Condor: Mit A330neo in die Zukunft
Der Frankfurter Ferienflieger Condor modernisiert jetzt seine Langstreckenflotte. Die alten Boeing 767 werden aus- und parallel fabrikneue A330-900 eingeflottet – natürlich im aktuellen Streifendesign.
Die Maschine hieß intern einfach nur noch „Problembär“. Am 19. Dezember 2022 wurde die D-ANRA, die erste A330-900 der Condor, nach Frankfurt ausgeliefert. Kurz zuvor war sie noch in Toulouse beim Herumschieben am Boden mit dem Winglet an einem Hangar hängengeblieben. Und am 1. März, nur gut zwei Monate nach der Auslieferung, geriet sie ein Stück nördlich von Mauritius in schwere Turbulenzen – es gab Verletzte und schwere Schäden in der Kabine.
Condor mitten in Umbruch
Damit wären ungefähr die Probleme beschrieben, die Condor mit ihrer neuen Langstreckenflotte bislang gehabt hat. Sie ließen sich auch schlicht als Pech beschreiben. Denn wenn man einmal die Missgeschicke rund um den Problembären ignoriert, ist die Fluggesellschaft mit ihren neuen Maschinen „sehr glücklich“, wie Condor-Chef Ralf Teckentrup hervorhebt. „Ich würde mir wünschen, alle Flugzeuge würden so fliegen.“ Und Airbus würde pünktlich liefern, aber das ist ein anderes Thema.
Condor jedenfalls steht inmitten eines Umbruchjahres, das wieder jede Menge Wochenendschichten nötig macht. Aber auf gewisse Weise ist das ein schönes Problem für die Ferienfluggesellschaft. Denn rückblickend betrachtet grenzt es ja wirklich schon fast an ein Wunder, dass es sie überhaupt noch gibt. Im September 2019 brach der Thomas-Cook-Konzern, zu dem Condor gehörte, in sich zusammen. Condor drohte, in dem Sog mit hintergezogen zu werden, beantragte ein Schutzschirmverfahren, also eine Insolvenz in Eigenregie, und bekam Überbrückungskredite des Bundes und des Lands Hessen.
Finanzinvestor rettet Condor
Die Suche nach einem neuen Eigentümer begann, mit der Polish Aviation Group (PGL) wurde bald eine Einigung erzielt. Dann brach die Corona-Pandemie aus, PGL zog sich zurück, der Luftverkehr implodierte. Weitere Staatshilfen wurden nötig und kamen auch. Mit Attestor stieg ein risikofreudiger Finanzinvestor als neuer Eigentümer ein.
Attestor war dann auch der Schlüssel dazu, das größte strukturelle Problem der Condor zu lösen: die alternde Langstreckenflotte. Denn Attestor übernahm nicht nur die Airline, sondern stellte auch Investitionsmittel für neue Flugzeuge zur Verfügung.
Alle georderten Maschinen sollen bis Anfang 2024 eintreffen
Zumindest in dieser Hinsicht war das Timing ein Glücksfall. Condor konnte die A330neo bestellen, als praktisch keine andere Airline Flugzeuge kaufen wollte, entsprechend günstig waren die Konditionen, und entsprechend schnell standen die Maschinen zur Verfügung. In diesem Jahr übernimmt die Airline einen großen Teil der A330-neo-Jahresproduktion.
Nach der D-ANRA sind bis heute sieben weitere Maschinen ausgeliefert worden. Alle 16 aus der ursprünglichen Bestellung werden nach derzeitigem Stand bis 2024 in Frankfurt eintreffen – gleichzeitig werden dann alle Boeing 767-300ER aus der Flotte genommen. Zwei weitere A330-900, die zwei Leasingunternehmen der Condor angeboten hatten, sollen im Herbst 2024 kommen. Der Aufsichtsrat hat darüber hinaus Bestelloptionen von bis zu fünf weiteren A330-900 zugestimmt. Eine Bestellung ist noch nicht erfolgt.
Condor-Maschinen im Streifenmuster
Die Erfahrungen aus den ersten vier Monaten mit der A330neo sind laut Teckentrup extrem positiv. „Wir fliegen eine ganze Menge Strecken mit einem Verbrauch von unter zwei Litern pro Sitz und 100 Kilometern“, berichtet der Condor-Chef. Damit sei die A330neo auch trotz der viel höheren Kapitalkosten wirtschaftlicher zu betreiben als die Boeing 767. Klar, gerade in den ersten Jahren profitiert jede Airline noch vom sogenannten „Maintenance Honeymoon“, also jener Phase, in der keine großen Wartungsereignisse anstehen und Flugzeuge normalerweise auch nicht kaputt gehen – von Ausnahmen bekanntlich abgesehen.
Condor hat mit der A330neo nicht nur ein neues Flugzeugmuster eingeführt, sondern auch eine neue Corporate Identity mit der gestreiften Bemalung, die auffällt. Vor allem aber hat sie das Produkt an Bord erneuert – neue Sitze in der Economy sowie der Premium Economy, dazu eine wesentlich bessere Business Class. Die vier „Prime Seats“ in der ersten Reihe genügen sogar den meisten First-Class-Standards.
Langstrecke boomt wieder
Die Airbusse sind mit 310 Sitzen ausgestattet, 30 in der Business, 64 in der Premium Economy und 216 in der Economy. Sie haben damit rund 50 Sitze mehr als die alten 767. Der Großteil des Wachstums entfällt auf die Premium Economy, die früher nur aus 35 Sitzplätzen bestand. Und ebenfalls anders als bei der 767 ist die Business Class immer einheitlich mit 30 Sitzen bestuhlt. Die 767 hatte zwei Versionen mit 18 oder 30 Sitzen, was bei Ausfällen und Änderungen immer wieder für großen Ärger mit den Passagieren sorgte, zumal, wenn die Version mit der größeren Business Class durch eine kleinere ersetzt werden musste
Die Einführung der A330neo dürfte nicht nur in Sachen Kaufpreis vom glücklichen Timing profitieren. Denn Condor übernimmt die größeren Flugzeuge in Boom-Zeiten. Praktisch jeder Sitz lässt sich derzeit zu guten Preisen verkaufen, die Inflation und andere negative Faktoren verhindern dies nicht. Auf der Langstrecke wird gutes Geld verdient. Condor hat das Netz auch ein wenig umgebaut und fliegt nicht mehr nur reine Urlaubsziele an. Mit Los Angeles, San Fran- cisco und New York stehen nun auch Ziele im Programm, die für Geschäftsreisende attraktiv sind – und da hilft das gute Bordprodukt, das dem der Lufthansa in Teilen überlegen ist. Andererseits sorgen die Business-Strecken für eine größere Saisonalität auf der Langstrecke, denn sie sind im Winter weniger nachgefragt – ein Teil der Kapazität muss zum Ausgleich also weiterhin umgeschichtet werden, um die Flotte auszulasten.
Lange Lieferzeiten ein Problem?
Die Verzögerungen in der Luftfahrt-Lieferkette haben allgemein dramatische Ausmaße angenommen, monate- und manchmal jahrelange Verspätungen sind eher die Regel als die Ausnahme, bei den Condor-Auslieferungen ist es aber noch einigermaßen gut gelaufen.
Ursprünglich waren nur drei Verspätungsmonate für alle 16 Maschinen insgesamt aus der ersten Bestellung vorgesehen, was etwa einer Woche pro Flugzeug entspricht. Dies ist zwischenzeitlich auf 22 Monate angewachsen, rund sechs Wochen pro Maschine. Condor erwartet aktuell weiterhin monatlich im Durchschnitt ein neues Flugzeug in der Flotte. Zur Auslieferung steht Condor in engem Austausch mit Airbus.
Für Condor ist das auch wegen des Produktversprechens wichtig. „Unser Ziel ist es, alle Langstreckenziele mit unserem Produkt der A330neo zu bedienen,“ so Teckentrup. Wegen des Ausfalls der D-ANRA musste sie kurzfristig eine A330neo der Air Belgium anmieten und ein bestehendes Abkommen mit Vamos erweitern. Aber: „Man kann nicht jeden Tag mit einem anderen Flugzeug kommen.“
Condor auf lange Sicht mit reiner Airbus-Flotte
Die Langstrecke war Condors größtes Problem, weil die 767 so alt waren. Aber
auch die Kurz- und Mittelstreckenflotte wird erneuert, sobald die A330neo-Umflottung weitgehend über die Bühne gegangen ist. Sowohl die derzeit eingesetzten A320 und A321 als auch die Boeing 757-300 werden ab 2024 ersetzt. So plant Condor 2024 noch rechnerisch mit sechs 757-300 und behält acht im Bestand, dieselbe Zahl wie im laufenden Jahr. 2025 werden dann zwei weitere Maschinen abgestoßen. 2026 wird Condor eine reine Airbus-Flotte haben, die durch den Zugang von A320neo und A321neo stetig verjüngt wird. Voraussichtlich 2028 ist das riesige Programm dann abgeschlossen.
In Sachen Problembär gab es übrigens ein Happy End. Nach Wochen am Boden in Port Louis wurde die D-ANRA Mitte März leer nach Frankfurt überführt, wo sie weitere fünf Wochen stand. „Wir mussten lange auf Ersatzteile für die Kabine warten,“ so Teckentrup. Am 21. April ging die Maschine dann auf einen viereinhalbstündigen Abnahmeflug, bei dem alles wie vorgesehen funktionierte. Einen Tag später machte das Flugzeug wie- der das, wofür Condor es gekauft hat: Die A330neo flog Urlauber an ihr Reiseziel – in diesem Fall auf die Malediven.