Heimatmarkt Levante: Airline-Porträt Royal Air Jordanian
Nach wirtschaftlich schweren Zeiten fliegt Royal Jordanian wieder profitabel. Ein langfristiges Konzept soll die Zukunft sichern
Die Zufahrt zum Queen Alia International Airport in Amman ist schwer gesichert. Auf dem Weg zum Terminal wird jedes Auto am Checkpoint auf der Zubringerstraße kontrolliert. Die Soldaten sind professionell freundlich – und schwer bewaffnet. Dass es die Staatsmacht mit der Sicherheit sehr ernst nimmt, machen nicht nur Fahrzeuge deutlich, deren Koffer- und Innenraum stichprobenartig durchsucht werden, sondern auch das schwere Maschinengewehr, das, auf einem Pickup montiert, den Checkpoint aus dem Hintergrund sichert. Der Flughafen ist Heimatbasis und Drehkreuz der Fluggesellschaft Royal Jordanian, die genau wie ihr Heimatland immer wieder neu ihre Rolle in der krisengeschüttelten Region des Nahen Ostens finden muss.
Mit rund 9,7 Millionen Einwohnern ist Jordanien ein kleines Land – umgeben von Ländern, die zu den größten Krisenherden der Welt gehören. Im Norden grenzt das vom Bürgerkrieg erschütterte Syrien an Jordanien, das sich im Osten eine lange Wüstengrenze mit dem instabilen Irak und dem extrem konservativen Saudi-Arabien teilt. Die politische Lage in Syrien und Irak bekommt Jordanien unmittelbar zu spüren: 1,9 Millionen Flüchtlinge leben mittlerweile in dem kleinen Wüstenstaat. Westlicher Nachbar ist Israel, mit dem fast alle arabischen Staaten verfeindet sind. „Fast“ deshalb, weil Jordanien 1994 einen Friedensvertrag mit Israel geschlossen hat und seit langem mit dem Nachbarn kooperiert. Die heute guten Beziehungen mit Israel haben unmittelbare Auswirkungen auf Royal Jordanian, den Flag Carrier und damit der nationalen Fluggesellschaft des Lands.
Neubeginn nach der Krise
Als einzige arabische Airline neben der ägyptischen Air Sinai bietet das Unternehmen Flüge nach Tel Aviv in Israel an. Daneben fliegt die Airline von Amman aus in die Metropolen der benachbarten arabischen Welt und bedient zahlreiche Großstädte in Europa. Dazu gehört auch Frankfurt, das mit Airbus A320 angeflogen wird. Langstreckenverbindungen bestehen mit Boeing 787 nach Nordamerika und Fernost. Aktuell befindet sich die Fluggesellschaft in einer Phase des Umbruchs. Bis 2016 schrieb die Airline seit langem, von einigen Ausnahmen abgesehen, in jedem Jahr Verluste. 2017 wurde die Reißleine gezogen – und mit dem Deutschen Stefan Pichler ein neuer CEO installiert, der die Airline in die Gewinnzone bringen und ein langfristiges Sanierungskonzept entwickeln soll.
Dabei sind die Voraussetzungen schwierig. Der jordanische Heimatmarkt ist klein. Das gilt zum einen für die Zahl der Menschen, die in dem Land leben. Und zum anderen, weil Jordanien kein reiches Land ist. Es gibt demzufolge kein großes Potenzial an Geschäftsreisenden und vergleichsweise wenig Menschen, die sich häufig private Flugreisen leisten können. Dazu kommt, dass in unmittelbarer Nachbarschaft einige der leistungsfähigsten Fluggesellschaften der Welt wie Emirates, Etihad und Qatar Airways Passagieren ihre Dienste anbieten, sodass auch der Mittlere Osten als Heimatmarkt für die Airline weitgehend ausfällt. Was bleibt, ist die Levante genannte Region des östlichen Mittelmeers, erweitert um den Irak – auf die der neue CEO seine zukünftige Strategie konzentriert.
„Die Carrier, die es in der Region gibt, Iraqi Airways zum Beispiel, sind noch nicht sehr stark. Es gibt keine großen Marken“, sagt Pichler. „Wir dagegen haben ein starkes Produkt. Deshalb ist die Levante als Heimatmarkt der richtige Ansatz.“ In die Karten spielt Royal Jordanian dabei die besondere Rolle Israels. Denn dort gibt es natürlich mit El Al und zum Beispiel Arkia namhafte Airlines, die aber in großen Teilen des neu definierten Heimatmarkts aufgrund der Rolle Israels in der Region keine wirklichen Wettbewerber sind. Parallel zur Festlegung des Markts und der Rolle des Unternehmens muss Royal Jordanian sparen. Das betrifft insbesondere das Personal.
Für eine Fluggesellschaft, die rund drei Millionen Passagiere befördert, beschäftigt Royal Jordanian im internationalen Vergleich zu viele Mitarbeiter. Auch wenn die Airlines mittlerweile privatisiert und zur Aktiengesellschaft umgewandelt wurde, hat der Staat, der 60,3 Prozent der Aktien hält, maßgeblichen Einfluss. Die Flotte von Royal Jordanian besteht aus 24 Maschinen von Airbus, Embraer und den Dreamlinern für die Langstrecken. Die Flugzeuge fliegen in Zweiklassenbestuhlung, wobei die Business als Crown Class bezeichnet wird. In den Boeing 787 befinden sich 24 Business-Class-Plätze in 2-2-2-Anordung, die sich zum bequemen Bett ausfahren lassen.
Vom König selbst gegründet
In der Economy Class sind jeweils drei Plätze nebeneinander angeordnet, sodass es pro Reihe neun Sitze gibt. Der Blick auf die Auslastung der Flugzeuge ist aufschlussreich. Zum einen, weil diese 2016 mit 66 Prozent sehr niedrig war. Zum anderen, weil sich nach dem Arbeitsantritt des neuen CEO gleich eine deutliche Verbesserung auf 71 Prozent erkennen lässt. Weitere Kennziffern im Vergleich der beiden Jahre: Die Zahl der Passagiere stieg von 2,9 auf 3,1 Millionen. Die Zahl der Abflüge nahm von 37 272 auf 37 578 zu, während die Zahl der geflogenen Kilometer von 68,1 auf 67,6 Millionen sank. Bedingt durch den Anstieg der Kerosinpreise stiegen die Kosten des Flugbetriebs von 2016 auf 2017 leicht, wobei Kraftstoffe 2017 einen Anteil von 22 Prozent hatten, während 14 Prozent auf Reparaturen und Wartung entfielen.
Leasinggebühren machten 15 Prozent der Ausgaben für den Flugbetrieb aus. Gemietet hat die Airline zwei Embraer 175 und zwei Boeing 787, wobei die Verträge jeweils über zehn und zwölf Jahre laufen. Royal Jordanian ist Mitglied der Allianz Oneworld und bietet darüber hinaus Codeshareflüge mit Airlines wie Tarom, Gulf Air, Oman Air, Middle East Airlines, Alitalia und Turkish Airlines an, die unter anderem Touristen in das Land am Toten Meer fliegen. Was den meisten Besuchern beim Aufenthalt in Jordanien sofort auffällt, ist die Präsenz von Polizei und Militär. So wie am Flughafen gibt es überall Sicherheitskontrollen im Land.
Auf der rund 250 Kilometer langen Fahrt von Amman zum Weltkulturerbe Petra kann es sein, dass ein Fahrzeug dreimal aus dem Verkehr auf dem Desert Highway gewunken und von schwerbewaffnetem Sicherheitspersonal kontrolliert wird. Gäste aus Europa werden dabei in der Regel freundlich gegrüßt, ohne weitere Kontrollen durchgewunken und in den Verkehr entlassen. Lästig ist es trotzdem. Dabei ist Jordanien einmal abgesehen vom chaotischen Verkehr und teilweise sehr schlechten Straßen ein sicheres Land und auch auf eigene Faust zu erkunden. Der Tourismus ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor und trägt zehn Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei.
Entsprechend hoch ist die Bedeutung der Fluggesellschaft für das Land – und die Gewährleistung der Sicherheit im Land. Denn im Zuge des Arabischen Frühlings war es auch in Jordanien zu Protesten gekommen und 2016 wurden bei einem Terroranschlag in der Kreuzfahrerburg Kerak sieben jordanische Polizisten und drei Zivilisten, darunter eine Touristin aus Kanada, getötet. Gegründet wurde die Fluggesellschaft 1963 per Regierungsdekret vom damaligen König Hussein persönlich, der selbst Kampfjets und Hubschrauber flog. Benannt wurde sie nach Alia, der ältesten Tochter des Monarchen. Der Flugbetrieb wurde mit zwei Handley Page Dart Herald und einer Douglas DC-7 aufgenommen. Im Flugplan standen Flüge nach Libanon, Ägypten und Kuwait. Wenig später folgte Jeddah in Saudi-Arabien. 1965 orderte Alia drei Caravelle.
Die A320 ist das Arbeitspferd in der Flotte von Royal Jordanian
Als das erste Flugzeug im Juli des Jahres ausgeliefert wurde, begann das Jetzeitalter bei der jungen Airline. Als erstes europäisches Ziel wurde Rom angeflogen. Damals war Jordanien, genau wie Syrien und Ägypten, mit Israel verfeindet. Die Spannungen führten zum Sechstagekrieg, bei dem das Land die westlichen Landesteile an den siegreichen Nachbarn verlor. Die beiden DC-7 der Fluggesellschaft wurden bei den Kampfhandlungen zerstört. Alia erholte sich schnell, beschaffte noch im selben Jahr zwei Fokker F27 und nahm mit Athen ein weiteres europäischen Ziel in den Flugplan auf. 1968 erhielt die Airline die dritte Caravelle und flog nun auch nach Nikosia, Bengasi, Dahran und Doha.
1969 folgten Istanbul, Teheran und als erste deutsche Stadt München. 1971 wurde die erste Boeing 707 an die Airline ausgeliefert. Durch die wachsende Zahl an Verbindungen und Flugzeugen nahm auch der Bedarf an Piloten zu. Die Fluggesellschaft reagierte darauf mit der Gründung des Alia Training Instituts. In dieser Zeit bestand die Cockpitcrew meist aus drei Besatzungsmitgliedern. Neben den Piloten war noch ein Bordingenieur an Bord. In einer Zeit, in der selbst bei europäischen oder amerikanischen Airlines das Cockpit eine Männerdomäne war, gab es bei der arabischen Fluggesellschaft ein Novum: 1975 nahm bei Alia die erste Frau im Cockpit ihre Arbeit auf. Sie arbeitete als Flugingenieurin. Weitere Frauen folgten. 1977 kaufte die Airline zwei Boeing 747-200 und bot damit Direktflüge nach New York an.
Als weiteres Flugzeugmuster stieß 1981 die erste Lockheed Tristar zur Flotte, und 1985 erhielt die erste Frau die Kapitänsstreifen bei der Fluggesellschaft. Ein Jahr später orderte Alia zwölf Flugzeuge in Europa: je sechs A310 und sechs A320. 1986 war auch unter anderem Blickwinkel ein wichtiges Jahr in der Geschichte der Airline: Das Unternehmen änderte seinen Namen. Aus Alia wurde Royal Jordanian. 1990 erhielt das Unternehmen dann die erste A320. Die Modellreihe bildet bis heute das Rückgrat der Flotte und ist vor allem auf den Mittelstrecken im Einsatz. Auf Langstrecken hatte diese Rolle lange die A340-200. Die Maschinen sind mittlerweile ausgemustert und durch neue Boeing 787 ersetzt, dem heutigen Flaggschiff der Flotte.
Text: Frank Littek, AERO INTERNATIONAL 2/2019