeitweilig gar nicht mehr fliegen konnte? Oder aufgrund des gescheiterten Verkaufs der Condor an die Polish Aviation Group? Einmal abgesehen vom Dauerkampf gegen die Lufthansa und ihrer Ablegerin Discover?
Ralf Teckentrup muss eine Weile überlegen. Nein, so seine Antwort. Eigentlich sei er sich nur am Anfang seiner Sache nicht so ganz sicher gewesen. Der damalige Lufthansa-Aufsichtsratschef Jürgen Weber hatte ihn seinerzeit gefragt, ob er sich einmal die Condor anschauen könnte. Teckentrup war Netz- und Einkaufschef der Lufthansa Passage, doch die Touristiktochter des Konzerns hatte im Vorjahr bei einem Umsatz von einer Milliarde Euro einen Verlust von rund 100 Millionen Euro geschrieben. Damals war nicht klar, ob ein neues Management die Airline würde retten können.
Es sind am Ende praktisch auf den Tag genau 20 Jahre geworden, die Ralf Teckentrup an der Spitze der Condor stand. Am 1. Januar 2004 wurde er in den Vorstand der damaligen Thomas Cook AG berufen, und am 31. Dezember 2023 endete sein Vertrag als Sprecher der Condor-Geschäftsführung. Teckentrup geht in den Ruhestand, offiziell zumindest. In den Jahrzehnten zuvor hat er sich in der deutschen Luftfahrtbranche einen geradezu legendären Ruf erworben. Vielen gilt er längst als der beste deutsche Airline-Manager seiner Zeit, schließlich hat er es entgegen allen Wahrscheinlichkeiten geschafft, die Condor als einzigen relevanten Lufthansa-Konkurrenten zu erhalten – dank eines eigenen, ziemlich attraktiven Profils als qualitativ gute Ferienfluggesellschaft. Teckentrup selbst, soviel Selbstbewusstsein muss erlaubt sein, würde wahrscheinlich nicht scharf widersprechen.
Ralf Teckentrup – der Unbequeme
Damals, 2004, war das schon eine große Entscheidung, zur Condor zu wechseln. Ralf Teckentrup galt als einer, der schon durchaus mehr werden könnte als „nur“ Bereichsvorstand bei der Lufthansa, wenn er doch nur manchmal etwas diplomatischer wäre und seinen damals oft ruppigen Ton etwas ändern würde. Doch ihm sei klar gewesen, so sagt er, dass er mit dem damaligen Lufthansa-Vorstandschef Wolfgang Mayrhuber nicht klarkommen werde. Etwas anderes zu machen, stand sowieso im Raum. Andererseits: „Ich hatte keine Ahnung von der Touristik“, so Teckentrup heute. „Es ist doch vieles sehr anders als bei einer Netz-Airline.“
Jedoch: Ralf Teckentrup hat die Touristik schnell gelernt, auch wenn die Rettung der Condor 2004 „ein ziemliches Brett“ war, so sein Rückblick. In den Jahren danach hat er viele Wettbewerber kommen und auch wieder gehen sehen. Air Berlin beispielsweise, einst eine große Nummer im deutschen Touristikgeschäft; die Kollegen jahrelang mit Dumpingpreisen ärgerte, über die sie ihre Überkapazitäten abzusetzen versuchte. Die Billigfluggesellschaften wie Ryanair und EasyJet, die danach strebten, sich im deutschen Markt zu etablieren. Dank der Lufthansa, von der später auch noch einmal die Rede sein wird, haben sie es nicht so recht geschafft, die Condor profitierte irgendwie auch davon.
Teckentrup ist irgendwie überzeugt, dass „Flugzeuge eine Seele haben“
Die größten Dramen fanden ab 2019 statt. An einem Sonntag im September ging Condor-Eigner Thomas Cook pleite. Am Montag schrieben die Leasinggesellschaften, denen die meisten Flugzeuge gehörten, dass die Flotte bitte bis Mittwochmorgen am Boden zu stehen habe. Teckentrup und seine Leute schafften es, innerhalb von eineinhalb Tagen Zusagen für staatliche Bürgschaften zu organisieren. Condor konnte weiterfliegen. Teckentrup glaubt, es wäre das sichere Aus gewesen, wenn auch nur ein Teil der Flotte nicht hätte weiterfliegen können, weil das das Vertrauen der Kunden erschüttert hätte. „Man kann niemandem erklären, wie wir da gearbeitet haben“, erinnert er sich. Tage- und nächtelang verhandelte das Kernteam rund um Teckentrup und dem Finanzchef Christoph Debus.
Nach außen gab sich Teckentrup in der Zeit meistens cool, aber stressig war es auch für ihn: Er fing wieder mit dem Rauchen an. Die Sache ging gut, auch weil die in die Jahre gekommenen Boeing 767 ausgerechnet in der kritischen Phase pannenfrei flogen, als wüssten sie, dass es jetzt darauf ankommt. Seither ist Teckentrup irgendwie überzeugt, dass „Flugzeuge eine Seele haben“.
Corona überstand Condor dank eisernem Sparen, enormem Zusammenhalt der Belegschaft und der Staatshilfen. Vor allem aber fand die Airline in dem Finanzinvestor Attestor einen neuen Eigentümer, der an das Potenzial des Unternehmens glaubt und eine Perspektive eröffnete. Mit Attestor an Bord konnte Condor endlich in eine neue Flotte investieren – mehr als 20 A330-900 für die Langstrecke sowie A320neo und A321neo für die Europaflüge. Knapp die Hälfte der A330neo sind mittlerweile ausgeliefert.
Condor hat unverwechselbare Streifen
Einfach ist es für Condor immer noch nicht, dafür sorgt alleine Lufthansa – die setzt, wie Teckentrup findet, „immer wieder auf eine klare Verdrängungsstrategie“. Er hat über die Jahre dokumentiert, wie Lufthansa aus seiner Sicht in unfairer Weise versuchte, Wettbewerber aus dem Markt zu drängen. Unvergessen der Plan, Condor die Zubringerflüge nach Frankfurt zu verweigern, den erst das Bundeskartellamt stoppte. Und da ist immer noch die neue Lufthansa-Ablegerin Discover, „ein Instrument von Carsten Spohr, um Condor immer wieder vor viele Heraus-
forderungen zu stellen“, so Teckentrup. Discover sei gar nicht darauf ausgelegt, Geld zu verdienen, sondern setze sich auf viele der Condor-Langstrecken, um dort Überkapazitäten zu produzieren.
Teckentrup hatte allerdings darauf eine Antwort. Statt weiter auf Strecken wie Frankfurt – Anchorage verlustreich gegen Discover anzufliegen, eröffnete er Flüge nach New York oder Los Angeles. Das Kalkül: Ein ähnlicher Preiskrieg auf diesen Strecken wäre für Lufthansa viel zu teuer, weil er einen viel höheren Kapazitätsanteil beträfe. Und Geld verdienen lässt sich dort auch für Condor prächtig.
„Condor hat den schönsten Markenauftritt der Welt“
Für die Zukunft sieht er seine Condor in jedem Fall gut aufgestellt. Zuallererst: „Condor hat den schönsten Markenauftritt der Welt“, behauptet Teckentrup. Die Streifen, die die Flugzeuge seit einer Weile zieren, sind jedenfalls unverwechselbar. Die A330neo „funktioniert in allen Klassen sensationell gut“, findet er. Die Condor Business Class sei besser als die der Lufthansa. Eine der spannendsten Fragen, die in seiner Ära nun nicht mehr beantwortet wird, ist, ob Attestor auf Dauer Eigner bleibt oder die Condor doch noch irgendwann Teil einer großen Airline-Gruppe wird. Die Lufthansa hat immer wieder Interesse bekundet, ihre einstige Tochter zurückzukaufen. Doch das scheint derzeit angesichts der skeptischen Brüsseler Wettbewerbshüter nicht denkbar. „Condor wird den Appetit von anderen wecken“, dessen ist sich Teckentrup sicher.
Wie es weitergeht, wird nun aber nicht mehr er entscheiden, sondern Attestor, der Aufsichtsrat und Nachfolger Peter Gerber, der ebenfalls von der Lufthansa kommt. Teckentrup hat seiner Frau versprochen, ihr „schon nicht zu Hause auf die Nerven zu gehen“. Er möchte vielmehr sein Wissen weitergeben. Wie, für wen und wann, das steht noch nicht fest. Für den Januar ist erst einmal ein Skiurlaub geplant.
Text: Jens Flottau