Kanaren kulinarisch: Die Aromen der Vulkaninsel Lanzarote
Erdbeeren, die aus Asche wachsen. Weine, die nach Feuerstein riechen. Dazu ein Gin-Erfinder, Kaktus-Eis, Salz und das Superfood Gofio. Die Vulkaninsel Lanzarote bringt vielfältig auf den Geschmack. Arrecife (dpa/tmn) – Tomás Mesa schaut tief ins Glas und atmet ein. «Feuerstein», befindet der Weinexperte. «Es riecht nach Feuerstein, mineralisch, einfach nach unserer Erde.» Dann nimmt er […]
Arrecife (dpa/tmn) – Tomás Mesa schaut tief ins Glas und atmet ein. «Feuerstein», befindet der Weinexperte. «Es riecht nach Feuerstein, mineralisch, einfach nach unserer Erde.» Dann nimmt er unüberhörbar einen größeren Schluck, schmeckt Jasmin und Orangenblüten heraus. «Diesen Weißen gibt es nur hier, sonst nirgendwo», sagt er.
Die Rebsorte, aus dem der verköstigte Wein gemacht ist, heißt «vulkanischer Malvasía». Sie verträgt Hitze und Dürre und ist so etwas wie das Konzentrat des Vulkaneilands Lanzarote.
Mojos und «hübsche Kartoffeln»
Wer die Kanareninsel kulinarisch entdecken möchte, kann zum Beispiel in den Norden fahren, nach Haría zu Víctor Betancort: Restaurantchef, Koch und in mageren Corona-Zeiten manchmal auch selbst Kellner.
«Früher gab es bei uns auf der Insel eine reine Überlebensküche», erzählt Betancort. Und erinnert sich an die Zeit, als Oma Cristina Würfel aus Ziegenkäse in ihren Linseneintopf gab. Der Enkel hat das traditionelle Familienrezept in die Gegenwart überführt – mit Käseschaum und gegarten Ziegenfleischhappen.
Richtig bunt wird es, wenn Betancort Schalen mit Mojos in Orangerot, Grün und Gelb serviert. Mojos sind Klassiker auf den Kanaren: kalte Soßen auf Basis von Olivenöl, Knoblauch, Essig, Kräutern und Gewürzen. Hinein dippt man gekochte Runzelkartöffelchen, die «papas arrugadas». In der Luxusvariante kommen sie als «papas bonitas» daher, wörtlich: «hübsche Kartoffeln». Was ironisch gemeint ist. Denn die löcherigen Kartoffelstücke wirken eher wie Abfall.
Doch Vorsicht, auch hier sollte man nicht nach dem Äußeren gehen. Die Kartöffelchen sind butterweich und köstlich. Sie werden mit Schale verzehrt und sind Sinnbild einer ehrlichen Inselküche.
Eine Erdbeere wie ein Fruchtbonbon
Aus den Vulkanböden Lanzarotes sprießen Bananen, Ananas, Grünkohl, Tomaten und kapitale Salate. «Das ist tatsächlich nicht das, was man auf einer trockenen Insel erwartet», sagt Tibisay Morales. Die 25-Jährige arbeitet in Tinajo im Öko-Betrieb ihrer Familie und erklärt das Geheimnis des kräftigen Wuchses: Es ist die Schicht aus körniger Vulkanasche, die die Bodenfeuchte konserviert.
«Hier gedeiht einfach alles», sagt Morales. Wobei es nicht ohne Bewässerung geht. Die Spanierin hat Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Tourismus studiert. Seit Corona hilft sie mehr auf der Farm mit, sogar bei der Ernte. «Nach einer Woche im Erdbeerfeld musste ich allerdings zum Physiotherapeuten», sagt sie und lacht.
Tibisay Morales findet kritische Worte für den Massentourismus, der mit Corona vorläufig endete: «Denen war doch eigentlich egal, wo sie waren», sagt sie über die Scharen an Touristen. Und doch vermisst sie die Fremden. Sie treffe hier sonst nur die immer gleichen Leute.
Dann steht noch eine Kostprobe an: Die Erdbeere, die Morales reicht, schmeckt fast so intensiv wie ein Fruchtbonbon. Der außergewöhnliche Geschmack ist dem Boden, der Asche und der Sonne zu verdanken.
Gin und Gofio
Lanzarote bringt üppige Pflanzen und kreative Köpfe hervor. So wie Roberto Santos. Nach über zweijähriger Experimentierphase begann der 32-Jährige in seiner Mikrodestillerie in Uga damit, eigenen Gin zu brennen. Dafür opferte er seinen sicheren Bürojob. Wacholder wächst auf der Insel nicht. Also nahm Santos getrocknetes Zitronengras aus dem Garten, das ihm die Oma einst als Erkältungstee kredenzte.
Ein großes Getränkeunternehmen, so erzählt es Santos, habe ihm die Formel und Marke des Gins für eine stattliche Summe abkaufen wollen. Doch der Spanier schlug das Angebot aus. Er setzte auf den Absatz in Kneipen, Discos und Restaurants. Dann kam Corona samt touristischer Flaute. Und damit die Reue. Seither sitzt Santos auf seinen Vorräten. Stolz ist er darauf, bereits einige Preise gewonnen zu haben.
Mehrfach preisgekrönt sind auch die Salinen von Janubio im Südwestteil der Insel. Die Ernte der kostbaren Salzblume läuft von Mai bis November. Vorausgesetzt, es regnet nicht.
Durchgehender Betrieb herrscht in der letzten Gofio-Mühle in San Bartolomé. Einst gab es inselweit mehr als hundert Mühlen für das geröstete, gemahlene Getreide namens Gofio, sagt Mitbesitzerin Silvia Gil. Ihr Großvater übernahm die alte Mühle 1919 und stattete sie mit einer Maschine aus England aus. «Gofio wird oft aus Mais gemacht und ist wie Mehl, aber dank der Röstung kann man es roh essen», sagt Gil.
Daheim bereitet die Mühlenfrau damit Crêpes zu, aber auch Kuchen, Plätzchen und Gnocchi. Gofio passe auch zu Joghurt, Milch und Kakao. «Das ist Superfood, wie Powerriegel. Voller Zink, Magnesium, Kalium und Vitaminen», sagt Gil. Sie ist offensichtlich überzeugt.
Die kulinarische Entdeckungsreise auf Lanzarote endet im Kakteengarten von Guatiza, ein Werk des Künstlers César Manrique (1919-1992). Die Caféterrasse lädt zum Probieren von Kaktuskroketten und Kaktusburger ein – und zum Kaktuseis mit Bitternoten und faserigen Stückchen. Ein Hochgenuss. Die Aussicht über das Kakteenmeer gibt es sozusagen als Sahnehäubchen obendrauf.
Info-Kasten: Lanzarote
Anreise: Von verschiedenen deutschen Flughäfen aus gibt es Direktflüge auf die Insel Lanzarote.
Einreise und Corona-Lage: Reisende ab zwölf Jahren müssen einen Impf- oder Genesungsnachweis oder einen negativen PCR- oder Antigentest vorlegen. Nötig ist auch eine Einreiseanmeldung. Die Corona-Zahlen in Spanien sind derzeit niedriger als in Deutschland.
Informationen: www.turismolanzarote.com/de und www.saborealanzarote.org/de
dpa/tmn ouv a3 xx xlt pla nhr