Aufbruchstimmung „down under“: Flughafen Melbourne im Porträt
Der zweitgrößte Flughafen Australiens startet nach der Corona-Krise selbstbewusst durch. Was können Passagiere an diesem Flughafen alles erleben?
Nicht nur der Kontinent Australien ist größer, als viele denken – auch seine Städte: Melbourne und Sydney liefern sich mit jeweils etwa fünf Millionen Einwohnern ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Der Flughafen Melbourne (IATA-Kürzel MEL) ganz im Südosten des Landes ist der zweitgrößte nach Sydney. 1970 mit zwei langen, sich kreuzenden Runways als Melbourne Tullamarine International eröffnet, löste der damals modernste Platz des Kontinents den zu dicht an der Stadt gelegenen internationalen Flughafen Essendon ab, auf dem schon die Beatles und Queen Elizabeth II landeten.
Rund um die Uhr am Flughafen Melbourne
„Wir sind ohne Nachtflugbeschränkungen rund um die Uhr anfliegbar“, berichtet Chief of Aviation Jim Parashos. „Unser Peak liegt mitten in der Nacht zwischen 22 und 1 Uhr, vor allem mit Flügen von und nach Südostasien. Airlines wie Etihad, Qatar oder Emirates können ihre Verbindungen nach MEL ohne Einschränkungen planen und außerhalb der eigenen Spitzenzeiten starten.“
Gemessen an der Zahl der Flugbewegungen und den Passagierzahlen, zähle der Platz nicht zu den großen der Welt, ergänzt Jim Parashos. Da sei noch viel Luft nach oben. Doch „2029 wird Melbourne mehr als sechs Millionen Einwohner haben und Sydney überholen“, erklärt er weiter. „Wirtschaft und Tourismus werden weiteres Wachstum bringen. Die Betriebsflächen stehen zur Verfügung.“ Melbournes internationale Fluggäste sind derzeit noch deutlich in der Minderzahl, doch das wird sich ändern.
Flughafen Melbourne legt Aufholjagd nach Corona hin
Australien hatte die härtesten Covid-Lockdowns der Welt und war zwei Jahre praktisch von der Außenwelt abgeschottet. Jetzt ist die Normalität zurückgekehrt. Auch Sydney profitiert vom Ende des Dornröschenschlafs. Der große Rivale Melbournes hatte in der Vergangenheit stets die Nase vorn. Doch die Besucherzahlen der Melbourner Tourismusbehörde zeigen: Melbourne holt auf.
„Die Leute fliegen nach Sydney und fotografieren Harbour Bridge und Opernhaus, um sagen zu können: Wir waren da“, sagt Parashos lächelnd. „Melbournes Besucher sind oft überrascht, wie groß und attraktiv unsere Stadt ist.“ Die Metropole am Yarra River galt noch vor 30 Jahren als etwas langweilig. Heute befindet sie sich wirtschaftlich, kulturell
und sportlich auf Weltniveau. Die südlichste Millionenstadt der Erde hat eine Skyline wie New York oder Boston, elegante Lofts am Wasser, schicke und originelle Ausgehviertel, Parks und attraktive Badestrände. Europäer könnten glatt übersehen, dass nur eine Autostunde entfernt die riesigen, äußerst dünn besiedelten Weiten Australiens beginnen.
Eine ganze Region im Aufschwung
Der Lebensstandard ist ebenso hoch wie die Immobilienpreise. Erdöl und Chemika- lien, Metalle, Autos, Elektronik, Maschinen, Textilien, Kleidung, Papier und Nahrungsmittel werden hier hergestellt oder im Hafen umgeschlagen. Melbourne ist Sitz der weltgrößten Minengesellschaft, internationaler Banken, Unternehmensberatungen und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sowie der Australien-Vertretungen von Mercedes-Benz und Porsche. Unter den wichtigsten Finanzzentren der Welt liegt Melbourne derzeit auf dem zwölften Platz.
Flughafen Melbourne: Airport der kurzen Wege
Seit 1835 ist die Gegend am Yarra River von Europäern besiedelt. Seit dem Ende der „Australia White“-Politik, die von 1901 bis 1973 die Zuwanderung von Nicht-Weißen verhindern sollte, stammen die Bewohner Melbournes nicht mehr nur aus den klassischen Herkunftsländern Großbritannien, Griechenland, Italien, Irland oder Kroatien, sondern zu großen Teilen auch aus China, Indien oder Vietnam.
Der 1997 privatisierte Melbourne Airport verfügte als erster in Australien über einen eigenen Highway zur Stadt und fertigte 2005 landesweit die erste A380 ab. Das palmengesäumte Gelände mit den vier verbundenen Terminals und separatem Frachtbereich, geräumigen Parkhäusern und vier Hotels wirkt wie ein mittlerer Airport im Süden der USA. In den ersten Jahren galt er als Wunderwerk und zog mit seinen Aussichtsbereichen, Kinos, Restaurants, Bars und Shops mehr Besucher als Fluggäste an.
Flughafen Melbourne: Terminal 1,2,3 und 4
Heute schätzen Passagiere die kurzen Wege, eine gute Beschilderung und die (bei uns leider seltene) Möglichkeit, den kostenlosen Gepäckwagen ohne Sperren durch die An- und Abflugbereiche zu schieben. Terminal 1 dient Inlands- und Regional- flügen von Qantas and QantasLink, Terminal 2 internationalen Flügen mit First- und Business-Lounges, Terminal 3 Inlandsflügen von Virgin Australia und Terminal 4 Low-Cost- Airlines wie Rex, Jetstar, Airnorth oder Scoot. Im T4 befinden sich auch die Büros der Flughafenverwaltung.
Die Fluganzeigen in den Terminals belegen die Bedeutung der Asien-Strecken: Hanoi, Taipeh, Singapur und Dubai gehören zu den Standard-Destinationen, ebenso wie Kuala Lumpur, Shanghai oder Tokio. Zu den wichtigen Pazifik-Routen Richtung USA zählen Honolulu, Los Angeles oder San Francisco. Das Luftfracht-Gelände hat fünf Cargo- Positionen, die derzeit von rund 21 Frachtflugzeugen pro Woche genutzt werden.
Von Australien bis in die Antarktis
Am Melbourne Airport befindet sich auch eine von zwei überregionalen Flugsicherungs-Niederlassungen Australiens. Sie überwacht 50 Prozent des australischen Luftraums sowie weite Teile des Indischen Ozeans und der Antarktis, die von der südlichen Küste des Kontinents nicht mehr allzu weit entfernt ist. Von hier aus werden auch die An- und Abflüge von Canberra, Adelaide und Melbourne kontrolliert. Im Luftraum Melbournes liegen der internationale Flughafen Avalon, der Essondon Airport und der General-Aviation-Airport Moorabbin.
Jim Parashos blickt zufrieden über das Vorfeld. Gerade startet ein mit Pokémon- Figuren verzierter, quietschgelber Dreamliner von Scoot zum Sieben-Stunden-Flug nach Singapur. „Einer unserer Newcomer“, stellt Parashos fest. „Für solche Low-Cost-Verbindungen fahren Passagiere tatsächlich tausende von Kilometern nach Melbourne.“
Text: Rolf Stünkel