Der Flughafen Bremen gilt als einer der kleinsten Deutschlands. Doch was kann der Airport wirklich bieten und welche Expansionspläne gibt es?

Ein Donnerstag im Juni, kurz nach zwei am Nachmittag: Rushhour am Flughafen Bremen. Während sich die A319 der Sundair, von der griechischen Insel Kos gekommen, als auch die verspätet in London-Stansted gestartete Boeing 737-800 der Ryanair im Anflug auf die Piste 09 des Airports befinden, läuft im Terminal 1 bereits das Boarding für eine A320 der Lufthansa mit Ziel München sowie für eine A320neo der türkischen Pegasus, die Kurs auf Antalya nehmen wird.

Rund 1,5 Millionen Reisende am Flughafen Bremen

Und während parallel dazu die ersten Passagiere der drei Stunden zuvor in Izmir gestarteten Boeing 737-800 der Sun-Express über Boardingbrücken das Flugzeug verlassen, bestellen Fluggäste des Lufthansa-Flugs nach Frankfurt im kleinen Café hinter der Sicherheitskontrolle noch schnell einen Cappuccino.

Zwischen Hauptbahnhof und Flughafen benötigt die Straßenbahn etwa eine Viertelstunde. Bild: Dietmar Plath

Keine Frage: Es herrscht wieder Leben am BRE, so der IATA-Code des Airports. Vorbei sind die coronabedingt lauen Monate, in denen kaum noch Norddeutsche fliegen wollten und aufgrund der unzähligen Reiserestriktionen in weiten Teilen des Erdballs auch konnten. Wurden noch 2019, im letzten Vor-Corona-Jahr, rund 2,3 Millionen Fluggäste am Weser-Airport abgefertigt, zählte die Betreibergesellschaft, die Flughafen Bremen GmbH, 2020 lediglich 594 680 bezie- hungsweise 2021 rund 630 000 Passagiere. 2022 waren’s dann bereits wieder knapp 1,5 Millionen Reisende auf dem Neuenlander Feld, auf dem der Airport seit mehr als 100 Jahren seinen Platz hat.

Ein Jahrhundert Luftverkehr in Bremen

„Buten un binnen, wagen un winnen.“ Der plattdeutsche Leitspruch (auf Hochdeutsch: „Draußen und drinnen, wagen und gewinnen“) ist seit jeher die Devise der handels- freudigen Bremer Kaufleute. Und spielte der Seehafen der norddeutschen Hansestadt deshalb bereits im Mittelalter eine wichtige Rolle, sollte ihm der Jahrhunderte später auf dem ehemaligen Exerzierplatz als einer der ersten Flughäfen weltweit entstandene Air- port zunächst einmal kaum nachstehen.

Um 1910 herum fanden hier bereits waghalsige Flugversuche in abenteuerlich anmutenden Kisten statt. Die halbe Stadt war auf den Beinen, als im Oktober 1912 das erste Luftschiff auf dem Neuenlander Feld landete. Im Mai 1913 flatterte dem Bremer Verein für Luftfahrt die Genehmigung auf den Tisch, dort einen Flugstützpunkt einzurichten. Sektkorken knallten, als im Juli 1920 der Platz offiziell als Flughafen eingeweiht werden konnte und die große KLM aus den benachbarten Niederlanden im September desselben Jahres die Hansestadt in ihr inter- nationales Streckennetz aufnahm.

Die Luftfahrtgeschichte Bremens

Ausgerechnet das kleine Bremen! Das sogar seine Stadtmusikanten aufeinanderstapeln muss, damit sie am historischen Rathaus Platz finden. Doch die Hansestädter bewiesen früh Weitsicht, ahnten, dass der Luftverkehr enorme Entwicklungsmöglichkeiten bieten wird und förderten aviatisches Engagement jeglicher Couleur. Henrich Focke gründete schon 1923 an der Weser gemeinsam mit Georg Wulf und Werner Naumann die Bremer Flugzeugbau AG, die kurz darauf in „Focke-Wulf Flugzeugbau AG“ umbenannt wurde und deren Produkte schon kurze Zeit später Luftfahrtgeschichte schreiben sollten.

Eine historische Entwicklung am Flughafen Bremen

Nach dem Zweiten Weltkrieg, ab 1949, bot die SAS transatlantische Dienste von Bremen nach New York an. 1956 gründet die Lufthansa hier ihre Verkehrsfliegerschule. Die 60er-Jahre stehen für den Siegeszug der Düsenflugzeuge selbst an der Weser. Doch als die Frage aufkam, die Bremer Start- und Landebahn – zu jener Zeit 2034 Meter lang, aber aus Sicherheitsgründen nur bei Starts in Richtung Osten auf kompletter Länge nutzbar – den Ansprüchen des modernen Luftverkehrs anzupassen und auszubauen, wurde ob des erwarteten Konflikts mit den Anwohnern zunächst einmal lieber tief Luft geholt.

Das Alfred-Wegener- Institut (AWI) hat zwei BT-67 in Bremen stationiert. Bild: Dietmar Plath

Bremens Politik wollte den eigenen Airport, der sich innenstadtnah nur 3,5 Kilometer vom Zentrum entfernt befindet, zwischenzeitig sogar aufgeben und gemeinsam mit norddeutschen Nachbarbundesländern einen Großflughafen bauen. Erst als dieses Vorhaben gescheitert ist, beschloss der Senat 1973, den Flughafen als Regionalflughafen zu behalten. Mit einer beidseitig auf 2034 Metern nutzbaren Piste 09/27. Nicht mehr und nicht weniger. Ein Versprechen, an das sich die Politik noch heute hält.

Versprochen ist versprochen

Zugegeben: Auch wenn mittlerweile sowohl am östlichen als auch am westlichen Ende des asphaltierten Streifens jeweils 300 Meter hinzugebaut wurden, dürfen diese nur die Transportflugzeuge der Bremer Luft- und Raumfahrtindustrie nutzen. Nach wie vor spielt insbesondere der Flugzeugbau eine wirtschaftlich bemerkenswerte Rolle am Neuenlander Feld. Hersteller Airbus betreibt hier sein zweitgrößtes deutsches Werk – stellt Landeklappen her, baut Hydraulik- und kilometerlange Elektroleitungen in die Tragflächen der A330 oder A350 ein und montiert A400M-Rümpfe. Transportiert werden die Teile in den konzerneigenen Belugas, für die das Mehr an Startbahnlänge essenziell ist.

Flughafen Bremen als Standort für Raumfahrt

Außerdem gilt Bremen als profilierter Standort für die Raumfahrt. Ein Modell der Ariane-5-Trägerrakete steht nicht umsonst am Flughafen. Und so waren in der Vergangenheit sogar schon Boeing 747 für den Transport von an der Weser gefertigten Teilen oder gar ganzer Satelliten zu Gast am Airport. Aufsehen erregen außerdem die BT-67 des Alfred-Wegener-Instituts (AWI), die am Flughafen Bremen stationiert sind. Das AWI hat für seine Forschungsflugzeuge, modernisierte DC-3, extra einen 1400 Quadratmeter großen Hangar gemietet.

Zusätzlich ist die Business Aviation mit der in ihrem Metier sehr erfolgreichen Atlas Air Service sowie die DRF Luftrettung mit ihrem Helikopter vom Typ H145 am Airport beheimatet.

Winterfreuden mit der A320-Familie

Im Bereich Passagierverkehr sind es in erster Linie Flugzeuge der A320-Familie, Boeing 737 oder Embraer 175, die regelmäßig in die Hansestadt eingesetzt werden. Kurs genommen wird mit ihnen in Richtung wichtiger Drehkreuze (München und Frankfurt mit Lufthansa, Istanbul mit Turkish Airlines und Amsterdam mit KLM) sowie zu Zielen des touristisch-geprägten beziehungsweise VFR-Verkehrs (Visiting Friends and Relatives). Diese Destinationen liegen rund ums Mittelmeer, maximal im Norden Afrikas respektive auf den Kanaren. Darüber hinaus sind im Flugplan Ziele zu finden, die sowohl für Geschäfts- als auch Städtereisende interessant sind – allen voran London, aber auch Stuttgart oder Vilnius.

Insgesamt sind 25 Verbindungen regelmäßig nonstop

Insgesamt sind 25 regelmäßig nonstop bediente Destinationen ab Bremen erreichbar (Stand Juli). „Klar, es könnten immer mehr sein“, gesteht Flughafenchef Dr. Marc Cezanne ein. „Doch das ist das Angebot, mit dem unsere Kunden, die Airlines, Geld verdienen können, weil es auch nachgefragt wird.“ Deshalb lässt eine Ankündigung für den kommenden Winterflugplan aufhorchen: Die Swiss hat ihre Rückkehr an die Weser beschlossen. Ab dem 29. Oktober wird wieder Zürich – Bremen, anfangs viermal pro Woche mit A220, bedient. „Damit wird unser Streckennetz um eine sehr gefragte Destination und gleichzeitig um ein bei den Reisenden sehr beliebtes Drehkreuz erweitert“, betont Cezanne.

Neue  Ziele mit Wizz Air und Ryanair ab Flughafen Bremen

Zum Winter hin werden zudem die ungarische Wizz Air Tirana und die irische Ryanair Lanzarote ab Bremen ins Programm nehmen. „Darüber freuen wir uns sehr. Zumal es Low-Cost-Gesellschaften sind, die hier expandieren.“ Deutschland sei angesichts der Standortkosten „im europäischen Vergleich sehr hochpreisig“ und somit für Ryanair, Wizz Air und Co. immer weniger attraktiv, spielt Cezanne auf Luftverkehrsabgabe wie auf hohe Kosten für die Sicherheitskontrolle an.

Keine hat mehr Marktanteile in Bremen: Lufthansa fliegt von der Weser aus mehrmals täglich zu ihren Drehkreuzen München und Frankfurt. Bild: Dietmar Plath

Für das Gesamtjahr ist Bremen dennoch guter Dinge. „Der Passagierverkehr erholt sich, da liegen wir im deutschen Durch- schnitt. Das Fluggastaufkommen liegt aktuell bei 80 Prozent des 2019er-Niveaus“, berichtet der Flughafen-Chef und sieht seinen Standort dabei „auf einem guten Weg“. Und wie steht‘s um die Wirtschaftlichkeit? Das Sanierungsprogramm sei noch nicht abgeschlossen, so Cezanne, und kürzlich wurden die Tariflöhne angehoben, „was gut ist, denn nur so können wir als Arbeitgeber unsere Mitarbeiter auch halten“.

Vom Enteisen bis zur Vermietung

Doch insbesondere auf der Erlösseite sehe er noch Optimierungsmöglichkeiten. „Wir übernehmen inzwischen wieder Aufgaben, die zuletzt noch ausgelagert waren, beispielsweise das Enteisen der Flugzeuge.“ Außerdem verweist Cezanne auf die Möglichkeiten im Bereich Vermietung und Verpachtung.

„Wir werden alle noch freien Grundstücke vermarkten. Wir möchten außerdem mehr Dienstleitungen auch Dritten anbieten. Was wir auf den Markt bringen können, werden wir auch anbieten.“

Cezannes Ziel lautet ganz klar: „eine schwarze Null“. Also ein ausgeglichenes Ergebnis, das beihilferechtlich zulässige Zuführungen durch die Anteilseigner – im Bremer Fall wären das 50 Prozent der Investitionskosten und die Übernahme der hoheitlichen Kosten – beinhaltet. Was bestimmt noch zwei Jahre dauern könne, doch „das werden wir erreichen“, da ist sich der Flughafenchef sicher.