Sind Wasserstoffflugzeuge die Zukunft?
Die Luftfahrt gilt als Klimasünder – und muss daher mit den Emissionen runter. Wasserstoff ist für viele ein Hoffnungsträger. Und die Entwicklung schreitet schnell voran.
Schon bald soll es möglich sein, mal eben mit Wasserstoffflugzeugen von Berlin nach Rom zu fliegen. Bis 2023 plant das Branchenschwergewicht Airbus ein marktreifes Passagierflugzeug mit Wasserstoffantrieb. An dieser Technologie arbeiten jedoch nicht nur die großen Flugzeugbauer. Schon seit Jahren bastelt das Stuttgarter Start-up H2Fly an Wasserstoffflugzeugen – und will dem Branchenführer bald zuvorkommen.
Mit ihrem viersitzigen Testflieger HY4 sind die Stuttgarter bereits 2016 geflogen. Nach Angaben des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) handelte es sich damals um das größte rein mit Wasserstoff angetriebene Flugzeug. In zwei Jahren soll es dann zehnmal so groß werden. Laut H2Fly-Chef Josef Kallo soll eine 40-sitzige Dornier mit 2000 Kilometern Reichweite erstmals rein mit Wasserstoff betrieben fliegen. Damit bilde diese den Grundstein für die kommerzielle Anwendung.
Flughafen Stuttgart: Zentrum für wasserstoff-elektrisches Fliegen
Die dafür benötigten Brennstoffzellensysteme würden derzeit zu einem Gesamtsystem zusammengefügt. Das soll dann mit einem Flüssigwasserstofftank am Boden gekoppelt werden. Kallo erklärt: «Im Jahr 2024 wird das Ganze ins Flugzeug eingebaut und auch am Boden getestet». 2025 soll es dann erstmals in die Luft gehen. Im HY4 sei man derzeit bei einer Leistung von 120 bis 150 Kilowatt. Der nächste Schritt sei nun, auf ein Megawatt zu gehen. Mit den heutigen Technologien seien ungefähr 4 Megawatt erreichbar. Das reiche grob gesagt für einen 60- bis 80-Sitzer.
Die Entwicklung am Stuttgarter Flughafen so schneller voran gehen. Aufgrund dessen entsteht dort aktuell ein Zentrum für wasserstoff-elektrisches Fliegen. Dies unterliegt der Federführung von H2Fly und wird an diesem Montag (11.45 Uhr) vorgestellt.
Wasserstoffflugzeuge: Entwicklung schreitet voran
Auch das englisch-amerikanische Unternehmen ZeroAvia treibt die Entwicklung von Wasserstoffantrieben für die Luftfahrt voran. 2020 startete ein 6-Sitzer seinen Jungfernflug. Im Januar dieses Jahres hob sogar schon einen 19-Sitzer ab. Hierbei ersetzte man jedoch nur eines der beiden Triebwerke durch einen Brennstoffzellenmotor, das andere wurde mit Kerosin betrieben.
Björn Nagel ist der Leiter des DLR-Instituts für Systemarchitekturen in der Luftfahrt. Er erklärt, dass verschiedenste Start-ups und etablierte Hersteller in den kommenden fünf Jahren kommerzielle Geschäftsreiseflugzeuge mit bis zu 19 Sitzen anstreben. «Regionalflugzeuge mit bis zu 70 Sitzen könnten innerhalb der nächsten zehn Jahre möglich werden».
Ausbau der Flughafeninfrastruktur notwendig
Der Triebwerksbauer MTU Aero peilt Brennstoffzellen-Antriebe für Flugzeuge an. Diese können 50 bis 100 Passagiere über 1800 Kilometer transportieren. Vorstandschef Lars Wagner sagte dem «Münchner Merkur», dass dies für etwa drei Viertel aller europäischen Routen reicht. Bis 2035 plant Airbus ein marktreifes Passagierflugzeug mit Wasserstoffantrieb auf den Markt zu bringen. Die Kapazität könnte vergleichbar mit der des heutigen Mittelstreckenjets der A320neo-Familie sein. 100 bis 200 Sitzplätzen soll die Maschine in etwa bieten. Abhängig sind diese Pläne jedoch vom Ausbau der nötigen Infrastruktur.
Nagel empfindet dies als große Herausforderung, gibt sich aber optimistisch. Zu Beginn werde es nur wenige Wasserstoffflugzeuge in der Weltflotte geben. Den Betrieb dieser könne man auf wenige Strecken konzentrieren. Dadurch wäre zunächst nur an wenigen Flughäfen Infrastruktur zum Betanken nötig. Diese könne man dann weiter ausbauen. «Im Prinzip ist das wie mit den Ladesäulen für Elektroautos».
Bei kurzen und mittleren Reichweiten: Wasserstoffflugzeuge
Es sei neben flüssigem Wasserstoff auch gasförmiger Wasserstoff für den CO2-neutralen Umbau der Luftfahrt denkbar, erklärt Nagel. Aus «grünem» Wasserstoff und aus der Atmosphäre gewonnenem CO2 könne künstliches Kerosin hergestellt werden. Der Vorteil hierbei ist, dass es nahezu direkt in heutigen Flugzeugen verwendet werden kann. Allerdings brauche es viel Energie für die Herstellung.
Aktuellen Studien zufolge sei für kurze und mittlere Reichweiten der Gesamtenergiebedarf für das Fliegen und die Kraftstoffproduktion mit flüssigem Wasserstoff geringer. Auf der Langstrecke sei hingegen synthetisches Kerosin im Vorteil. Allerdings stecke viel noch in der Entwicklung, daher werde sich erst in den nächsten Jahren zeigen, welcher Energieträger sich durchsetzt. (dpa)